Auftaktpartie der DFB-Elf ARD-Expertin Künzer erwartet zähes Spiel gegen Marokko
Am Montag bestreitet die deutsche Nationalelf ihr erstes Spiel bei der Frauen-WM in Australien und Neuseeland. Wie stark ist das DFB-Team einzuschätzen? Wer sind die Favoritinnen auf den Titel? Und wie sind die ersten Partien im Rückblick zu bewerten? Einschätzungen der ARD-Expertin Nia Künzer.
Die ersten Spiele des Turniers sind gelaufen. Wie bewerten Sie das Niveau der Weltmeisterschaft bislang?
Mit dem Auftakt bin ich zufrieden. Es ist natürlich die Gruppenphase, da ist nicht gleich jedes Spiel ein Spektakel. Aber es zeigt sich schon, dass man es nicht bereuen muss, das Turnier auf 32 Teams aufgestockt zu haben. Man sieht zwar Qualitätsunterschiede, aber auch die vermeintlichen Außenseiterinnen schlagen sich recht gut - und wir alle wissen, was für eine Bedeutung eine WM-Teilnahme für die Länder oder für viele Frauen zu Hause hat.
Der Kreis der Favoritinnen auf den Titel ist in diesem Jahr sehr groß. Etwa zehn Teams ist der Titel zuzutrauen. Wer hat für Dich die größten Chancen?
Es gibt mit Sicherheit einige Mannschaften, die wirklich ein großes Potenzial haben. Aber es gibt da auch Abstufungen. Die USA, England, Frankreich und vielleicht auch noch Brasilien scheinen sehr gut in Form. Da ist die Qualität auf jeden Fall da. Aber in der K.o.-Phase entscheiden im weiteren Turnierverlauf so viele Kleinigkeiten, dass es kaum vorhersehbar oder vorhersagbar ist, wer sich am Ende durchsetzt. Bestimmt muss man auch Deutschland zum erweiterten Kreis der Titelanwärterinnen zählen - und ich bin sehr gespannt, wie sich die Niederlande im Turnier präsentieren. Es spielen wirklich viele Mannschaften auf sehr hohem Niveau, aber das ist ja auch gut so.
Am Montag um 10.30 Uhr deutscher Zeit steht das erste Spiel der DFB-Elf gegen WM-Neuling Marokko an. Ein Auftaktsieg ist einfach Pflicht, oder?
Ja, das muss man so sagen, ohne den Gegner jetzt zu klein zu reden. Es könnte ein zähes Spiel werden. Ich würde Marokko nämlich nicht raten, zu offensiv aufzutreten. Sie werden sicher versuchen, sehr kompakt und tief zu stehen und möglicherweise durch Umschaltaktionen oder Standards zu ihren Chancen zu kommen. Deutschland wird viel Ballbesitz haben und das Spiel machen müssen. Und genau das sind die Dinge, die zuletzt nicht so gut geklappt haben, gerade in der Offensive. Präzision, die Passqualität gerade im letzten Drittel, Entschlossenheit, Abschlüsse - all das wird eine große Rolle spielen. Wir werden sehen, ob sich in den zwei Wochen seit dem Sambia-Spiel ein bisschen was getan hat.
Wie weit kann es im Turnier für das Team von Trainerin Martina Voss-Tecklenburg denn gehen?
Da müssen wir mit der Vorrunde anfangen: Ohne respektlos gegenüber Marokko, Kolumbien und Südkorea zu sein, muss es einfach der Anspruch sein - und das ist natürlich auch die Erwartungshaltung -, als Gruppenerster ins Achtelfinale zu kommen. Es sind aber durchaus schwierige Spiele zu erwarten gegen Mannschaften, die Deutschland wohl nicht mit offenem Visier begegnen. Wenn das DFB-Team als Gruppenerster weiterkommt, geht es dann schon im Achtelfinale wahrscheinlich gegen Brasilien oder Frankreich. Das ist natürlich schon ein ganz, ganz dickes Brett. Da werden Kleinigkeiten entscheiden und die deutschen Spielerinnen müssen dann schon am Limit spielen - mental und auch fußballerisch. Da wird es sicher auch auf die Tagesform ankommen.
Welche Spielerinnen sind im DFB-Team am wichtigsten für einen erfolgreichen Turnierverlauf?
Es gibt das Gerüst mit den Führungsspielerinnen und Leistungsträgerinnen. Die im Moment angeschlagenen Marina Hegering und Lena Oberdorf sind wichtig für die Defensive. Da muss man schauen, ob und wann sie spielen können. Alexandra Popp als Spielführerin bringt eine unheimliche Leidenschaft und Emotion mit - das ist ebenfalls wichtig. Letztendlich muss man aber auch sagen, dass sich das Team im Turnierverlauf aber auch noch neu finden muss: Wer wird zur Führungsspielerin - unabhängig davon, ob sie Leistungsträgerin ist? Das sind für mich zwei unterschiedliche Dinge. Wer geht voran? Wer setzt ein Zeichen, wenn es mal nicht so läuft und es vielleicht Rückschläge gibt? Svenja Huth ist eine ganz erfahrene Spielerin, die mit ihren Leistungen die Mannschaft immer wieder mitziehen kann. Merle Frohms ist im Tor ein sicherer Rückhalt. Ich hoffe, dass sie ihre Leistungen weiter so bestätigt, denn das tut der Mannschaft gut. Ich bin sehr gespannt und hoffe, dass sich eine DFB-Formation findet, die tatsächlich die Chance hat, sich im Laufe des Turniers in einen Flow zu spielen.
Bei der EM in England im vergangenen Jahr ist ihr das ja gelungen. Danach gab es in Deutschland einen Frauenfußball-Boom. Wie wichtig ist ein erneutes gutes Abschneiden der DFB-Elf bei der WM?
Natürlich wäre das hilfreich, um weitere Dinge anzuschieben. Wir sollten das aber eigentlich unabhängig betrachten. Die Nachhaltigkeit ist nämlich auch da, wenn das Turnier für Deutschland vielleicht früher beendet ist, als wir uns das wünschen. Es sind viele Dinge angeschoben worden: Die Zuschauerzahlen sind gestiegen, die Liga hat neue TV-Verträge, es gibt neue Sponsoren oder Partnerschaften, Kooperationen in der Liga oder mit der Nationalmannschaft. Klar, jeder Sportart hilft ein Erfolg, der würde bestimmt noch mal einen Riesenschub auslösen. Ein Erfolg wäre für mich auch schon die Halbfinal-Teilnahme. Aber: Wenn die Mannschaft gut spielt und schon früher ausscheiden sollte, dann wäre das kein Drama.