Tischtennis-Drama bei Olympia 2024 Ovtcharov unterliegt Wunderkind Lebrun im Hexenkessel
Was für ein Tischtennis-Krimi: Dimitri Ovtcharov musste sich im Olympia-Achtelfinale dem französischen Star Felix Lebrun nach einer spektakulären Aufholjagd geschlagen geben.
Dimitri Ovtcharov hatte genau gewusst, was auf ihn zukommen würde in diesem olympischen Achtelfinale. Ihm gegenüber an der Platte stand nicht nur das 17-jährige Tischtennis-Wunderkind Felix Lebrun, die Nummer vier der Welt. Das war schon herausfordernd genug.
Doch der junge Franzose ist längst ein Social-Media-Star und sorgt bei jedem seiner Auftritte in der South Paris Arena 4 für völlige Ekstase der 6.400 Fans. "Die Zuschauer werden wie eine Wand hinter ihm stehen. Die Halle wird beben, so wie ich das auch noch nicht erlebt habe", sagte Ovtcharov vor der Partie. Und er sollte Recht behalten.
Als die beiden am Mittwochnachmittag die Halle betraten, explodierte der Jubel förmlich. "Allez Felix, allez Felix"-Sprechchöre samt Trommelgehämmer echoten ohrenbetäubend, bei jedem Punktgewinn des Franzosen bebte die Halle aufs Neue.
Lebrun dominiert den Auftakt
"Ich habe viel Erfahrung", meinte der fünfmalige Olympiateilnehmer, der sechs Medaille gewonnen hat: "Ich denke, ich werde damit umgehen können. Ich freue mich auf diese Erfahrung." Die Freude währte zunächst allerdings nur kurz bei Ovtcharov.
59 Minuten dauerte der Siebensatz-Krimi zwischen Dimitri Ovtcharov (hinten) und Felix Lebrun.
Nach gutem Start untermauerte Lebrun sofort, dass er nicht umsonst als einer der besten Aufschläger der Welt gilt. Ovtcharov tat sich schwer, die Aufschläge zu lesen, musste selbst viel ins Risiko gehen. Der erste Satz ging mit 11:9 an den Franzosen, die Halle tobte.
Krimi im zweiten Satz
Schnell ging Lebrun im zweiten Durchgang mit 6:3 in Führung, der 17-Jährige spielte völlig abgeklärt mit wahnwitzigem Tempo auf extrem hohen Niveau. Doch der 35 Jahre alte Ovtcharov, immerhin ja die Nummer 14 der Welt, fand mit seiner großen Erfahrung einen Weg zurück in den Satz.
Nervenstark wehrte Ovtcharov gleich fünf Satzbälle ab und erspielte sich selbst einen beim Stand von 12:11 - der packende Krimi ging unter tosendem Jubel der Fans in die Verlängerung. Lebrun wehrte ihn ab, wie auch den zweiten Satzball. Und dann hatte der Franzose den sechsten Satzball - und dieses Mal machte Ovtcharov den Fehler mit der Rückhand. 15:13, auch der zweite Satz war weg.
Ovtcharov startet Aufholjagd nach 0:3
Enttäuscht holte sich Ovtcharov Rat und Trost bei Bundestrainer Jörg Roßkopf. Doch bis dahin konnte sich der Deutsche wenig vorwerfen, auch er zeigte eine starke Partie. Aber dieser junge Franzose spielte einfach sensationell. Und obwohl Ovtcharov im dritten Satz schon mit 4:0 in Führung gegangen war, übernahm Lebrun beim 6:5 auch hier wieder. Ovtcharov wehrte sich, Lebrun hatte die besseren Antworten und holte den Satz mit 12:10.
Mit 0:3 in den Sätzen lag Dimitri Ovtcharov gegen Felix Lebrun zurück, kämpfte sich aber in den Entscheidungssatz.
Ovtcharov gab nicht auf, im vierten Durchgang preschte er mit 6:2 vor und hielt den Druck von Lebruns Schlägen dieses Mal bis zum Ende stand: Den Satz gewann er mit 11:8 und irgendwie schien der Bann nun gebrochen zu sein. Mit 7:0 schnellte Ovtcharov im fünften Durchgang nach vorne - auf einmal gelang Lebrun nur noch wenig und Ovtcharovs Returnspiel wurde endlich effektiv. Mit 11:3 schnappte sich der Routinier auch diesen Satz und verkürzte auf 2:3. Lebrun schien nachzudenken, wie ihm diese Partie aus den Händen gerutscht war.
Lebrun im Entscheidungssatz wieder da
Auf den Rängen fieberten sie weiterhin lautstark mit Lebrun mit, auch Frankreichs Fußball-Ikone Zinédine Zidane verfolgte diesen packenden Weltklasse-Schlagabtausch der beiden in der Halle. Ovtcharov ließ sich nun nicht mehr beirren bei seiner beeindruckenden Aufholjagd und gewann auch den sechsten Satz - der Krimi ging in die Entscheidung.
Angepeitscht von den Fans glückte Lebrun der bessere Start zum 5:1 - das Wunderkind hatte sein Selbstbewusstsein zurück. Doch wieder ließ sich Ovtcharov nicht abschütteln, er kämpfte sich zum 7:8 wieder heran. Es sollte nicht mehr reichen, Lebrun spielte die letzten Bälle wie im Rausch und verwandelte seinen ersten Matchball zum 4:3-Sieg. Der Jubel in der Halle explodierte endgültig.
Jetzt bin ich sehr, sehr traurig. Ich wollte wieder eine Medaille holen, das hat nicht geklappt, jetzt bin ich sehr enttäuscht.
Für Ovtcharov enden seine fünften Olympischen Spiele ohne eine erhoffte Medaille. Erstmals seit 2008 steht kein deutscher Profi im Viertelfinale. Im Teamwettbewerb haben Ovtcharov, Dang Qiu und Timo Boll ab dem 5. August noch die Chance, mit einer Medaille aus Paris nach Hause zu fahren.