Erster Sieg seit acht Jahren Deutsche Handballer starten mit Ausrufezeichen gegen Schweden
Traumstart für die deutschen Handballer bei den Olympischen Spielen in Paris: Gegen Mitfavorit Schweden trumpfte das Team von Alfred Gislason am Samstag (27.07.2024) groß auf und gewann mit 30:27 (12:11). Damit endete auch eine acht Jahre andauernde Negativserie.
Garant für den Erfolg war einmal mehr Torhüter Andreas Wolff, der mit 13 Paraden glänzte und das schwedische Starensemble ein ums andere Mal zum Verzweifeln brachte. Daneben ragten vor 5.765 Zuschauern in der Arena 6 auf dem Pariser Messegelände Renars Uscins mit acht und Kapitän Johannes Golla mit fünf Treffern heraus.
"Ich bin sehr stolz auf die Jungs", sagte Bundestrainer Alfred Gislason im Anschluss. "Die Torhüterleistung war überragend, auch unsere Abwehr war phänomenal. Dieser Sieg bedeutet uns sehr viel."
Wolff selbst erklärte: "Es tut gut, dass wir endlich mal einen Großen geschlagen haben." Die Mannschaft habe "über 60 Minuten einen fantastischen Job gemacht und sehr konstant gespielt." Linksaußen Lukas Mertens schloss sich an: "Geil, das haben wir uns echt verdient", sagte der 28-Jährige vom SC Magdeburg.
Olympia-Aus für Rechtsaußen Hornke
Ohne Wermutstropfen blieb dieser sportlich fantastische Abend aus deutscher Sicht allerdings nicht. Mertens' Teamkollege Tim Hornke musste bereits nach wenigen Sekunden verletzt ausgewechselt werden und humpelte mit schmerzverzerrtem Gesicht aus der Halle. Einen Tag später folgte die bittere Erkennntnis: Olympia-Aus.
Hornke zog sich eine Verletzung der Plantarfaszie im linken Fuß zu und wird in Paris nicht mehr zum Einsatz kommen. "So eine Verletzung nach ein paar Sekunden ist für ihn und uns sehr bitter", sagte Gislason, der nun improvisieren muss. Für Hornke wird der Kieler Linksaußen Rune Dahmke in den 14er-Kader für das zweite Gruppenspiel rücken. Ein Rechtsaußen befindet sich nicht unter den Spielern, die sich in Paris für eine Nachnominierung bereithalten.
Erster Sieg gegen Schweden seit Jahren
Einen gewaltigen Schritt in Richtung Viertelfinale hatte das DHB-Team an diesem Samstagabend dennoch gemacht. Dabei hätte die Aufgabe zum Auftakt ins olympische Handballturnier für das deutsche Team kniffliger kaum sein können.
Gegen den EM-Dritten Schweden gingen beide Duelle in diesem Jahr verloren, der bis dato letzte Sieg einer DHB-Auswahl lag gar acht Jahre zurück. Nicht umsonst hatte man die Eröffnungsfeier am Vortag ausgelassen, um topfit zu sein - wohl wissend, dass ein Sieg gegen Schweden nur mit einem "perfekten Spiel" möglich ist.
Wolff und Palicka brillieren in der Anfangsphase
In der Neuauflage des Spiels um EM-Bronze dauerte es allerdings dreieinhalb Minuten, ehe Golla Schwedens Torwart Andreas Palicka artistisch überwand und Deutschland erstmals auf die Anzeigetafel brachte.
Sowieso war die Anfangsphase von den Abwehrreihen und Torhütern geprägt: Wolff konnte sich binnen weniger Sekunden mit drei Paraden auszeichnen, auf der Gegenseite fanden seine Vorderleute allerdings ebenfalls kaum ein Durchkommen. Beide Keeper standen zwischenzeitlich bei einer schier unfassbaren Quote von 80 Prozent gehaltener Bälle, nach zehn Minuten waren gerade einmal vier Treffer gefallen (2:2).
Knorr sieht früh Rot
Dennoch waren die Deutschen gut in der Partie und gingen durch Mertens in der 14. Minute erstmals in Führung. Kurz darauf allerdings der personelle Rückschlag: Nach einem Schlag gegen die Brust von Albin Lagergren wurde Rückraumspieler Juri Knorr mit Rot vom Platz gestellt (16. Minute).
Eine harte Entscheidung des Schiedsrichtergespanns nach Ansicht der Videobilder. Knorr streifte zwar den Kopf seines Gegenspielers, Absicht war ihm aber nicht zu unterstellen.
DHB-Team hält Intensität hoch
Einen Bruch verursachte der Platzverweis im deutschen Spiel allerdings nicht - im Gegenteil: Kapitän Golla brachte sein Team im Rückwartsfallen nach 20 Minuten wieder nach vorne, kurz darauf erzielte Jannik Kohlbacher nach starker Vorarbeit von Eisenachs Shootingstar Marko Grgic erstmals eine Zwei-Tore-Führung (10:8).
Gislason konnte zufrieden sein, auch weil im Anschluss die Zuteilung in der Defensive besser klappte. Bis zur Pause hielten seine Schützlinge die Intensität hoch und nahmen so den knappen Vorsprung mit in die Kabine. Tatsächlich hätte dieser noch höher ausfallen können, allerdings stand Schwedens Keeper Palicka seinem Pendant Wolff in nichts nach und entschärfte in den ersten 30 Minuten zehn Würfe der Deutschen.
Hohes Tempo, viel Spielfreude
Hälfte zwei begann mit einem ähnlich hohen Tempo. Und dieses Mal fielen auch die Treffer wie am Fließband. Hampus Wanne egalisierte den Rückstand zunächst, Deutschland spielte aber weiter mit viel Zug nach vorne und traf verlässlich und sprunggewaltig vom Kreis. Wie viel Spielfreude im DHB-Team steckt, zeigte schließlich Julian Köster mit einem tollen Heber zum zwischenzeitlichen 18:17 nach 37 Minuten.
Es blieb allerdings ein Spiel auf Messers Schneide. Auch, weil sich die Deutschen ein ums andere Mal Fehler im Spielaufbau leisteten und so Schweden vor allem über die rechte Seite zu einfachen Gegenstoßtoren einluden. Dennoch agierte das Team von Gislason insgesamt einen Tick zwingender in seinen Aktionen, war vor allem körperlich sehr präsent und zwang den Gegner immer wieder zu Fouls am eigenen Kreis.
Deutschland hält Schweden auf Distanz
Gut zehn Minuten vor Schluss hatte Christoph Steinert sein Team nach einem Gegenstoß schließlich erstmals mit drei Treffern in Führung gebracht (25:22). Auf der Gegenseite fing Mertens einen Pass am eigenen Kreis ab, was für kollektiven Jubel bei seinen Teamkollegen sorgte. Die Gesichter sprachen Bände: Die Überraschung zum Auftakt des Turniers war in greifbarer Nähe.
Und der deutschen Mannschaft gelang es auch in der Folge, den Gegner auf Distanz zu halten. Schweden fiel vor allem im Positionsspiel erstaunlich wenig gegen die kompakte deutsche Defensive ein. Als Golla nach erneutem Ballgewinn von Mertens ins verwaiste schwedische Tor traf und so den Vorsprung auf vier Treffer ausbaute (28:24) war die Vorentscheidung gefallen.
Japan nächster Gegner für das DHB-Team
Deutschlands nächster Gegner in der Vorrunde ist am Montag Japan (9 Uhr im Sportschau-Livestream), das gegen Kroatien knapp mit 29:30 verlor. Zwei Tage später geht es gegen Kroatien, ehe am 2. August das schwere Duell gegen Spanien ansteht. Der Olympia-Dritte von Tokio hatte sein Auftaktspiel mit 25:22 gegen Slowenien gewonnen. Die Slowenen sind am 4. August letzter Gruppengegner der DHB-Auswahl.
Die ersten vier Teams aus zwei Sechsergruppen kommen ins Viertelfinale. Sollte Deutschland keinen der ersten beiden Plätze in Gruppe A erreichen, könnten im Viertelfinale bereits Europameister Frankreich oder Weltmeister Dänemark warten. Danach sieht es nach dem starken Auftritt gegen Schweden allerdings nicht aus.
Wiederholt sich die Geschichte?
Vielmehr lebt der Traum von einer olympischen Medaille. Zuletzt hatte Deutschland 2016 in Rio Bronze gewonnen. Der Gegner damals zum Auftakt: Schweden. "Wir haben gegen Schweden zum zweiten Mal das Auftaktspiel bei Olympia gehabt und zum zweiten Mal gewonnen. 2016 gab es am Ende Bronze, gegen eine Medaille hätte ich auch dieses Mal nichts einzuwenden", sagte Wolff.