Fünf Jahre nach dem Rücktritt Uli Hoeneß und die Bayern - keine Spur von "Ich habe fertig"
Tränenreich verabschiedete sich Uli Hoeneß vor fünf Jahren beim FC Bayern. Doch der einstige Präsident ist heute fast genau so involviert wie vor seinem Abschied.
Es war vielleicht die emotionalste Jahreshauptversammlung, die der FC Bayern in seiner langen Geschichte erlebt hat. Uli Hoeneß verabschiedete sich von seinem Herzensverein. 40 Jahre zuvor hatte er als Manager beim FC Bayern übernommen, hatte ihn zu dem aufgebaut, was er heute ist, erlebte große Siege - und schlimme Niederlagen - sportlich wie persönlich. Im November 2019 ging diese Ära zu Ende.
Hoeneß Rücktritt vor fünf Jahren: "Ich habe fertig"
Schon beim Betreten der Bühne kämpfte der starke Mann beim FC Bayern mit den Tränen. Die stehenden Ovationen trieben sie endgültig aus seinen Augen. "Ich war nicht vorbereitet auf dieses Ausmaß an Empathie", sagte Hoeneß und gab noch einmal den Anhängern seine Vision, seinen Blick auf den FC Bayern mit, der ein Tanker im Weltmeer sei. "Dieser Tanker muss geradeaus fahren", sagte er und schloss mit den Worten: "Es war eine wunderschöne Zeit. Das war's. Ich habe fertig. Danke."
Auf der Bühne applaudierten diejenigen, die seinen Weggang auffangen sollten. Herbert Hainer, Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn - und versicherten anschließend, dass Hoeneß Lebenswerk in den richtigen Händen sei: "Wir werden schauen, dass wir die Balance halten zwischen sportlichem Erfolg, starken Zahlen und die Nähe zu unseren bayerischen Wurzeln", versprach Hainer, dem scheidenden Präsidenten zu dessen Abschied, von dem man dachte, er sei endgültig.
Tuchel, Nagelsmann und die Rückkehr des alten Meisters
Ganz loslassen konnte er aber nicht: Als Berater und Mentor wollte Hoeneß seinen Nachfolgern zur Seite stehen und als Mitglied des Aufsichtsrats noch kontrollieren, wohin sich der Verein entwickelt. Allerdings nur "für die Dauer seiner Bestellung bis November 2023". Anschließend wurde es ruhiger um Hoeneß. Spätestens seit Kahn im Juli 2021 Karl-Heinz Rummenigge als Vorstandsvorsitzenden ablöste, schien der Einfluss von Hoeneß noch weiter zu schwinden. Das ehemalige Gesicht des FC Bayern zeigte sich kaum noch in der Öffentlichkeit, gab nur ausgewählte Interviews, in denen er mehrfach betonte, Sportvorstand Kahn suche zu selten seinen Rat.
Das alles änderte sich schlagartig Ende März 2023 - also gut ein halbes Jahr bevor Hoeneß endgültig aus dem Aufsichtsrat ausscheiden sollte. Nach der Entlassung des damaligen Trainers Julian Nagelsmann baten Kahn und Salihamidzic um die Hilfe des alten Meisters, um den Deal mit dessen Nachfolger über die Ziellinie zu bringen. Schon bei Tuchels Vorstellung horchte man auf, als sich der neue Trainer explizit bei Hoeneß für dessen Vertrauen bedankte.
Hoeneß: Comeback der Abteilung Attacke
Es dauerte gut einen Monat, dann folgte der nächste öffentlichkeitswirksame Auftritt des alten Klub-Patriarchen. Der FC Bayern war gerade aus der Champions League ausgeschieden und hatte anschließend gegen Mainz die Tabellenführung in der Liga verspielt, da machte der 71-Jährige seine Aufwartung am Trainingsgelände, schüttelte Tuchel - gut sichtbar für die Fotografen - die Hand und verwickelte ihn in ein Gespräch. Hoeneß' Auftritt erinnerte etwas an Don Corleone. Das mächtige Familienoberhaupt richtete eine Botschaft an sein zerrüttetes Haus.
Am letzten Spieltag folgte der große Knall. Kahn entlassen. Salihamidzic entlassen. Rummenigge kehrt zurück in den Aufsichtsrat. Der große Tanker war in den Augen von Hoeneß vom Kurs abgekommen und kurz bevor er über Bord zu gehen drohte, setzte er selbst zu einem Rettungsmanöver an. Seither ist Hoeneß wieder sehr präsent. Er spricht über Geld für Transfers, berichtet über Kane-Verhandlungen, kritisiert die eigenen Fans, bewertet die Trainersuche - und setzt Spitzen gegen die geschassten Mitarbeiter Tuchel und Kahn.
Ruhe beim FC Bayern: Hoeneß kann sich "schön zurücklehnen"
In dieser Saison scheint der Tanker wieder auf Kurs. Auf der Bank sitzt mit Vincent Kompany ein Trainer, der auf dem Platz offensiv spielen lässt, dafür aber auf Pressekonferenzen so defensiv agiert, wie man es von einem ehemaligen Innenverteidiger erwarten kann. In der Führungsebene hat sich Hoeneß-Liebling Max Eberl als Sportvorstand eingelebt und Jan-Christian Dreesen wurde - trotz Ordner-Wurf-Gerüchte - einstimmig vom Aufsichtsrat um Hoeneß als dessen Chef bestätigt.
"Sorgen haben die anderen Klubs", sagte Hoeneß Anfang der Woche im "kicker" und schlussfolgerte: "Wir können uns nach einer längeren Zeit mal wieder schön zurücklehnen." Wann sich Hoeneß auch selbst so richtig zurücklehnt und das Ruder des großen Tankers ganz aus der Hand gibt, das bleibt auch fünf Jahre nach dem offiziellen Rücktritt abzuwarten.