Besuch bei Benfica und Sporting Jugendfußball in Lissabon - Portugals Erfolgsgeheimnis
Portugals Nationalmannschaft spielt gerade alles in Grund und Boden. Ein Geheimnis des Erfolgs liegt in Lissabon. Die Sportschau hat die Jugendakademien von Benfica und Sporting besucht.
So durchschnittlich ein bis zweimal im Jahr wird in der Jugendakademie von Benfica Lissabon ein riesiger Kuchen aufgetischt. Immer dann, wenn einer aus ihren Reihen seinen ersten Einsatz im Profiteam hatte, kommen sie alle zusammen und schlemmen zur Feier des Tages im süßen Naschwerk: die Spieler aus den Jugendteams, Trainer, Offizielle und der riesige Staff drumherum.
"Das sind immer stolze Momente für uns alle, auch wenn der Kuchen natürlich nur ein Symbol ist", erklärt Pedro Mil-Homens. Der 71-Jährige ist so etwas wie die "graue Eminenz" auf Benficas Campus, der rund 15 Kilometer außerhalb der Lissaboner Innenstadt am Rande des Tejo-Flusses liegt.
Benficas Jugendarbeit: Kein anderer Klub ist so erfolgreich
"Alle Jungs, die wir hier auf dem Campus ausbilden, haben einen einzigen Traum: Der ist, einmal für die Benfica-Profimannschaft zu spielen. Und gleichzeitig ist alles, was wir hier tun, diesem Ziel untergeordnet: Spieler für die erste Mannschaft auszubilden", erklärt Mil-Homens.
Es gab immer wieder Kuchen in den vergangenen Jahren - wohl kein anderer Klub in Europa ist derart erfolgreich, was die Durchlässigkeit zwischen Jugendabteilung und Weltklasse-Profiteam betrifft.
Technique is king" - Benficas Pedro Mil-Homens
Jedes Jahr schaffen junge Spieler den Sprung
Im Lauf der vergangenen Saison schafften in Innenverteidiger Antonio Silva (20) und Sechser Joao Neves (19) erneut zwei Eigengewächse den Sprung in die Stamm-Mannschaft Benficas, die vom Deutschen Roger Schmidt trainiert wird. Gleichzeitig - und das ist dann folgerichtig - wurden beide Nationalspieler.
Und, natürlich: Diese beiden Spieler sind hochinteressant für die noch größeren, noch finanzstärkeren Vereine dieser Welt. Benfica ist der in den vergangenen Jahren erfolgreichste Verkäufer-Verein Europas: Allein in den vergangenen fünf Jahren erwirtschaftete der Klub ein Transferplus von über 450 Millionen Euro.
Saison | Erlös in Mio Euro | Spieler u.a. |
---|---|---|
2022/23 | 88,9 | Jota, Gedson Fernandes |
2021/22 | 64,2 | Nuno Tavares |
2020/21 | 100,0 | Ruben Dias |
2019/20 | 145,2 | Joao Felix |
Ausbildung und Verkauf - ein Geschäftsmodell
Man kennt die Absolventen: Spieler wie Bernardo Silva und Ederson (beide Manchester City), Joao Cancelo (FC Barcelona), Renato Sanches (AS Rom) oder Nelson Semedo (Wolverhampton) wurden bei Benfica ausgebildet und irgendwann sehr gewinnbringend veräußert.
Eine solche Bilanz kommt nicht einfach so zustande: Benfica investiert massiv in die Jugendarbeit: Auf dem 2006 gegründeten und 2019 erweiterten Campus werden die jungen Fußballer ab der U14 von rund 150 Mitarbeitern betreut. Auf dem riesigen Areal liegen verstreut neun Fußballplätze, ein Hotel- und Bürokomplex, Fitness- und Freizeiteinrichtungen - es fehlt an nichts.
Nachwuchsarbeit: "Die Technik ist der König"
Über 200 Scouts sichten landesweit schon Fünfjährige, die ab der U6 und U7 bis zur U13 von sogenannten "Benfica-Häusern" aus, die es in ganz Portugal gibt, betreut werden. Wer mit 13 das entsprechende Potenzial hat, wird ins Internat geholt.
Potenzial heißt bei Benfica vor allem: technische Fähigkeit. "Die Technik ist bei uns der König", sagt Campus-Direktor Mil-Homens. Der Sportwissenschaftler, der sich in einem "zweiten Leben" einen Namen als Universitäts-Professor machte, erklärt: "Wer nicht perfekt in der Ballbehandlung ist, schafft es nicht auf Benficas Campus. Und wer einmal hier ist, hat beste Aussichten auf einen Weg als Profi."
Vorbilder grüßen vom Kabinengang
Der heute für den FC Barcelona aktive Joao Felix wechselte 2019 für über 120 Millionen Euro zu Atletico Madrid. Sein Bruder Hugo könnte der nächste sein.
Vorbilder im Kabinengang - Von Benfica stammen etliche Weltstars
Der 19-Jährige kommt gerade vom Training des U19-Teams zurück zur Umkleide und geht durch den Gang, an dessen Wänden riesige Fotos von all jenen Campus-Absolventen hängen, die den Sprung in die Welt der Profis am Ende geschafft haben.
Hugo Felix - ein kommender Star?
Schüchtern grüßend passiert der junge Hugo Felix den Besucher - Respekt und ein gesundes Maß an Demut - das ist es, was die jungen Spieler auf dem Campus neben allen Fußball-Finessen ebenfalls beigebracht bekommen.
Als 15-Jähriger erhielt Hugo eine Auszeichnung vom Verein - nicht etwa aufgrund seiner tollen Dribblings auf dem Feld - nein: Er erhielt eine Urkunde für sein Verhalten. Gemeinsam mit Kumpel André Gomes hatte er den Wettbewerb des über die Saison am besten gepflegten Zimmers gewonnen.
Sporting Lissabon - Cristiano Ronaldo ist allgegenwärtig
Eine knappe Autostunde vom Benfica-Campus entfernt, im ländlichen Stadtteil Alcochete, liegt die "Academia Cristiano Ronaldo", die 2002 gegründete Jugendakademie von Sporting Lissabon. Es ist die älteste ihrer Art in Portugal: Sporting war gewissermaßen der Vorreiter eines Projektes, das die Rivalen Benfica, FC Porto und SC Braga anschließend kopierten.
Cristiano Ronaldo überall - auch beim Essen
Und leider - man muss es so sagen - wurde Sporting, das neben Ronaldo Spieler wie Luis Figo, João Moutinho, Cedric, Ricardo Quaresma und Nani hervorbrachte, von den Konkurrenten anschließend überholt.
Auf dem betagten Gelände kann man Fußball förmlich riechen - aber es müsste dringend mal renoviert werden. Auf einem Kunstrasenplatz wellt sich das Plastik, ein überdachtes Soccerfeld wurde provisorisch zur Fitnesshalle mit Hanteln und Gewichten umgerüstet, die Sanitäranlagen könnten mal neue Fliesen vertragen.
Verein | U21 | U19 | U17 |
---|---|---|---|
Benfica Lissabon | 9 | 10 | 15 |
Sporting Lissabon | 2 | 13 | 5 |
FC Porto | 5 | 6 | 8 |
SC Braga | 1 | 8 | 5 |
Am liebsten Offensivspieler
Das Prinzip bei Sporting ist aber über all die Jahre gleich geblieben und nach wie vor von höchster Qualität. Für ein Spielsystem im 4-3-3 wird das größte Gewicht auf die Ausbildung von Offensivspielern gelegt. Äußerst erfolgreich, was ein Beispiel belegt: Zehn Jungs von der Sporting-Akademie bildeten das Gerüst des 23-köpfigen Kaders, mit dem Portugal 2016 Europameister wurde.
In einer Form wird an der Sporting-Akademie allerdings nicht gearbeitet: schematisch. "Wir betreuen jeden Spieler individuell", sagt Joao Santos, Trainer der U16-Mannschaft des Vereins. "Wir identifizieren die für uns interessanten Jungs möglichst früh und entwickeln sie dann sukzessive weiter, arbeiten über Jahre ihre Stärken heraus", erklärt er.
"Betreuen jeden individuell" - Joao Santos
Sporting will "Fußballfamilie" sein
Fußballerisch sollen die Jungs auf ihrer jeweiligen Position perfekt werden, aber sie sollen auch das nötige Herz für ihren Sport und vor allem für Sporting entwickeln: "Die Spieler sollen sich hier wie in einer Familie fühlen. Die Formung eines Gemeinschaftsgefühls ist ein wichtiger Teil der DNA von Sporting. Es ist klar, dass dies nur mit Kontinuität erreicht werden kann."
Dass ein Jugendspieler den Verein wechselt, ist bei Sporting quasi unbekannt. Das gilt aber auch für die Jugendtrainer. "Du bist hier als Coach Teil eines langfristigen Konzepts", erklärt Santos: "Natürlich möchten auch wir in den Spielen und Wettbewerben Ergebnisse und positive Statistiken erzielen. Es ist aber nicht das Wichtigste. Die individuelle Ausbildung der Spieler steht darüber."
Nur Talente aus der Region
Anders als bei anderen Vereinen wird sich bei Sporting zudem auf einheimische Talente fokussiert. Unterhalb der U19 sind ausschließlich junge Kicker mit portugiesischem Pass aktiv. "Die Heimatnähe ist wichtig", erklärt Santos.
Die jungen Spieler sollen möglichst wenig aus ihrem privaten und familiärem Umfeld gerissen werden. Dafür bietet ihnen Sporting Reisen ins Ausland: "Wir nehmen mit unseren Teams an möglichst vielen Turnieren weltweit teil. Das erweitert den Horizont der Spieler. Wenn sie dann später als Profi in die Welt hinausgehen, bringen sie schon eine Menge Rüstzeug dafür mit."