Visma - Lease a bike mit neuem Zeitfahrhelm

Tour de France Rennräder der Profis - Feilschen um jedes Watt

Stand: 24.06.2024 21:35 Uhr

Bei der Tour de France herrscht eine hohe Leistungsdichte - über Sieg oder Niederlage können winzige Details entscheiden.

Von Thomas Braun

Beim Zeitfahren des Etappenrennens Tirreno-Adriatico im Frühjahr hatte das Team Visma | Lease a Bike mit neuen Zeitfahrhelmen für großes Aufsehen gesorgt. Die Vorderseite dieser übergroßen Helme ragt weiter über das Gesicht des Fahrers hinaus – wirkt fast wie die Kopfform eines Hais.

Der Aerohead II, so heißt dieses neue Modell des Herstellers Giro, hält sich zwar an die UCI-Vorgaben. Der Weltradsportverband äußerte dennoch Sicherheitsbedenken – genauso wie bei zwei anderen Helmmodellen: dem Windgream HL 85 des Herstellers Rudy Project und dem bereits schon länger von mehreren Teams gefahrenen Poc Tempor. Der Verband will deshalb noch einmal die Regelungen für Helmgröße und Design überarbeiten.

Sicherheitsdebatte um Hookless-Felgen

Eine Sicherheitsdebatte gibt es auch um sogenannte Hookless-Felgen – eine Kombination aus schlauchlosen Reifen auf hakenlosen Felgen. Auslöser war unter anderem ein Sturz von Thomas De Gendt bei der UAE-Tour im Frühjahr. Bei ihm hatte sich der Reifen inklusive der grünen Pannenschutzeinlage vom Felgen gezogen – offenbar nachdem die Felge nach einem Aufprall auf einen Stein gebrochen war.

Während der Hersteller SRAM nach eigenen Untersuchungen der Vorfälle die Hookless-Felgen weiterhin für sicher hält, will der Weltradsportverband UCI Fahrer, Teams und Hersteller an einen Tisch bringen, um gegebenenfalls die Vorgaben nachzuschärfen.

Grundsätzlich sieht Hersteller SRAM große Vorteile bei Hookless-Felgen: Dank eines einfacheren Herstellungsprozesses sind die Laufräder bis zu 300 Gramm leichter und zudem kostengünstiger. Außerdem werden die Reifen am Übergang zur Felge weniger gewölbt und sind dadurch aerodynamischer.

Die Reifen: Schlauchreifen, Clincher und Tubeless

Schlauchlose Reifen , englisch auch „tubeless“ genannt, sind generell der aktuelle Trend im Straßenradsport. Bei diesen Reifen ist das Ventil fest mit der Felge verbunden. Tubeless-Reifen haben zum Beispiel den Vorteil, dass man den Luftdruck deutlich variieren kann.

Auch wenn Tubeless-Reifen sich immer mehr durchsetzen – im Profipeloton sind je nach Streckenprofil auch weiterhin Schlauchreifen unterwegs. Hier sind Schlauch und Mantel miteinander vernäht - der Reifen wird auf die Felge aufgeklebt. Die Felge ist in der Mitte leicht gewölbt, besitzt aber keine seitlich hochstehenden Felgenhörner. Bei einem Defekt haben solche Reifen bessere Notlaufeigenschaften - hinzu kommt genauso wie bei den Hookless-Felgen der Gewichtsvorteil gegenüber anderen Reifensystemen, da sie leichter konstruiert werden können.

Im Freizeitbereich am weitesten verbreitet sind wohl immer noch die Clincher – auch Draht- oder Faltreifen genannt. Hier wird der Reifenmantel an den etwas erhöhten Felgenhörnern aufgehängt. Innendrin ist ein separater Schlauch, der mit Luft gefüllt wird.

Hohe Felgen aus Carbon

Wichtig ist generell das Zusammenspiel von Felge und Reifen. Beides muss zusammenpassen und harmonieren - etwa bei der Breite, aber auch bei der Art des Reifens.

Bei den Felgen ist schon seit längerem Carbon das Mittel der Wahl. Der Werkstoff ist leicht und bietet eine höhere Steifigkeit. Mit ihm sind bei gleichem Gewicht wie bei Alufelgen andere Formen möglich - insbesondere höhere Felgen. Und je höher die Felge, desto besser die Aerodynamik. Etwa 60 Millimeter Höhe sind aktuell der Standard bei Flachetappen. Wenn es bergauf geht, fährt man auch mal flachere Felgen.

Generell kommt es bei der Konstruktion von Fahrradkomponenten auf das richtige Verhältnis von Aerodynamik und Gewicht an. Aber auch ein geringer Rollwiderstand, sowie Steifigkeit und Fahrkomfort dürfen nicht zu kurz kommen.

Der Rahmen: Aerodynamisch und superleicht

Die Hauptkomponente bei den Rädern ist der Rahmen. Dessen grundsätzliche Form ist vom Weltradsportverband UCI vorgegeben. Etwas Spielraum haben die Hersteller aber bei der aerodynamischen Gestaltung der Rahmenrohre. Specialized zum Beispiel, das bei der Tour Bora-Hansgrohe und Soudal Quick-Step ausrüstet, hat bei seinem neuen Top-Modell S-Works Tarmac SL 8 noch einmal etwas nachgebessert. Nach eigenen Angaben ist es auf 40 Kilometern knapp 17 Sekunden schneller als der Vorgänger. Ähnliches verspricht Ineos-Ausrüster Pinarello für sein Topmodell.

Sowohl Pinarello und Specialized haben ihre Räder zudem so abgespeckt, dass sie die Teams – abgesehen von den speziellen Zeitfahrboliden – nur noch mit einem Rad ausstatten. Andere Hersteller wie Canyon, Merida oder auch Visma-Ausrüster Cervélo unterscheiden noch zwischen den leichten Bergrädern und den etwas schwereren Aero-Maschinen.

Aber selbst für die leichten Bergräder gibt es eine Gewichtsuntergrenze. Sie dürfen laut UCI-Reglement zusammen mit dem fest verbauten Zubehör nicht leichter als 6,8 Kilogramm sein.

Das Bremssystem: Scheibenbremse hat Felgenbremse verdrängt

Scheiben- oder Felgenbremse: Das war viele Jahre ein heißes Diskussionsthema im Radsport. Drei Jahre dauerte die Testphase an, bis der Weltradsportverband UCI schließlich ab dem 1. Juli 2018 den Einsatz von Scheibenbremsen (engl. "disc") bei Straßenrennen erlaubte.

Mittlerweile haben sich die Discs im Profisport größtenteils durchgesetzt - auch wenn sie schwerer sind als die Felgenbremsen und dadurch der Gewichtsspielraum beim Gesamtrad für die Hersteller etwas eingeschränkt wurde. Üblicherweise werden in den Profi-Rädern Bremsscheiben mit 160 Millimetern Durchmesser eingesetzt, manchmal auch eine Kombination aus 140er und 160er Scheiben. Ein großer Vorteil der Discs: Auch bei großer Hitzeentwicklung etwa in Abfahrten kann sich die Felge nicht mehr verformen.

Elektronische Schaltgruppen sind Standard

Damit die Räder überhaupt in Bewegung kommen und die Leistung der Fahrer auf die Straße übertragen wird, braucht es ein weiteres wichtiges Bauteil: Die Schaltgruppe - die neben den Bremsen aus Kurbel, Kettenblättern vorne, Kassette hinten, Umwerfer, Schaltwerk, Schalthebeln und Kette besteht.

Die meisten Teams in der World Tour fahren das Topsystem von Shimano: Dura Ace Di2. Das deutsche Team Bora-Hansgrohe hingegen setzt seit dieser Saison – genau wie zum Beispiel Vingegaards Team Visma | Lease a Bike -  auf den US-Hersteller SRAM. Der dritte große Hersteller, Campagnolo, ist nicht mehr in der World Tour vertreten.

Alle Profi-Schaltsysteme sind elektronisch und haben integrierte Leistungsmessgeräte – wobei die Teams mitunter noch Verträge mit anderen Herstellern haben und hier eigene Leistungsmesser einsetzen.

54/39 vorne - und 30er Kassette hinten

Der Standard bei der hinteren Kassette der Schaltgruppe ist – auch dank der mittlerweile verbreiteten Zwölffach-Kassette - ein 30er Ritzel als größtes Ritzel. Kleinere Kassetten werden nur noch selten gefahren, etwa beim Zeitfahren. Größere Ritzel werden im Profibereich nur bei ganz speziellen Bergetappen aufgebaut.

Vorne war lange 53/39 der Standard, mittlerweile sind aber auch 54/39 und 54/40 weit verbreitet. Matej Mohoric hatte bei seinem ersten Tour-Etappensieg 2021 nach eigenen Angaben sogar eine 55/42er-Kombination aufgelegt. Und für Sprinter kann es gerne auch mal noch eine Nummer größer sein.

Mit dem größeren Kettenblatt vorne haben die Profis mehr Spielraum – müssen dann auf der hinteren Kassette nicht im Randbereich fahren, sondern können die Kette eher mittig laufen lassen.

Mindestbreite für Lenker

Eine weiterer Trend, der die vergangenen Jahre zu beobachten ist: Die Lenker werden immer schmaler. Durch die dadurch veränderte Körperhaltung bietet der Fahrer dem Wind weniger Widerstand und kann mit gleicher Leistung höhere Geschwindigkeiten erreichen.

Das nahm allerdings derartige Ausmaße an, dass die UCI im vergangenen Jahr gegenlenkte. Zunächst wurde bereits 2021 der Unterarmstütz auf dem Lenker verboten. Mittlerweile muss der Lenker zudem mindestens 350 mm breit sein.

Kleidung: Belüftung genauso wichtig wie Aerodynamik

Nicht nur bei den Rädern wird an jedem Detail geschraubt - auch die richtige Bekleidung kann enorme Vorteile bringen. Das gilt sowohl für die Kopfbedeckung, als auch für die Trikots. Wie Tests im Windkanal zeigen, können spezielle Aerotrikots bei hohen Geschwindigkeiten bis zu 30 Watt gegenüber einem Standardtrikot einsparen.

Wichtigstes Kriterium: Die Kleidung muss eng anliegen, darf nicht flattern. Dabei kommen spezielle, elastische Gewebe zum Einsatz. Die Beinabschlüsse haben oft eine Silikongummierung, damit nichts verrutscht.

Es wird auch mit verschiedenen Stoffkombinationen gearbeitet: Teils glatte Gewebe, dort wo der Wind aufprallt. An anderen Stellen hingegen gibt es strukturierte Flächen mit Längsrillen und Wabenmustern, die dafür sorgen, dass sich der Luftstrom vom Trikot löst und es weniger Verwirbelungen gibt. In den Hosen sind Sitzpolster eingenäht, der gewählte Stoff ist extrem dehnbar und leitet Feuchtigkeit gut ab. Wichtig ist auch, dass die Körperwärme gut abgeleitet wird.

Protoypen bei der Tour

Ein Großteil der Ausrüstung der Radsportler wird heute im Austausch mit den Profis entwickelt. Sie sind dann auch teils mit Prototypen unterwegs. Brandneues Material wird aber in aller Regel nicht erst bei der Tour, sondern schon in den Rennen vorher ausgiebig getestet.

Was sich bewährt, kommt kurz darauf auf den freien Markt - eine Vorgabe des UCI-Reglements. Spätestens zwölf Monate nach dem ersten Renneinsatz muss das neue Material für jeden zu kaufen sein, der Radfahren als Sport ausübt.