Ex-Fußballer im Interview Günter Netzer - "Am meisten habe ich die Konditionstrainer gehasst"
Günter Netzer ist eine große deutsche Fußball-Legende. Kurz vor seinem 80. Geburtstag war er zu Gast im WDR-Podcast "Einfach Fußball". Ungewohnt offen und detailliert gab Netzer viele schillernde Einblicke in sein Leben.
Im September 2024 wird Netzer 80 Jahre alt. Seine großen Erfolge feierte der hochveranlagte Spieler Anfang bis Mitte der 1970er Jahre: Deutscher Meister 1970 und 1971, Europameister 1972, DFB-Pokalsieger 1973 und als Krönung Weltmeister 1974. Nach seinem Wechsel zu Real Madrid feierte der "Fußballer des Jahres" 1972 und 1973 je zwei spanische Meisterschaften und Pokalsiege.
Selbsteinwechslung im Pokalfinale
Für Schlagzeilen des ersten Popstars der Bundesliga sorgten seine langen Haare und die bisweilen großen Freiheiten, die ihm sein Verein Borussia Mönchengladbach und auch sein Trainer Hennes Weisweiler ließen.
Doch als Netzer 1973 seinen Wechsel zu Real Madrid bekannt gab, verschlechterte sich das Verhältnis von Star und Trainer. Es gipfelte in Netzers eigenwilligem Verhalten im Pokalfinale 1973. Als Weisweiler Netzer nicht von Beginn an spielen ließ, forderten die Zuschauer zunehmend vehementer die Einwechslung Netzers. "Die Zuschauer haben sich die Finger wund gepfiffen", sagte Netzer im WDR2-Podcast "Einfach Fußball" zu Sven Pistor und Constantin Kleine.
Zur zweiten Hälfte wollte Weisweiler den beliebten Regisseur bringen. Doch Netzer lehnte die Einwechslung ab: "Das muss ich Hennes Weisweiler unterstellen: Da wollte er seinen persönlichen Triumph feiern, wenn wir das Spiel verlieren." Doch im Machtkampf mit dem Coach blieb Netzer stur: "Das hat mir erst vor kurzem Berti Vogts gesagt: Ich bin sogar aus der Kabine gegangen, das wusste ich gar nicht mehr."
Die Partie gegen den 1. FC Köln ging in die Verlängerung und erst dann kam Netzer ins Spiel: "Ich spiel' dann jetzt", sagte er zum Trainer und wechselte sich quasi eigenständig ein. Kurz darauf schoss Netzer das Siegtor und machte Gladbach zum Pokalsieger.
"Den Konditionstrainer habe ich gehasst"
Netzer, der als Spielmacher den größten Respekt nicht nur in Deutschland, sondern europaweit genoss, galt nicht als der fleißigste Arbeiter. "Ich habe die Konditionstrainer gehasst wie keinen Mensch auf der Welt", so Netzer bei WDR2, "am meisten habe ich den Konditionstrainer von Real Madrid hasst. Der war jugoslawischer Meister über 1.500 Meter. Das war die absolute Hölle."
"Und das schlimmste war: Paul Breitner", der zur selben Zeit bei den Spaniern unter Vertrag stand, "Breitner lief immer vorne weg. Der war der fitteste Spieler Europas und hat auf mich keine Rücksicht genommen."
"Dankbar und demütig"
Netzer war nicht nur als Fußballer sehr erfolgreich, sondern später auch als Medienunternehmer und als TV-Experte. Seinem Karrierende 1977 im Alter von 32 Jahren folgte seine Zeit als Manager des Hamburger SV.
"Ich kann das nicht", sagte Netzer bei einem Anruf des Hamburger SV, der bei ihm anfragte, ob er nicht Manager bei den Hanseaten werden wolle: "Ich wollte die Stadionzeitung machen, denn die war grottenschlecht." In Mönchengaldbach hatte Netzer die Stadionzeitung "Fohlenecho" herausgegeben: "Der Präsident stimmte nach einiger Überlegungszeit zu unter der Bedingung, dass ich Manager werde."
Unter Günter Netzer feierte der Hamburger SV die errfolgreichste Zeit seiner Vereingeschichte. Der Manager holte Branko Zebec und Ernst Happel als Trainer. Unter ihnen wurde der HSV dreimal deutscher Meister und gewann 1983 sogar den Europapokal der Landesmeister (Vorgänger-Wettbewerb der Champions League).
"Ich bin nicht nur dankbar, sondern auch demütig", sagte Familienmensch Netzer im Rückblick auf seine Karriere und seine "drei oder vier Leben. Ddoch vor zehn Jahren habe ich alle meine Leben aufgegeben bis auf das reale."