Christian Eriksen jubelt nach seinem Treffer
analyse

Erstes Remis bei der EM Dänemark hat Eriksen, Slowenien Moral und Fans

Stand: 17.06.2024 11:45 Uhr

Slowenien und Dänemark liefern das erste Unentschieden bei der Fußball-EM 2024, für beide steckt in diesem Spiel aber viel Positives. Während bei den Dänen Christian Eriksen im Mittelpunkt steht, freuen sich die Slowenen über ihre Moral – und die eigenen Fans.

Von Patrick Stricker, Stuttgart

Auch Märchenhelden steht die Enttäuschung manchmal ins Gesicht geschrieben. Nach dem 1:1 (1:0) gegen Slowenien drehte Dänemarks Spielmacher Christian Eriksen gemeinsam mit seinen Teamkollegen eine eher verhaltene Ehrenrunde durch das Stuttgarter Stadion, er nahm schnell seine Auszeichnung als Spieler des Spiels entgegen – und dann war seine Rückkehr auf die große Bühne des internationalen Fußballs auch schon wieder beendet.

Christian Eriksen: "Meine Geschichte ist schon jetzt anders"

"Bei dieser Europameisterschaft ist meine Geschichte schon jetzt ganz anders als beim letzten Mal", sagte der 32-Jährige hinterher: "Ich habe mich zuversichtlich gefühlt, als ich in das Spiel ging – und war einfach glücklich zu spielen. Bei einer EM zu spielen, ist immer etwas Besonderes."

Etwas Besonderes. Diese Beschreibung reicht gar nicht aus, um die arg fußballromantischen Geschehnisse vom Sonntagabend (16.06.2024) adäquat wiederzugeben. Ausgerechnet Eriksen, der im Turnier vor drei Jahren einen Herzstillstand erlitten hatte und seither mit einem implantierten Defibrillator lebt sowie Sport treibt, brachte Dänemark gegen Slowenien in der 17. Minute in Führung.

Eriksen - "Ich bin glücklich und zufrieden mit meinem Tor"

Sportschau UEFA EURO 2024, 16.06.2024 21:30 Uhr

Dänemark jubelt gegen Slowenien über Eriksens EM-Tor-Premiere

Sein erstes Tor bei einer EM-Endrunde, unmittelbar vor der in rot und weiß getauchten Tribüne, von der die meisten der zahlenmäßig und lautstärketechnisch überlegenen dänischen Fans die Partie verfolgten.

"Ich habe mich sehr gefreut, denn ich hatte im Hinterkopf, dass ich noch nie bei einer Europameisterschaft getroffen hatte", erzählte der 32-Jährige: "Aber ich war einfach nur froh, der Mannschaft mit meinem Tor helfen zu können." Auch diese Wortwahl ist - gemessen an den Fakten - nicht ausreichend.

Denn Eriksen tat weitaus mehr, als bloß einen von Alexander Bah blitzschnell ausgeführten und durch Jonas Wind verlängerten Einwurf mit dem Treffer zum 1:0 zu veredeln. Eriksen war vor allem in der ersten Halbzeit jener Denker und Lenker, den die Mannschaft von Trainer Kasper Hjulmand braucht, wenn sie bei diesem Turnier auch über die Gruppenphase hinaus dabei sein möchte.

Hjulmand fest von Matchwinner Eriksen überzeugt

Der Mittelfeldspieler ließ sich oft für die Drecksarbeit in der Defensive in Halbräume fallen, nur um wenige Momente später schon wieder am gegnerischen Sechzehner zu ackern und den Ball festzumachen. Eriksen war wie immer der Mann für gefährliche Standards, alleine im ersten Durchgang lief er 5,99 Kilometer und war an sieben der neun Torschüsse seines Teams beteiligt: Vier gab er selbst ab, drei weitere legte er auf.

"Ich hatte nie Zweifel an Christian als Fußballspieler", sagte Hjulmand: "Man kann seine Qualität nicht bestreiten. Er weiß, was er auf dem Platz tun muss." Das Problem aus dänischer Sicht: Nach knapp 70 Minuten wusste es Eriksen nicht mehr so richtig. Und die anderen Dänen auch nicht.

Hjulmand über Eriksen - "Freue mich, dass Christian spielen kann"

Sportschau UEFA EURO 2024, 16.06.2024 21:08 Uhr

Sesko für Slowenien an den Pfosten, Janza ins Tor

Denn die Slowenen, im ersten Durchgang offensiv viel zu harmlos, bissen sich nach und nach in die Partie hinein. In der Innenverteidigung standen Vanja Drkusic (phasenweise 100 Prozent gewonnene Zweikämpfe) sowie Jaka Bijol (83 Prozent) sicher, und vorne hieß der Zielspieler nach dem Seitenwechsel immer häufiger Benjamin Sesko statt Andraz Sporar. Genau das tat dem Angriffsspiel der Slowenen gut.

Denn anders als Sporar versprühte Sesko, der in der Bundesliga für RB Leipzig aktiv ist, nahezu in jeder Aktion Torgefahr. Sein Pfostentreffer kurz nach Beginn der Schlussviertelstunde war ein Wachrüttler, nur eine Minute später traf Erik Janza zum 1:1-Ausgleich (77.). Glücklich zwar, weil sein Schuss noch entscheidend von Dänemarks Morten Hjulmand abgefälscht wurde. Mit Blick auf die Anteile, die sich die Slowenen zu diesem Zeitpunkt erspielt hatten, war es aber auch das Glück des Tüchtigen.

"Slowenien hat in Europa Eindruck hinterlassen"

"In der zweiten Halbzeit haben wir uns von der Stimmung befreit, da haben wir uns die Stimmung und die Nervosität aus der Kleidung geschüttelt", freute sich Sloweniens Trainer Matjaz Kek: "Als den Jungs klar geworden ist, dass sie sich Chancen erspielen können, hat sich das Spiel verändert."

Auch auf den Tribünen, wo statt der Fans aus Dänemark nun jene der Slowenen den Ton angaben. "Es ist eine Tatsache, dass eine enorme Energie von den Zuschauerrängen auf uns übergesprungen ist", sagte Kek: "Slowenien hat in Europa Eindruck hinterlassen." Sicher auch bei Christian Eriksen, Dänemarks Märchenhelden, der die Enttäuschung am späten Abend dann doch noch aus seinem Gesicht verbannen konnte.