Halbfinale England gegen Niederlande Die Gründe für Zwayers Elfmeter-Entscheidung
TV-Experte Gary Neville nannte den Elfmeter für England gegen die Niederlande "eine Schande". Schiedsrichter Felix Zwayer gab ihn - die Gründe.
"Als Verteidiger finde ich: Dieser Elfmeter ist eine absolute Schande", sagte der englische TV-Experte Gary Neville bei ITV zur Elfmeter-Entscheidung von Zwayer. Mit dieser Meinung stand Neville nicht alleine da. Der frühere Nationalverteidiger Jamie Carragher schrieb bei X: "Niemals ein Elfmeter."
Der niederländische Trainer Ronald Koeman ging nach der 1:2-Niederlage seines Teams im EM-Halbfinale gegen England noch einen Schritt weiter: "Der Fußball ist durch solche VAR-Entscheidungen kaputt gemacht worden." Wie kam es zu Zwayers Elfmeter-Entscheidung?
Bondscoach Ronald Koeman
Ungeschriebenes Gesetz gegen klare Gelbe Karte
Denzel Dumfries hatte versucht, einen Schuss von Harry Kane zu blocken (im Video oben zu sehen). Der Schuss gelang, ging über das Tor, Zwayer entschied auf Abstoß. In solchen Situationen greift meist eine ungeschriebene Regel, dass nach einem Abschluss nicht mehr auf Foul entschieden wird.
Die Szene schien also beendet - doch Zwayer wurde von Video-Assistent Bastian Dankert noch an den Monitor gebeten. Zu sehen war dort, dass Dumfries seine Sohle auf den Fuß von Kane hielt. "Den Schlappen drüber halten" wird das im Fußball landläufig genannt.
Ein "rücksichtsloses" Foul, das üblicherweise mit Gelb bestraft werden muss und das tat Zwayer nach dem Eingriff auch - mit der logischen Folge Strafstoß. Das Wort "rücksichtslos" ("reckless") wurde auch in der Erklärung auf der Anzeigetafel im Dortmunder Westfalenstadion explizit genannt.
Die Anzeigetafel nach dem VAR-Eingriff in Dortmund
Dumfries: "Ich übernehme die Verantwortung"
Für Dankert war es im Videoraum in Leipzig also offenbar Grund genug, einzugreifen. Dumfries sagte: "Es gibt den Kontakt mit Kane, also weiß man auch, dass der Schiedsrichter den Elfmeter geben kann. Dafür übernehme ich die Verantwortung. Man tut alles, um ein Tor zu verhindern, aber dann passiert so etwas. Das ist wirklich scheiße."
ARD-Schiedsrichterexperte und DFB-Lehrwart Lutz Wagner befürwortete die Entscheidung: "Dumfries trifft nicht den Ball, trifft stattdessen Kane. Der Ball ist noch im Spiel. Und wenn er diese Berührung als evident, als ausschlaggebend erachtet, muss er hier Strafstoß geben."
Zwayers Vergangenheit Thema vor dem Spiel
Die Ansetzung Zwayers war im Vorfeld vor allem in englischen Medien diskutiert worden. Der englische Spieler Jude Bellingham hatte in seiner Zeit bei Borussia Dortmund Zwayer indirekt Spielmanipulation unterstellt. "Man gibt einem Schiedsrichter, der schon mal Spiele verschoben hat, das größte Spiel in Deutschland. Was willst du erwarten?" hatte Bellingham im Dezember 2021 nach einer 2:3-Niederlage gegen den FC Bayern München gefragt. Zwayer wies die Vorwürfe zurück.
Zwayer spielte eine Rolle im Manipulations-Skandal 2004 um Robert Hoyzer. Zwayer war Hoyzers Assistent und soll 300 Euro angenommen haben. Manipulation konnte Zwayer allerdings nie nachgewiesen werden. Später trat er als einer der Kronzeugen gegen Hoyzer auf, der lebenslang gesperrt wurde. Erst Jahre später wurde das Urteil öffentlich, wonach der DFB im Jahr 2006 auch Zwayer für sechs Monate gesperrt hatte. Zwayer sagte später im ZDF, er habe das Urteil "akzeptiert, weil ich damals keine Chance sah, die Vorwürfe zu widerlegen".
Beim Wiedersehen in Dortmund zeigte Zwayer in der 72. Minute Bellingham nach einem Foul im Mittelfeld die Gelbe Karte. Zu einem Handschlag mit Bellingham nach Schlusspfiff kam es nicht, Zwayer ging unmittelbar nach Spielende in die Kabine.
Jude Bellingham und Felix Zwayer beim Halbfinale in Dortmund