"Geht nur ums Überleben" Kritik an Formel-1-Sprintreform

Stand: 26.04.2023 13:45 Uhr

Schon beim nächsten Rennen in Baku geht die Formel 1 mit einem neuem Quali-Format an den Start. Das sorgt für mehr Spannung und Spektakel - birgt aber auch ein großes Risiko.

Spekulationen gab es bereits seit Wochen, jetzt schafft die Formel 1 kurz vor dem anstehenden Rennen in Aserbaidschan Fakten: Mit einem neuen Qualifikationsformat sollen die in der vergangenen Saison eingeführten Sprints noch einmal modifziert werden. Damit reagiert die Formel 1 auf Kritik der Teams - schafft für Fahrer und Teams aber gleichzeitig einen neuen Risikofaktor.

"Ich bin nervös wegen eines Sprints in Baku, weil man einfach nicht genug Zeit hat, um etwas zu reparieren, wenn man einen größeren Schaden hat", sagte beispielsweise Aston-Martin-Teamchef Mike Krack dem Fachportal "Autosport.com". Auch Weltmeister und WM-Führender Max Verstappen dürfte die Neu-Einführung gar nicht gefallen. Die Crash-Gefahr ist auf dem engen Stadtkurs in Baku, der zudem die engste zu passierende Stelle im Rennkalender hat, ohnehin schon groß.

Wie die Reform aussieht

Aber worum geht es genau? Der Sprint soll nicht mehr über die Startaufstellung für das Rennen am Sonntag entscheiden. Bisher war es an Sprint-Wochenenden so, dass ein Training am Freitag durch eine Qualifikation für den Sprint ersetzt wurde. Das Ergebnis daraus ergab dann die Startaufstellung für Sonntag.

Künftig wird an den Sprint-Wochenenden - davon gibt es in dieser Saison schon sechs - bereits am Freitag die Qualifikation für das Hauptrennen gefahren. Am Samstag gibt es losgelöst davon ein verkürztes Sprint-Qualifying und anschließend ein Kurz-Rennen über nur 100 Kilometer, bei dem es für den Gewinner immerhin acht WM-Punkte gibt. Dafür wird ein für die Fans recht belangloses Training am Samstagvormittag gestrichen, den Fahrern bleibt lediglich noch eine einstündige Trainingseinheit pro WM-Lauf am Freitag.

Verstappen: "Geht in Sprints nur ums Überleben"

"Für mich geht es in Sprints nur ums Überleben, nicht um ein Rennen", sagte Weltmeister Verstappen kürzlich in Australien. Der Fokus des überlegenen Red-Bull-Fahrers liege immer auf dem eigentlichen Grand Prix, bei dem es für den Sieger 25 WM-Zähler gibt. "Es ist nicht die DNA der Formel 1, diese Sprints zu machen. In der Formel 1 geht es um ein gutes Qualifying und dann einen starken Sonntag mit einer langen Renndistanz", sagte Verstappen.

Viele andere begrüßten jedoch die Veränderungen. "Ein zweites Qualifying ist viel besser für die Fans und auch für uns, weil es spannend ist", sagte Haas-Teamchef Günther Steiner: "Es passiert jetzt noch mehr mit zwei Qualifyings und zwei Rennen - und ich denke, das ist großartig für den Sport." Seine Meinung könnte sich aber schnell ändern, sollten sich seine Fahrer am Samstag schwere Unfälle leisten oder unverschuldet in Chaos verwickelt werden. Möglich ist, dass ein beschädigter Wagen nicht rechtzeitig repariert werden kann.

Enge Kurven in der Altstadt

Gerade in Baku gab es in der Vergangenheit einige schwere Unfälle. Der Kurs am Kaspischen Meer bietet eine Mischung aus breiten Highspeed-Geraden und engen Kurven in der Altstadt. Mut ist gefragt, Übermut wird hart bestraft. 2018 kollidierten die damaligen Red-Bull-Teamkollegen Verstappen und Daniel Ricciardo nach einem harten Zweikampf und schieden beide aus. 

2021 krachte Lance Stroll nach einem Reifenplatzer mit viel Wucht in die Streckenbegrenzung. Dem in Führung liegenden Verstappen passierte kurz darauf ähnliches und er schied aus, bevor er im Vorjahr dann endlich in Baku gewinnen konnte.

"Ja, wir sind nervös", sagte McLaren-Teamchef Andrea Stella und verdeutlichte das Dilemma der Rennställe. "Gleichzeitig unterstützen wir die Steigerung des Spektakels durch die Sprintrennen. Irgendwie müssen wir uns anpassen." Letztendlich gehe es darum, ein gutes Gleichgewicht zwischen Show und vertretbarem Risiko zu finden, betonte der Italiener.

Frage des Geldes für die Teams

Seit der Einführung einer Kostenobergrenze in der Motorsport-Königsklasse ist es längst auch eine Frage des Geldes. Nach schweren Unfällen können nicht mehr unbegrenzt neue Teile produziert werden, ohne dass dies zulasten der Weiterentwicklung an den Autos geht. Das musste auch Steiner mit Haas schon spüren. Als Mick Schumacher im Vorjahr Crashs mit Schäden in Millionenhöhe verursachte, konnten technische Verbesserungen nicht so schnell wie geplant durchgeführt werden, weil das Geld in die Reparaturen fließen musste.

Geht es nach Verstappen, sollte die Formel 1 ohnehin an anderer Stelle ansetzen, um mehr Spektakel zu schaffen. "Wie man noch mehr Action bekommt: Man muss die Autos näher zusammenbringen, es müssen mehr Teams die Chance auf einen Sieg haben, dann wird die Show ganz natürlich großartig", sagte der Niederländer: "Wenn sechs oder sieben Teams um einen Sieg kämpfen, dann wäre das unglaublich und man muss gar nichts verändern."

Doch von sportlicher Spannung ist die Rennserie derzeit weit entfernt. Kaum jemand zweifelt daran, dass sich Verstappen seinen dritten WM-Titel nacheinander sichern wird. Das Auto von Red Bull ist der Konkurrenz weit voraus - auch vor dem Start in Baku.