Tour de France, 20. Etappe Pogacar triumphiert auch bei letzter Bergankunft
Keine Gnade für die Konkurrenz: Tadej Pogacar holte sich auch den Tagessieg auf der vorletzten Tour-Etappe. Der Slowene schlug Jonas Vingegaard im Sprint auf den Col de la Couillole.
Der Tour-Dominator machte damit seinen fünften Etappensieg bei der diesjährigen Tour de France perfekt, liegt in der Gesamtwertung über fünf Minuten vor Vingegaard. Für den Dänen, der auf dem letzten Anstieg noch einmal alles versucht hatte, blieb auch an diesem Tag nur der undankbare zweite Platz. "Ich könnte nicht glücklicher sein als mit diesem weiteren Tagessieg. Morgen werde ich es genießen", sagte der nimmersatte Pogacar: "Wenn man mir das vor der Tour gesagt hätte, hätte ich es nicht geglaubt."
Vingegaard distanziert Evenepoel
Allerdings durfte sich Vingegaard darüber freuen, dass er Remco Evenepoel einen Tag vor Rundfahrt-Schluss noch einmal um 45 Sekunden distanzierte. Damit geht Vingegaard mit fast drei Minuten Vorsprung auf Evenepoel ins abschließende Einzelzeitfahren am Sonntag.
Vorn aber bleibt Pogacar unantastbar. Der Slowene parierte auch am Samstag nahezu mühelos alle Angriffe der Konkurrenz. Sowohl Evenepoel als auch Vingegaard versuchten auf dem Schlussanstieg zu attackieren. Am Ende waren sie hinter Pogacar wieder die Geschlagenen.
Hammer-Etappe mit 4.600 Höhenmetern
Nach der hammerharten Etappe am Freitag (19.07.2024), als Tadej Pogacar mit seinem unwiderstehlichen Angriff am letzten Berg im Grunde endgültig die Vorentscheidung bei der diesjährigen Tour herbeiführte, hatten die Fahrer auch am vorletzten Tag der Rundfahrt eine echte Mammut-Aufgabe zu bewältigen. Von Nizza aus mussten zwar "nur" 133 km unter die Räder genommen werden, die allerdings hatten es in sich: Ganze 4.600 Höhenmeter waren zu bewältigen: Drei schwere Berge wies das Profil auf, bevor es auf den letzten 16 Kilometern hinauf auf den Col de la Couillole (1.678 Meter hoch) zur letzten Bergankunft der Tour ging.
Und natürlich: Es wurde eine Ausreißergruppe erwartet. Aber im Grunde rechneten alle mit der nächsten Gala von Dominator Pogacar, der bei Bergankünften gemeinsam mit seinem souveränen Team UAE aktuell unschlagbar erscheint.
Carapaz holt sich das Bergtrikot
Unverdrossen machte sich dennoch eine dreiköpfige Ausreißergruppe schon bald auf den Weg: Wilco Kelderman (Team Visma-Lease a Bike), Enric Mas (Movistar) und Bruno Armirail (Groupama FDJ) setzten sich ab, wurden allerdings verfolgt von einer bald nur noch vierköpfigen Gruppe mit Richard Carapaz (EF Education), Jan Tratnik (Visma), Marc Soler (UAE) und Romain Bardet (DSM Firmenich). 82 Kilometer vor dem Ziel hatten die vier zu den drei Führenden aufgeschlossen. Tadej Pogacar und die weiteren Aspiranten in der Gesamtwertung ließen die Angreifer erst einmal entspannt gewähren, hatten zu dieser Phase rund 4:30 Minuten Rückstand.
Den zweiten Berg des Tages, den Col de Turini erkletterte Richard Carapaz als Erster - das war wichtig für den Fahrer aus Ecuador, denn er machte damit einen wichtigen Schritt zum Gewinn des gepunkteten Bergtrikots. Während im Peloton das Team Soudal vom Gesamt-Drittplatzierten Evenepoel die Tempoarbeit übernahm, arbeiteten die Führenden gut zusammen und hielten den Vorsprung stabil bei etwa vier Minuten. Carapaz war auch am vorletzten Anstieg hinauf auf den Col de la Colmiane (Kat. 1) Erster und sicherte sich damit endgültig den Gewinn des Bergtrikots.
Carapaz und Mas fahren davon
Zehn Kilometer vor dem Ziel lösten sich Carapaz und Mas aus der Führungsgruppe und eilten den anderen davon. Der Weg zum Etappensieg war aber noch nicht frei - denn im Feld der Favoriten wurde nun mächtig Tempo gemacht. Mikel Landa vom Evenepoel-Team spannte sich mit seinem Kapitän im Schlepptau vor die Gruppe und gab enorm Gas. Sogar Pogacar und Vingegaard hatten Probleme, dabeizubleiben - und der Rückstand zum Führungsduo schmolz wie Eis in der Sonne.
Als Landa Tempo herausnehmen musste, waren Evenepoel, Pogacar und Vingegaard gefragt. Evenepoel attackierte, aber Vingegaard konterte und fuhr mit Pogacar am Hinterrad vorbei. Die beiden Führenden der Gesamtwertung schlugen ein Höllentempo an, was auch für Mas und Carapaz etwas weiter vorn bedeutete: Mit dem Etappensieg - das würde wohl doch nichts werden. Knapp drei Kilometer vor dem Ziel waren Vingegaard und Pogacar tatsächlich vorn. Und da machte Pogacar Dinge, die im Moment anscheinend nur er kann: Er trat bei Vingegaards höchstem Tempo noch einmal an und zog dem Dänen auf den letzten Metern scheinbar mühelos davon. Um am Ende wieder die Arme zum Siegerjubel hochreißen zu können.
Zeitfahren am Sonntag als Triumphfahrt
Das 33,7 Kilometer lange Abschlusszeitfahren am Sonntag dürfte für Pogacar zu einer reinen Triumphfahrt werden. Selbst einen Defekt könnte er sich angesichts des Vorsprungs leisten. Ein Drama wie 1989, als die Tour zuletzt mit einem Einzelzeitfahren zu Ende gegangen war, wird es nach menschlichem Ermessen nicht geben.
Damals war Greg LeMond mit 50 Sekunden Rückstand auf den Führenden Laurent Fignon in den Kampf gegen die Uhr in Paris gegangen. Der US-Amerikaner überließ nichts dem Zufall, fuhr mit einem Triathlon-Aufsatz am Lenker und einem Zeitfahrhelm, während der Franzose mit wehendem blonden Haar durch die Straßen der französischen Hauptstadt jagte. Am Ende lag LeMond acht Sekunden vor Fignon und feierte den knappsten Tour-Sieg der Geschichte.