Meisterschaft perfekt Das Ende von "Vizekusen" - Leverkusens berauschende Party
Bayer 04 Leverkusen ist deutscher Meister. Die Party ging schon während des entscheidenden Spiels los - und war danach berauschend. Auch weil ein vermeintlicher Fluch endlich abgelegt wurde.
Es war ein Moment, in dem es Xabi Alonso fröstelte. "Es ist kalt", sagte der Trainer von Bayer 04 Leverkusen. Das nasse T-Shirt, getränkt von frischem Bier, dass ihm seine Spieler wenige Augenblicke zuvor über den Kopf gegossen hatte, hinterließ beim Spanier nicht nur einen duftenden Eindruck.
"Deutscher Meister ist nur der SVB", sangen Jonathan Tah, Robert Andrich oder auch Jonas Hoffmann nur ein paar Minuten zuvor und hüpften und tanzten dazu mit ihrem Trainer. Die Stimmung hätte in diesem Moment kaum besser sein können.
Leverkusener Platzsturm
Der erste Meistertitel in der Geschichte von Bayer 04 Leverkusen war nach dem souveränen 5:0 am Sonntagnachmittag (14.04.24) gegen Werder Bremen perfekt. "Es ist eine große Ehre, mit diesem Klub Deutscher Meister geworden zu sein. Die Stimmung war so, dass wir heute gewinnen mussten", sagte Alonso sichtlich ergriffen.
Und während der Trainer rund eineinhalb Stunden nach Abpfiff versuchte, diese spektakuläre Saison, die bisherigen saisonübergreifend 43 Spiele ohne Niederlage irgendwie zu erklären, warteten ein paar Meter weiter immer noch tausende Fans auf dem Stadionrasen darauf, die Sieger noch einmal zu feiern.
Emotionen kochten über
Zehn Minuten vor dem Spielende hatten die Ordner die Tore geöffnet, um die Fans ins Stadioninnere zu lassen. Wie zuvor zwischen Klub und Fanklubs verabredet, sollten die Zuschauer mit dem Betreten des Rasens allerdings bis zum Schlusspfiff warten.
Als allerdings Florian Wirtz kurz vor Ablauf der Spielzeit erst den vierten und kurz darauf noch den fünften Treffer erzielte, brachen alle Dämme. Die Emotionen drückten die Vernunft beiseite, Schiedsrichter Harm Osmers hatte die Begegnung nach dem ersten Platzsturm noch unterbrochen, bis wieder kurzzeitig Ordnung hergestellt war. Nach dem zweiten Treffer konnte nur noch sein Spielabpfiff Schlimmeres verhindern. Die Begeisterung schäumte über.
Leverkusen in Rot-Schwarz geschmückt
"Wir sind sehr stolz, dass wir Geschichte für Bayer 04 geschrieben haben", sagte Bayer-Angreifer Nathan Tella später in den Katakomben des Stadions mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Wir wussten, was den Leuten das hier bedeutet", sagte er stellvertretend für seine Teamkollegen.
Wie sehr die Werkself - der in den vergangenen Jahren immer wieder nachgesagt wurde, dass sie kaum Emotionen bei den Menschen wecken könnte - die Bewohner der Stadt elektrisierte, war nicht nur an der Unterstützung im Stadion zu sehen.
Platzsturm in Leverkusen.
Die Leverkusener Stadtteile waren wie die Innenstadt bereits am Samstag in Rot-Schwarz - den Farben von Bayer 04 - geschmückt. Fahnen hingen überall aus den Fenstern und zeugten von großer Begeisterung.
Großer Mitgliederzuwachs
Ohnehin hat die Mannschaft von Xabi Alonso mit ihren Leistungen ungeahntes Interesse bei den Fußballfans geweckt. Allein in dieser Saison hat der Klub 20.000 neue Anmeldungen zu verzeichnen. Damit peilen die Leverkusener 55.000 Mitglieder an, womit sie in dieser Kategorie zu den zehn größten Klubs in der Liga zählen.
Zu Zeiten, als Reiner Calmund den Klub noch als Manager führte, konnte er von diesen Erfahrungen nur träumen. Der mittlerweile 75-Jährige, der 28 Jahre lang in Leverkusen arbeitete, war ein gewichtiger Teil der leidvollen "Vizekusen"-Historie: Als die Werkself erst die Meisterschaft am letzten Spieltag verpasste, das Pokalfinale und das Endspiel um die Champions League innerhalb weniger Tage verlor. Calmund wollte es sich auf keinen Fall nehmen lassen, beim Ende dieses scheinbaren Fluchs dabei zu sein.
Erst nahm der Ex-Manager zunächst den jungen Wirtz ("Florian ist ein Goldjunge. Davon haben wir im Moment keine fünf Stück auf der Welt") in den Katakomben fest in den Arm. Dann diskutierte Calmund mit Ex-Spieler Michael Ballack. Und er ließ sich auch einen Besuch in der Spielerkabine nicht nehmen. Auch wenn diese Generation von Profis den Manager Calmund kaum noch kennen dürfte.
Es geht schnell weiter in der Europa League
Doch an diesem Sonntagabend in Leverkusen war Raum für alles, was für Spaß und gute Laune sorgte. Erst am kommenden Dienstag will Alonso seine Spieler wieder zum Training bitten. Denn die Saison ist noch lange nicht vorbei.
Am Donnerstagabend (18.04.24) muss die Werkself bereits bei West Ham United im Viertelfinal-Rückspiel der Europa League antreten. Das Finale im DFB-Pokal und die restlichen fünf Bundesligaspiele wollen auch noch erfolgreich bestritten werden.
Xhaka hat noch "viel vor"
Gemeinsame Feierlichkeiten hatten die Leverkusener Profis nicht geplant. Eine große Party haben sie sich für das Saisonende aufgespart. Die Spieler, Verantwortlichen und das Trainerteam werden ausgiebig diesen besonderen Abend mit ihren Familien und Freunden, die vielfach im Stadion dabei waren, genießen und sich unbeschwert in den Montag treiben lassen.
Erst danach beginnt dann wieder der Ernst des Lebens. "Wir dürfen den Fokus nicht verlieren. Wir haben in dieser Saison noch viel vor", sagte Mittelfeldstratege Granit Xhaka mit ernster Miene.