"Unsinn", "Unredlichkeit", "Zynismus" Schlagabtausch im Sommermärchen-Prozess
Wortgefechte, Vorwürfe, wiederholte Ordnungsrufe der Richterin: Am dritten Verhandlungstag im Sommermärchen-Prozess vor dem Landgericht Frankfurt/Main war nichts von österlichem Frieden zu spüren. "Klar sind Emotionen im Spiel", sagte die Vorsitzende Richterin Eva-Marie Distler: "Ich appelliere aber an den gegenseitigen Respekt."
Vorausgegangen waren ständige Zwischenrufe der Angeklagten und Verteidiger sowie Anschuldigungen in Richtung der Staatsanwaltschaft. Dabei ging es um "Zynismus" und "Unredlichkeit". Die Vertreter der Anklage kommentierten ihrerseits die Äußerungen eines Vertreters des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) als "Unsinn".
DFB-Anwalt: 6,7 Millionen Euro "steuerlich irrelevant"
Der vom Verband beauftragte Steuerfachanwalt Jan Olaf Leisner hatte zuvor deutlich gemacht, dass der DFB nach wie vor auf eine millionenschwere Steuer-Rückzahlung durch einen entsprechenden Prozess-Ausgang hofft. Leisner erklärte, dass es sich bei der Zahlung der ominösen 6,7 Millionen Euro tatsächlich um eine "Betriebsausgabe" gehandelt habe. Deren "Vorgeschichte und die Verwendung der Gelder" seien "steuerlich irrelevant". Sollte das Gericht der Argumentation folgen, könnte der Verband auf eine Rückzahlung von rund 22 Millionen Euro hoffen.
Die Ermittlungen zu den undurchsichtigen Geldflüssen rund um die WM 2006 ziehen sich bereits mehrere Jahre hin. Auch am dritten Verhandlungstag in Frankfurt ging es um jene 6,7 Millionen Euro, die vom DFB als Betriebsausgabe für eine Gala deklariert wurden.
Das Geld wurde 2005 vom WM-Organisationskomitee über den Weltverband FIFA mutmaßlich an den früheren Adidas-Chef und inzwischen verstorbenen Robert Louis-Dreyfus überwiesen. Exakt diese Summe war drei Jahre zuvor offenkundig in Form von Vorleistungen von Franz Beckenbauer und Louis-Dreyfus an den früheren FIFA-Funktionär Mohamed bin Hammam nach Katar geflossen.
Keine Grundlage für außergerichtliche Einigung
Angeklagt sind in Frankfurt drei frühere DFB-Spitzenfunktionäre. Den ehemaligen Präsidenten Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach sowie dem langjährigen Generalsekretär Horst R. Schmidt werden "Hinterziehung bzw. Beihilfe zur Hinterziehung von Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2006 in Höhe von über 13,7 Millionen Euro zugunsten des DFB" zur Last gelegt. Dem DFB war rückwirkend für das Jahr 2006 die Gemeinnützigkeit aberkannt worden.
Niersbach, Zwanziger und Schmidt, die wie der verstorbene Beckenbauer dem WM-Organisationskomitee angehörten, weisen die Vorwürfe zurück. Leisner bezeichnete die Anklagepunkte als "vollständig unbegründet". Die Staatsanwaltschaft auf der anderen Seite attackierte die Angeklagten nach deren zurückliegenden Einlassungen heftig. Für eine außergerichtliche Einigung gebe es derzeit keine Grundlage. Die Ausführungen Leisners wurden von Staatsanwalt Jesco Kümmel als "Unsinn" bezeichnet.
Uli Hoeneß nächster Zeuge
Als es um ein Protokoll der Aussagen Schmidts im Zuge der internen DFB-Ermittlungen durch den Dienstleister Esecon im Jahr 2021 ging, flogen endgültig verbal die Fetzen. Die Richterin sah sich zu Ordnungsrufen an die Adresse der Verteidigung genötigt.
Der Prozess wird am 15. April fortgesetzt. Dann soll unter anderem Ehrenpräsident Uli Hoeneß vom FC Bayern aussagen. Auch die Vernehmungen des früheren DFB-Präsidenten Fritz Keller, des ehemaligen FIFA-Generalsekretärs Urs Linsi und von Ex-Nationalspieler Günter Netzer sind im späteren Prozessverlauf geplant.