Volleyballer bei Olympia Grozer, Kampa und Co - geplantes Chaos für das große Ziel
Erstmals seit 2012 haben sich die deutschen Volleyball-Männer wieder für die Olympischen Spiele qualifiziert. Das DVV-Team ist eine Überraschungstüte - und plant eine ganz besondere Taktik.
Als die deutschen Volleyballer bei der vergangenen Europameisterschaft schon im Achtelfinale die Segel streichen mussten, war die Enttäuschung groß. Star-Angreifer Georg Grozer und seine Kollegen hatten damals, im August 2023, im italienischen Bari mit 2:3 gegen die Niederlande verloren und waren frühzeitig raus. Aus einem Turnier ausgeschieden, bei dem man sich eigentlich Medaillenchancen ausgerechnet hatte.
"Schönrederei" wird Realität
"Vielleicht hilft uns die heutige Erfahrung, um sie für das Olympia-Quali-Turnier in etwas Gutes umzuwandeln", suchte Bundestrainer Michal Winiarksi damals einigermaßen verzweifelt nach einem positiven Aspekt dieser Pleite.
Das Erstaunliche: Was man dem ehemaligen polnischen Weltklassespieler auch als Schönrederei hätte auslegen können, erwies sich wenige Wochen später als Realität: Das deutsche Team schaffte den Coup und holte sich beim Qualifikationsturnier im vergangenen Herbst in Rio sensationell das Ticket für die Olympischen Spiele in Paris.
Mit sieben Siegen aus sieben Spielen, unter anderem gegen Weltmeister Italien und Gastgeber Brasilien, gelang nicht weniger als der Turniersieg. Die gleiche Mannschaft, die bei der Europameisterschaft kurz zuvor bereits im Achtelfinale ausgeschieden war, schaffte nun den größten Erfolg der jüngeren Vergangenheit.
Ohne Druck und mit überragendem Grozer
Die Gründe für den Triumph waren vielschichtig. Das Team trat ohne Druck an - nach der verkorksten EM und einer ebenfalls eher unglücklich verlaufenen Nationenliga waren die Erwartungen niedrig.
Dazu kam, dass Angreifer Grozer wieder "on fire" war. Der mittlerweile 39-jährige Zwei-Meter-Hüne, der seine Karriere in der deutschen Nationalmannschaft schon mehrfach beendet hatte, war mal wieder zurückgekehrt und schwang sich zu einer meisterlichen Performance auf. Mit sage und schreibe 31 direkten Punkten war sein Auftritt gegen Favorit Brasilien ganz allein die Reise an den Zuckerhut wert.
Aber es ist eben auch beileibe nicht Grozers Leistungsvermögen allein, das die deutsche Crew nun voller Hoffnung bei Olympia in Paris antreten lässt. Viel eher liegt die Stärke der Mannschaft offenbar darin, dass jeder Spieler seine Rolle genau kennt. Die Rädchen müssen zueinander passen.
Geplantes Chaos im Angriff
Eine ganz wichtige Rolle kommt dabei Lukas Kampa zu. Der mittlerweile 37-Jährige war wie Grozer schon 2012 in London beim bislang letzten Olympia-Auftritt der deutschen Volleyballer dabei. Kampa ist Zuspieler und Kapitän des Teams. Er sorgt mit seiner Raffinesse, seiner Spielintelligenz und seinen immer wieder überraschenden Zuspielen für eine Art geplantes Chaos im deutschen Angriffsspiel.
Diese Variabilität und Unberechenbarkeit ist es, die das deutsche Team zu seinem Markenzeichen gemacht hat. Trainiert wird da gern auch mal mit mehren Bällen gleichzeitig. "Wir simulieren im Training bewusst Stress-Situationen, um im Wettkampf dann resistenter zu sein", erklärt Kampa.
"Erinnerung aus Metall" als Traumziel
Seit 16 Jahren spielt Kampa für Deutschland. In Paris wird er seine Karriere im Nationalteam beenden. Mit einem Mix aus Genuss und Erfolgshunger, wie er im Deutschlandfunk erklärt hat: "Ich möchte mit Sicherheit auch aufs Halbfinale schielen, weil mir das die größte Befriedigung und das größte Glück bedeuten würde, wenn wir auch sportlich da etwas reißen könnten und am liebsten noch eine Erinnerung aus Metall mitnehmen können."
Mit dem ebenfalls schon 33-jährigen Christian Fromm als Außenangreifer hat Kampa neben Grozer einen weiteren Adressaten für seine Zuspiele, den er schon sehr lange kennt. Und für den ganz persönlich mit der Olympia-Qualifikation ein Traum wahr geworden ist: "Ich kann es immer noch nicht glauben. Das macht mich sehr stolz."
Fromm: "Für mich ist es das i-Tüpfelchen"
Ganze vier Anläufe hat es gebraucht. 2012, als Deutschland zuletzt bei den Spielen dabei war und Fünfter wurde, schaffte Fromm es nicht in den Olympia-Kader. "In dem Moment war es ein herber Dämpfer, aber ich konnte es relativ schnell einordnen, dass es noch nicht mein Moment war und nicht verdient gewesen wäre", erinnert sich der Nationalspieler. Für ihn war es Ansporn, noch mehr zu investieren und "die anderen zu verdrängen".
2016 und 2020 verpasste das deutsche Team jedoch knapp die Olympia-Qualifikation. Fromm gab nicht auf. Nun belohnt er sich für viele Jahre harter Arbeit, das Durchhaltevermögen und die Entbehrungen. "Für mich ist es das i-Tüpfelchen. Die Olympischen Spiele sind wirklich 'Top of the Tops' für mich", sagt der Außenangreifer.
Schwere Vorrundengruppe für Deutschland
In Paris trifft Deutschland als Außenseiter in Vorrundengruppe C auf den dreimaligen Olympiasieger USA, den Weltranglistenzweiten Japan und Südamerikameister Argentinien. Deutschland darf dabei das Auftaktmatch des Turniers bestreiten. Einen Tag nach der Eröffnungsfeier geht es am Samstag (27.07.2024) um 9.00 Uhr gegen Japan.
Die deutschen Vorrundenspiele:
27. Juli, 9.00 Uhr: Deutschland - Japan
30. Juli, 13.00 Uhr: Deutschland - USA
2. August, 9.00 Uhr: Deutschland - Argentinien
Gastgeber Frankreich will den Titel verteidigen
Das Turnier umfasst zwölf Teams, die in drei Gruppen aufgeteilt sind. Am Ende der Gruppenphase erreichen die beiden besten Teams sowie die beiden besten Drittplatzierten die K.o.-Phase, die am Montag, 5. August, mit dem Viertelfinale beginnt.
Als Titelverteidiger geht Olympia-Gastgeber Frankreich an den Start. Zu den weiteren Medaillenanwärtern zählen neben Japan, den USA, Brasilien und Argentinien das Weltmeister-Team Italien sowie die Europameister und Weltranglistenersten aus Polen.
Name | Alter | Verein |
---|---|---|
Christian Fromm | 33 | Rapid Bukarest/Rumänien |
Moritz Reichert | 29 | BR Volleys Berlin |
Johannes Tille | 27 | BR Volleys Berlin |
Ruben Schott | 30 | BR Volleys Berlin |
Tobias Krick | 25 | BR Volleys Berlin |
Georg Grozer | 39 | Arkas Sport/Türkei |
Julian Zenger | 26 | Pallavolo Padova/Italien |
Lukas Kampa | 37 | Trefl Danzig/Polen |
Anton Brehme | 24 | Jastrzebski Wegiel/Polen |
Moritz Karlitzek | 27 | Indykpol AZS Olsztyn/Polen |
Tobias Brand | 26 | Projekt Warschau/Polen |
Lukas Maase | 25 | Chaumont Volley-Ball/Frankreich |
Jan Zimmermann | 31 | (Ersatzspieler) Gioiella Taranto/Italien |