Krypto-App "Tradar" Fans sollen digitale Spieler kaufen - mit finanziellem Risiko
Vier deutsche Klubs haben einen neuen Partner im Kryptobereich. Die App "Tradar" verkauft digitale Anteile an Spielern. Die Fans sollen mit den Anteilen handeln und Gewinne erwirtschaften können - doch das Geld kann komplett verloren gehen.
Bayer 04 Leverkusen, der VfL Wolfsburg, die TSG Hoffenheim und der FC Schalke 04 arbeiten seit diesem Sommer mit "Tradar" zusammen. Dabei steht eine Botschaft im Mittelpunkt: Fußballfans sollen mit der App von "Tradar" Geld verdienen können.
Schalke 04 schreibt auf seiner Internetseite von "Schalke-Wissen als Investition", laut Hoffenheim können Fans "in Echtzeit Gewinne erzielen" und dem VfL Wolfsburg zufolge ermöglicht es "Tradar" den Fans, von einer "Marktwertentwicklung zu profitieren". Der Anbieter "Tradar" selbst fordert die Menschen auf seiner Internetseite auf: "Mach dein Fußballwissen zu Geld."
Aufforderung auf der "Tradar"-Homepage: "Mach dein Fußballwissen zu Geld"
Fans sollen digitale Anteile an Spielern kaufen und verkaufen
"Tradar" verkauft den Fans über seine App sogenannte "Spieler-Token". "Spieler-Token" sind digitale Anteile an Spielern der bisher vier Klubs, die mit der App zusammenarbeiten. Fans können diese "Spieler-Token" in der App per Kreditkarte kaufen.
Jeder Spieler besteht in der App jeweils aus bis zu einer Million Token. Die App legt für die Spieler einen Marktwert fest, der die Ausgabepreise bestimmt. Hat ein Spieler beispielsweise einen Marktwert von zehn Millionen Euro, beträgt der Preis für einen Token zehn Euro. Ein Token von Leverkusens Florian Wirtz kostet derzeit 85 Euro, ein digitaler Anteil an Schalkes Lino Tempelmann zwei Euro. Die Token können bei guten Leistungen der Spieler zudem eine Art Prämienpunkte einbringen, die kein Geld wert sind, mit denen sich Fans aber beispielsweise die Teilnahme an der Verlosung von Trikots oder Eintrittskarten kaufen können.
Entscheidend bleiben aber die Token selbst. Denn ab dem Moment des Kaufs unterliegen die Token Wertschwankungen. Die Spieler werden für die Fans zu digitalen Spekulationsobjekten. "Du erkennst das nächste große Talent? Kaufe den Spieler günstig und verkaufe ihn mit Gewinn, wenn seine Karriere durchstartet", schreibt "Tradar". Wer die Token auf "Tradar" verkaufen und den in Aussicht gestellten steuerpflichtigen Gewinn machen will, muss dafür allerdings unter den Menschen, die die App nutzen, einen Käufer finden.
Wertvoller Spieler: Florian Wirtz von Bayer 04 Leverkusen
Eingesetztes Geld kann komplett verloren gehen
Findet man auf der Handelsplattform in der App allerdings keinen Käufer für die Token, kann das passieren, was "Tradar" im Dokument "Risikohinweise" auf seiner Internetseite erklärt: Der Totalverlust des eingesetzten Geldes ist möglich. Die Option, Token an andere Fans gegen eine Vermittlungsgebühr wieder zu verkaufen ist zudem laut "Tradar"-Angaben erst ab der Rückrunde geplant. Vorher ist nur ein Kauf möglich.
Der Totalverlust kann auch dann eintreten, wenn die Betreiber die App "Tradar" wieder vom Markt nehmen. Da die Token nur bei "Tradar" verkauft werden können, "bedeutet die Einstellung unseres Geschäftsbetriebs, dass Spieler-Token nicht mehr veräußert werden können und damit wertlos werden", sofern kein anderer Anbieter die Verwaltung übernehme, heißt es in den Risikohinweisen. Und bei allem gilt in den Bedingungen: "Eine Rücknahme der Token ist ausgeschlossen."
Der Erwerb von Spieler-Token ist mit hohen Risiken verbunden, die zu einem teilweisen oder vollständigen Verlust (Totalverlust) des eingesetzten Betrags führen können.
"Tradar" wird von der Münchner Firma "MFC Labs GmbH" betrieben. "Tradar ist sich seiner Verantwortung den Fans gegenüber sehr bewusst", teilt Felix Schmidt, Geschäftsführer der "MFC Labs GmbH" dem WDR-Magazin Sport inside auf Anfrage mit. "Wir wollen und werden den Fans nie falsche Versprechungen machen." Auf das Risiko von Verlusten bis hin zum Totalverlust werde "klar und deutlich" hingewiesen, so Schmidt.
Felix Schmidt, CEO von "MFC Labs", dem Betreiber von "Tradar"
Krypto-Experte: "Ich wäre generell skeptisch"
"Ich wäre generell skeptisch bei neuen Token", sagt Prof. Dr. Philipp Sandner im Gespräch mit Sport inside. Der 43-Jährige leitet das Blockchain Center an der Frankfurt School of Finance & Management. "Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass Tokenmärkte dramatisch abstürzen können."
Er sei durchaus ein Anhänger von Geschäftsmodellen im Blockchainbereich, betont Sandner. "Das Angebot dieser App würde ich aber nicht als solide Anlageform bezeichnen", sagt der Krypto-Experte. "Das ist ein Entertainmentbereich, in den man höchstens kleinere Beträge investieren sollte. Zum Geldverdienen ist das nichts - gerade durch die Gefahr, dass das Geld komplett verloren gehen kann."
Prof. Dr. Philipp Sandner, Leiter des Blockchain Centers an der Frankfurt School of Finance & Management
Glücksspiel? "Tradar" sieht sich als Finanzprodukt
Werbeslogans wie "Mit Geld spielt man nicht - man lässt es spielen" oder "Mach dein Fußballwissen zu Geld" erinnern an Sportwetten. Wie beim Wetten ist der finanzielle Erfolg bei "Tradar" von den Leistungen der Spieler auf dem Platz abhängig, die den Wert der Anteile maßgeblich beeinflussen. Ist "Tradar" also Glücksspiel?
Die gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) teilt auf Anfrage von Sport inside mit, dass sie derzeit keine Auskunft über eine rechtliche Einschätzung zu "Tradar" abgeben könne, da sich die App in der Behörde "aktuell noch im Prozess der Überprüfung befindet". Die Glücksspielbehörde hatte im April das als "Fantasy-Fußball" bekannte Geschäftsmodell in bestimmten Formen als Glücksspiel eingeordnet. In der Folge verschwand das Managerspiel "Spitch" mangels gültiger Lizenz vom Markt. "Spitch" war ein damals von der Deutschen Fußball Liga (DFL) offiziell lizenziertes Managerspiel, für das auch Jürgen Klopp Werbung machte. Mittlerweile bieten Anwälte Hilfe bei der Rückforderung von Verlusten.
"Tradar" verglich sich kürzlich bei Instagram im weiteren Sinne zwar selbst mit "Fantasy-Fußball", weist einen Bezug zum Glücksspiel aber von sich. "Tradar ist kein Spiel, sondern ein Finanzprodukt", sagt "Tradar"-Betreiber Schmidt. "Wir haben uns bei der Konzipierung von Tradar viel Zeit genommen und genauestens darauf geachtet, uns an die Vorgaben der deutschen und europäischen Gesetzgeber zu halten. Tradar ist kein Glücksspiel." Schmidt, Geschäftsführer der "MFC Labs GmbH" weist darauf hin, dass die Firma "durch unsere regulierten Partner" der Beaufsichtigung durch die Bundeanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterliege.
BaFin: Nicht "MFC Labs" hat die Erlaubnis, sondern ein anderes Unternehmen
Die notwendige Zulassung für die Anlagevermittlung bei der BaFin hält eine "Concedus GmbH", die die Kryptowerte der App verwaltet - also jene Token, die den Fans angeboten werden. Die "MFC Labs GmbH" vermittelt also über "Tradar" die Spieler-Token als Geldanlage für die "Concedus GmbH" an die Fans. Das ist eine durchaus übliche Struktur.
"Das bedeutet, dass die MFC Labs GmbH selbst keine Erlaubnis der BaFin hat und auch nicht von ihr beaufsichtigt wird", teilt die BaFin auf Anfrage von Sport inside mit. Aber die "MFC Labs GmbH" als Betreiberin von "Tradar" handele als Vermittlerin im Namen und auf Rechnung des haftenden Unternehmens "Concedus GmbH", "das sich daher wiederum die Tätigkeit des vertraglich gebundenen Vermittlers zurechnen lassen muss", so die BaFin.
Die "Concedus GmbH" aus Mittelfranken ist nach eigenen Angaben darauf spezialisiert, "neue Geschäftsmodelle und neuste Trends der Finanzbranche salonfähig zu gestalten und diese über unsere digitale Infrastruktur europaweit gesetzeskonform zu betreiben".
Die Klubs sagen: Es wird im rechtlichen Rahmen auf Risiken hingewiesen
Sport inside befragte Bayer 04 Leverkusen, den VfL Wolfsburg, die TSG Hoffenheim und den FC Schalke 04 zu der jeweiligen Zusammenarbeit mit "Tradar". Die Frage, wieviel Geld sie von dem neuen Sponsor erhalten, beantworten die Klubs mit Verweis auf eine Vertraulichkeit der Vertragsinhalte allesamt nicht. Auch "Tradar" äußert sich auf Anfrage nicht zu den gezahlten Summen.
Sport inside fragte die vier Klubs außerdem, ob sie der Ansicht sind, dass sie ihre Fans ausreichend auf die Risiken aufmerksam machen. Leverkusen, Wolfsburg, Hoffenheim und Schalke teilen in ähnlich lautenden Sätzen mit, dass die Risikohinweise auf der Internetseite von "Tradar" einzusehen seien. Man lege Wert darauf, dass gesetzliche Vorschriften in dieser Hinsicht eingehalten werden, schreiben alle Klubs sinngemäß. Die Nutzung der Persönlichkeitsrechte der Spieler habe man "Tradar" im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten eingeräumt, so die vier Klubs.
"Tradar" will bei noch mehr Klubs aktiv werden
"Tradar" wird nun bei den Klubs Werbung machen. Beim VfL Wolfsburg beispielsweise soll die App Klub-Angaben zufolge künftig eine Statistik auf der Anzeigetafel präsentieren. "Tradar" veröffentlichte bei YouTube einen Videoclip, der demnach künftig im Stadion von Schalke 04 auf dem Videowürfel zu sehen sein soll. Und bei den vier Klubs soll es für "Tradar" nicht bleiben. "Wir führen gerade spannende Gespräche und werden demnächst weitere Zugänge kommunizieren", sagt App-Betreiber Schmidt. Am Donnerstag (28.06.2023) wurde der FC Augsburg der fünfte Klub von "Tradar".
Künftige Werbefläche für "Tradar": Der Videowürfel im Schalker Stadion
In Finanzierungsrunden nahm "MFC Labs" eigenen Angaben zufolge zunächst 1,3 Millionen Euro und dann nochmal vier Millionen Euro ein. Wo genau das Geld herkommt, teilte das Unternehmen auf Nachfrage nicht mit. "Es handelt sich hier um Business Angels aus der deutschen Wirtschaft", sagt Schmidt. "Einige von ihnen haben einen großen und sehr kompetenten Bezug zum Fußball und der gesamten deutschen Sportszene." Business Angels werden Anleger genannt, die neu gegründete Unternehmen in der Anfangsphase unterstützen.
Der Profifußball - auf der Suche nach Geld im Web 3.0
Der Profifußball versucht seit einigen Jahren auf unterschiedlichen Wegen, im "Web 3.0" Geld zu verdienen. Besonders in England, aber auch in anderen europäischen Ländern wurden "Fan-Token" als digitale Währung der Klubs oder sogenannte NFTs als digitale Sammelobjekte verkauft. Viele Klubs betrieben zudem Werbung für Kryptowährungen. Auch in Deutschland arbeiten mehrere Klubs mit entsprechenden Anbietern zusammen. Die Kryptobranche geriet zwischenzeitlich in eine Krise, zahlreiche der weltweit im Sport und anderen Bereichen als NFTs verkauften digitalen Sammelobjekte gelten mittlerweile als wertlos.
Joey D'Urso, Journalist beim Portal "The Athletic" recherchiert seit Jahren sowohl zu Krypto-Investments als auch zu Glücksspiel im Fußball. Er sprach mehrfach in Ausschüssen des britischen Parlaments zum Thema. "Es ist richtig, bei Angeboten, die Fußball mit Finanzinvestitionen kombinieren, sehr vorsichtig zu sein", sagt D'Urso im Gespräch mit Sport inside. Er verwies auf das Unternehmen "Football Index" in Großbritannien. "Das war eine Glücksspiel-Website, die wie ein Fußball-Aktienhandel aussehen sollte. Es war eine völlige Katastrophe. Football Index brach zusammen, die Leute verloren riesige Geldsummen. Ich würde den Menschen empfehlen, nur so viel Geld in solche Systeme zu stecken, wie sie auch bereit sind, zu verlieren."