Türkischer Rechtsextremismus Demiral nach "Wolfsgruß" für zwei Spiele gesperrt
Die Disziplinarkammer der UEFA hat Merih Demiral für zwei Spiele gesperrt, weil er den Gruß der rechtsextremen türkischen Bewegung "Graue Wölfe" gezeigt hatte. Ein Einspruch ist nicht mehr möglich.
Die UEFA gab am Freitag das von der Disziplinarkammer verhängte Strafmaß bekannt. Die Sperre erfolge "wegen Nichtbeachtung der allgemeinen Verhaltensgrundsätze, wegen eines Verstoßes gegen die Grundregeln des guten Benehmens, wegen Nutzung von Sportveranstaltungen für Bekundungen nichtsportlicher Art und wegen Verunglimpfung des Fußballsports", so die Kammer. Demiral hatte nach einem Tor im Achtelfinale gegen Österreich in Leipzig den "Wolfsgruß" gezeigt, ein Symbol der rechtsextremen "Grauen Wölfe".
Ein Einspruch ist nicht möglich. Die Entscheidung wurde bereits von der Berufungskammer getroffen, der letzten Instanz der UEFA. Die UEFA-Statuten schließen eine Berufung vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS aus, wenn es um eine Sperre von bis zu zwei Spielen geht.
Verbandspräsident: "Eine rechtswidrige und politische Entscheidung"
"Damit wurde uns unser Recht auf Berufung entzogen", sagte Mehmet Büyükekşi, Präsident des türkischen Fußballverbandes, in einer Mitteilung: "Wir betrachten die von der UEFA-Ethik- und Disziplinarkommission gegen unseren Spieler Merih Demiral verhängte Zwei-Spiele-Strafe als eine inakzeptable, rechtswidrige und politische Entscheidung."
Der türkische Verbandspräsident Mehmet Büyükekşi
Büyükekşi zog die Unabhängigkeit des Gremiums in Zweifel, das Urteil sei unverhältnismäßig und bei der Türkei werde mit zweierlei Maß gemessen. "Diese voreingenommene und unfaire Entscheidung hat unsere gesamte Nation zutiefst enttäuscht." Belege für seine Vorwürfe lieferte er nicht.
Demiral: Wollte Stolz und Freude ausdrücken
Damit fehlt Demiral der Türkei im Viertelfinale gegen die Niederlande am Samstag (06.07.2024, 21 Uhr, im Audiostream und im Liveticker auf sportschau.de). Bei einem möglichen folgenden Halbfinale müsste er ebenfalls zuschauen.
Demiral hatte die Geste mit "Stolz und Freude" über sein Tor gerechtfertigt. Es stecke "keine versteckte Botschaft" dahinter. Es werde "hoffentlich noch mehr Gelegenheiten geben, diese Geste zu zeigen". Weder die Organisation noch der Gruß sind in Deutschland verboten. Eine Straftat Demirals lag also nicht vor. In Österreich ist der Gruß allerdings zum Beispiel verboten, in Frankreich sind die "Grauen Wölfe" verboten.
Als "Graue Wölfe" werden Anhänger der rechtsextremistischen "Ülkücü"-Bewegung bezeichnet. In Deutschland wird diese vom Verfassungsschutz beobachtet. Verboten ist die Organisation jedoch nicht, ebensowenig ihre Symbole. Die Voraussetzungen für ein Vereinsverbot sind hoch: Die Zwecke oder Tätigkeiten des Vereins müssten Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten. Die "Grauen Wölfe" gelten als größte rechtsextreme Bewegung in Deutschland. Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet ihr rund 12.000 Anhänger zu. In der Türkei ist die ultranationalistische Partei MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Erdogan verteidigt Demiral und kommt nach Berlin
Der Fall ist mittlerweile ein Politikum. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte die Geste "inakzeptabel" genannt. Die Türkei bestellte den deutschen Botschafter ein, Deutschland reagierte umgekehrt mit dem gleichen Schritt. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der den "Wolfsgruß" selbst schon zeigte, änderte persönliche Reisepläne und kündigte seinen Besuch für das Spiel in Berlin an.
Erdogan hält die Kritik an der Wolfsgruß-Geste deshalb auch für übertrieben. Der Spieler habe lediglich seine "Begeisterung" gezeigt, sagte Erdogan laut der staatlichen Nachrichtenagentur "Anadolu". Erdogan sagte weiter: "Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Deutschen ein Adler ist? Sagt jemand etwas darüber, dass auf den Trikots der Franzosen ein Hahn ist und warum sie sich wie Hähne aufspielen? Hoffentlich ist die ganze Sache am Samstag erledigt, wenn wir das Spielfeld als Sieger verlassen und in die nächste Runde aufsteigen."
Eine türkische Ultragruppe rief derweil alle türkischen Fans auf, den "Wolfsgruß" beim Spiel während der Nationalhymne zu zeigen. Der Gruß sei "kein Rassismus", sondern "ein nationales Symbol".
Pädagoge: Gefährliche Wirkung auf Jugendliche
Der Autor und Pädagoge Burak Yilmaz hatte im Gespräch mit der Sportschau Demiral für das Zeigen des Grußes kritisiert. Davon gehe eine gefährliche Wirkung gerade auf junge Menschen aus, die das Symbol als etwas Normales wahrnehmen könnten.
"Das politische Programm der "Grauen Wölfe" sieht eine Türkei nur für Türken vor. Sie wollen eine homogenisierte Gesellschaft, in der Minderheiten verachtet werden", sagte Yilmaz, der seit Jahren zu den "Grauen Wölfen" recherchiert. Die rechtsextreme Bewegung habe es durch Demirals Unterstützung leichter, neue Anhänger zu rekrutieren.
Geldstrafe für Jude Bellingham
Englands Jude Bellingham dagegen kam mit einer Geldstrafe davon. Bellingham hatte nach seinem Tor in der Nachspielzeit gegen die Slowakei mit einer obszönen Geste gefeiert. Er hatte einen Griff in den Schritt angedeutet. Die Disziplinarkammer der UEFA sah von einer Sperre ab, stattdessen wurde eine Geldstrafe verhängt.