Zweiter Olympiasieg in acht Tagen Remco Evenepoel triumphiert auch im Straßenrennen
Eine Woche nach dem Olympiasieg im Zeitfahren gewinnt Remco Evenepoel auch das Straßenrennen. Er beendet das mit 273 Kilometern historisch lange Rennen in einer tollen Kulisse mit einem starken Solo. Silber und Bronze geht an die Franzosen Valentin Madouas und Christophe Laporte.
Bei angenehmen 25 Grad und ohne den Regen, der zuletzt die Zeitfahren zu Rutschpartien gemacht hatte, rollten die Fahrer am Vormittag in Paris los. Viele Fans begleiteten sie entlang des Eiffelturms und durch die abwechslungsreiche Architektur der Stadt aus dieser heraus. Den ersten echten Ausreißversuch wagte dann nach einer Viertelstunde ein afrikanisch-geprägtes Quintett.
Früher Ausreißversuch eines Quintetts
Eric Manizabayo (Ruanda), Charles Kagimu (Uganda), Christopher Rougier-Lagane (Mauritius), Achraf Ed Doghmy (Marokko) und der Thailänder Thanakhan Chaiyasombat nahmen sich ein Herz, wollten die noch rund 270 Kilometer lieber von vorne als zusammen mit den anderen 85 Fahrern absolvieren. Die Reaktion des Feldes auf die Ambitionen der Ausreißer ließ klar erkennen, für wie realistisch die am Samstag gehalten wurden.
Nach rund 25 absolvierten Kilometern und 45 gefahrenen Minuten hielten der Belgier Remco Evenepoel und der Niederländer Mathieu van der Poel im Hauptfeld einen Plausch, statt die Verfolgung aufzunehmen. Auf sie – gemeinsam mit Wout van Aert die großen Favoriten des Rennens – sollte es erst später ankommen. Schließlich bot die mit insgesamt 273 Kilometer längste olympische Strecke aller Zeiten genügend Zeit zum auf- und einholen. Erst als sich die Ausreißer nach gut 90 Kilometern knapp 15 Minuten Vorsprung herausgefahren hatten, erhöhte das Hauptfeld spürbar das Tempo.
Ben Healey übernimmt die Führung
Anders als bei den großen Rundfahrten wie der Tour de France, war das Hauptfeld nicht nur kleiner, sondern auch bunter als sonst. Maximal vier Fahrer hatte jede Nation, je nach Platzierung in der Weltrangliste, im Rennen. Für Deutschland waren das Maximilian Schachmann und Nils Politt, im Alltag einer der wichtigsten Helfer von Tour-de-France-Sieger Tadej Pogacar.
Im Fokus standen dann aber erst einmal der Ire Ryan Mullen und der Italiener Elia Viviani: Als erste von den in Europa bekannteren Fahrern nahmen sie als Teil einer kleinen Gruppe die Verfolgung der Ausreißer auf. 122 Kilometer vor dem Ziel holten sie sie ein, weitere 30 Kilometer später bildeten sie allein die Spitze. Während Viviani später – augenscheinlich mit Krämpfen – durch das Feld fiel, wurde Mullen von seinem Landsmann Ben Healey und dem Kasachen Alexey Lutsenko abgelöst.
Nach über fünf Stunden auf dem Rad und gut 200 gefahrenen Kilometern wandelte sich das Bild – sowohl in Sachen Szenerie, aber auch sportlich. Statt grünen Wiesen, waldigen Landstraßen und historischen Chateus war die Kulisse nun wieder urban. Etwas mehr als 60 Kilometer vor dem Ziel waren die Fahrer zurück in Paris.
Dreimal den Montmartre hinauf
Auf eine halbe Minute hatte das Peloton den Rückstand auf Healey und Lutsenko verkürzt, als die Antritte und Attacken zunahmen. Eine der wirkungsvollsten setzte dabei Nils Politt: Der 30-jährige Kölner wurde Teil einer siebenköpfigen Gruppe, die vorbei am Louvre auf die letzten 50 Kilometer einbog. Die würden die Fahrer in eine Schleife führen, dreimal kurviges Kopfsteinpflaster empor zum 128 Meter hohen Montmartre.
Tausende laute, oft euphorische Fans verfolgten begeistert und begeisternd, wie Matieu van der Poel als erster Top-Favorit attackierte, kurz darauf allerdings wieder eingeholt wurde. Anders als Remco Evenepoel. Während Nils Politt aus der Verfolgergruppe fiel, erreichte der Belgier sie erst und führte sie dann an den nun eingeholten Iren Healey heran. Knapp 30 Kilometer vor dem Ziel raste Evenepoel gefolgt vom umjubelten Franzose Valentin Madouas auf Kopfsteinpflaster den Berg hinauf. Mit knapp 40 Sekunden Abstand machten sich van der Poel und Wout van Aert aus dem Peloton heraus auf die Jagd. Mit einer Handvoll von anderen Fahrern schloss sich auch Maximilian Schachmann ihnen an.
Remco Evenepoel dominiert und gewinnt
Einziges Problem: Ihre Bemühungen kamen zu spät. Nahezu exakt 15 Kilometer vor dem Ende, am Ansatz des letzten Anstiegs zum Montmartre schüttelte Evenepoel den tapfer kämpfenden Madous ab. Es war das Ende einer beeindruckenden Übernahme des Rennens und der Start einer Solofahrt ins Ziel – auf der sich Evenepoel selbst von einem Defekt nicht aufhalten ließ. Vier Kilometer vor dem Ende gab das Rad des Belgiers den Geist auf, aber sein Vorsprung war nun so groß, das sein Team ihm folgen und helfen konnte.
Auf einem neuen Rad fuhr Evenepoel die Seine entlang auf den Eiffelturm zu – und riss nach 6:19:34 Stunden auf dem Rad an dessen Fuße die Arme hoch. Silber und Bronze sicherten sich die französischen Lokalmatadoren Valentin Madouas und Chritophe Laporte. Der deutsche Maximilian Schachmann beendete das Rennen auf Platz 28 (6:22:23), Nils Politt rollte als 70. (6:39:29) ins Ziel.