Aus der Uni in die World Tour Radsportlerin Klöser - es begann mit einem geklauten Fahrrad
Eigentlich schreibt sie gerade ihre Doktorarbeit in Wirtschaftswissenschaften. Vor drei Jahren war sie noch nie bei einem Radrennen mitgefahren. Dennoch hat Rosa Maria Klöser inzwischen das wichtigste Gravel-Rennen der Welt gewonnen und einen World-Tour-Vertrag auf der Straße in der Tasche. Ein extrem rasanter, ein extrem außergewöhnlicher Aufstieg.
Es ist ein Start ins Ungewisse, der vor Rosa Maria Klöser liegt. Am Freitag wird sie zum ersten Mal in ihrem Sportlerleben als Teil eines Radteams starten. Nicht irgendeines Teams, sondern als Teil von Canyon/SRAM zondacrypto, jener Mannschaft, die 2024 die Tour de France Femmes gewann, das bedeutendste Straßenrennen des Jahres. Rosa Maria Klösers Straßen-Profikarriere beginnt auf Mallorca, bei der Trofeo Marratxi – Felanitx.
"Für mich ist das gerade alles schon ein Kulturschock. Bisher musste ich an meinem Rad alles immer selbst machen. Hier fühlt sich das gerade nach Luxus an in jedem Bereich. Jeden Morgen steht das Rennrad frisch geputzt da. Man muss einfach nur noch draufhüpfen", beschreibt die 28-Jährige ihre für sie noch ungewohnten Erfahrungen.
Wer diese Gefühle verstehen will, dem gelingt das deutlich leichter, wenn er weiß, wie sehr sich das Leben für Klöser in den vergangenen drei Jahren von Grund auf verändert hat. Eigentlich gehörte ihr ganzes Interesse den Wirtschaftswissenschaften. Für ihre Doktorarbeit zieht sie nach Kopenhagen, gibt dort Kurse, korrigiert Seminararbeiten der Studenten. Vor allem aber forscht und schreibt sie zum Thema: "Der grüne Wandel in der maritimen Wirtschaft". Eigentlich genug, um den Arbeitsalltag eines Menschen komplett auszufüllen.
Einsteigerrad für 1.200 Euro
Und wer weiß, was passiert wäre, hätte man der Doktorandin in Dänemark nicht ihr Stadtrad geklaut. Nur deswegen entschied sich Klöser in Kopenhagen zum Kauf ihres ersten Rennrades. Ein Einsteigermodell mit Alurahmen. 1.200 Euro gab sie aus. Das kam Klöser damals extrem viel vor. 2021 war das. "Ab dem ersten Moment war meine Leidenschaft geweckt. Und die ist seitdem immer mehr gewachsen." Es folgten erste Rennen im virtuellen Raum, danach auch auf der Straße: Erster Start, gleich gewonnen. Anfangs noch ohne jedes Wissen in Sachen Taktik. Aber dafür ausgestattet mit umso mehr Ehrgeiz. "Ich bin eine sehr ambitionierte Person."
Soll heißen, was sie macht, das macht Rosa Maria Klöser richtig. Das Rad wurde bald getunt mit Karbonlaufrädern und aerodynamischen Flaschenhaltern. Optimieren ist ihre Leidenschaft. In jeder Hinsicht, egal ob eigener Körper oder Technik.
Zu Fortbildungszwecken guckt sie sich seit jenen Tagen fast jedes Rennen an. Im Fernsehen oder im Netz. Will verstehen, wer welche Taktik anwendet, um zu gewinnen, wer warum Erfolg hat. "Jede Fahrerin, jeden Fahrer, die irgendwo seither mal eine Bergwertung gewonnen haben, deren Namen kenne ich dadurch natürlich." Sie glaubt, dass das in ihrer Zukunft durchaus noch von Bedeutung sein könnte.
Ihre ersten Erfolge waren der Beginn einer Karrierespirale, die sich seitdem immer schneller dreht. Durch eine Zufallsbekanntschaft kommt sie auf die Idee, an Gravel-Rennen teilzunehmen, kann dort schon bald mit Topfahrerinnen mithalten. Im August 2023 fährt sie bei einem Wettbewerb in Schweden in einer dreiköpfigen Spitzengruppe gemeinsam mit Marianne Vos, der vielleicht besten Radfahrerin aller Zeiten. Klöser hält mit, wird nicht abgeschüttelt. Vielleicht das Schlüsselerlebnis in Rosa Maria Klösers noch junger Laufbahn. Eins, das sie nachdenken lässt, ob es vielleicht eine Karriere im Radsport für sie geben könnte.
Sieg beim Unbound
2024 startet die gebürtige Geilenkirchenerin erstmals bei den wichtigsten Rennen des Gravel-Kalenders. Beim Unbound Anfang Juni in den USA, dem Rennen, das alle Gelände-Spezialistinnen unbedingt mal gewinnen wollen, ist sie bei der Premiere praktisch noch eine Unbekannte. Doch nach 200 Meilen und zehneinhalb Stunden Fahrzeit sprintet sie als Erste über die Ziellinie. Seitdem kennt man ihren Namen in Radkreisen.
Mehr aus Neugier nimmt sie drei Wochen später bei den deutschen Straßen-Meisterschaften teil. Obwohl sie auf der Straße praktisch noch nie ein Rennen gefahren ist, kann sie im Kreise der World-Tour Spezialistinnen praktisch problemlos mithalten, ist Teil der entscheidenden Ausreißergruppe, wird letztlich, als quasi "Anfängerin", Neunte. Auch eines jener prägenden Erlebnisse. "Mit meiner Größe von 1,77 Metern gelingt es mir, auch auf der Straße Dominanz ausstrahlen und als selbstbewusste Fahrerin aufzutreten. Durch meine Erfahrungen vom Gravel kann ich mich auch gut durch Lücken im Feld schlängeln", analysiert sie ihre Qualitäten auch im Hinblick auf eine Zukunft als Profifahrerin.
Doktorarbeit abgeben
Da kam das Angebot des Canyon/SRAM zondacrypto Teams gerade recht. Die letzten Lehrstunden an der Business School in Kopenhagen sind inzwischen gehalten, seit dem 16. Januar ist ihr Angestelltenvertrag dort ausgelaufen, auch die noch ausstehenden Teile ihre Doktorarbeit will die Wirtschaftswissenschaftlerin bis Ende 2025 fertigstellen. Ansonsten gilt ab jetzt: alle Konzentration aufs Radfahren.
Im Dezember hatte sie ihr erstes Trainingslager mit dem neuen Rennstall, musste erst einmal lernen, dass man Pumpe und Flickzeug beim Training mit der Gruppe gar nicht mehr dabei haben muss. Und auch, dass es beim begleitenden Teamwagen immer eine Regenjacke gibt, wenn es doch mal regnen sollte.
Ziele für die Straße
Ihr zukünftiges Sportlerleben soll Straße und Gelände miteinander vereinen. "Meinen Gravel-Titel beim Unbound im Juni möchte ich verteidigen. Doch auch auf der Straße ist meine Ambition, das Team in den entscheidenden Rennsituationen unterstützen zu können", sagt Klöser, für die Straßen-Rennen auf World- Tour-Niveau absolutes Neuland darstellen. Doch Rosa Maria Klöser wäre nicht in so kurzer Zeit so unglaublich weit gekommen, wenn Selbstzweifel in ihrem Kopf dominieren würden. Auch auf der Straße hat sie konkrete Vorstellungen von ihren Zielen: Strade Bianche, Paris-Roubaix und hügelige Rundfahrten.
Die Neu-Einsteigerin ist selbst genauso gespannt wie ihre Mannschaft, wie sich ihr neues Leben als Teil der World Tour entwickeln wird. "Ich bin eine Wundertüte, man weiß einfach nicht, was von mir zu erwarten ist." Los geht es auf Mallorca, bei der Trofeo Marratxi – Felanitx. Rosa Maria Klöser, einer der spannendsten Einstiege in eine Karriere als Straßen-Fahrerin, die es je gegeben hat.