Vorkämpfer Eric Martel Baumgart hat, was Tuchel und Nagelsmann nicht haben
Bundestrainer Julian Nagelsmann sucht händeringend "Worker", Bayern-Trainer Thomas Tuchel eine "Holding Six". Der 1. FC Köln hat schon eine.
Eric Martel ist sicher noch kein großer Name im Bundesliga-Geschäft. Seine Bilanz ist zwar beeindruckend, mit nur 21 Jahren hat er schon 37 Bundesligaspiele bestritten, fünf Partien in der Conference League und 48 in Österreichs Bundesliga. Aber Martel ist kein Mann fürs Spektakel, bleibt als fleißiger Abräumer vor der Abwehrkette eher im Hintergrund.
Doch genau diese Rolle macht Martel aktuell interessant. Auch der FC Bayern München, am Freitag um 20.30 Uhr am 12. Bundesligaspieltag in Köln zu Gast, sucht einen Spieler mit genau seinen Qualitäten: zweikampf- und laufstark, klar im Spielaufbau und vor allem hauptsächlich defensiv denkend. "Holding Six" hat Bayern-Trainer Thomas Tuchel diese Rolle genannt.
Kimmich und Goretzka zu offensiv?
Im Sommer mühte sich der FCB vergeblich, Joao Palhinha nach München zu holen. Denn offenbar sieht Tuchel weder in Joshua Kimmich noch in Leon Goretzka oder Konrad Laimer eine "Holding Six", die für Stabilität im defensiven Mittelfeld sorgt.
Das Thema ist gerade wieder aktuell, weil Bundestrainer Julian Nagelsmann in der Nationalmannschaft einen ähnlichen Engpass ausgemacht hat. Nach dem Desaster gegen Österreich (0:2) und wiederholt schwachen Defensivleistungen sinnierte er, es brauche vielleicht mal ein Toptalent weniger, dafür einen "Worker" mehr - also einen Arbeiter, eine "Holding Six".
Robert Andrich mit wenig Spielpraxis
Nagelsmann hat auf der Sechserposition neben Goretzka und Kimmich bisher vor allem auf Ilkay Gündogan und Pascal Groß gesetzt. Beide haben ihre Qualitäten aber vor allem in der Offensive, im Spielaufbau, in ihrer Torgefährlichkeit - noch deutlicher als Kimmich und Goretzka. Nach unzähligen schwachen Ergebnissen in verschiedenen Konstellationen scheint sich nun letztlich doch die Erkenntnis durchzusetzen, dass es einen Defensivspezialisten im Mittelfeld braucht.
Robert Andrich ist so einer, gegen Österreich wurde er eingewechselt, kam im Alter von 29 Jahren zu seinem Länderspieldebüt. Allerdings ist Andrich aktuell bei Bayer Leverkusen nur Ersatzspieler, darf wenn überhaupt nur im Pokal und der Europa League starten. Ohne konstante Spielpraxis dürfte er es schwer haben im Nationalteam.
Auch Rani Khedira, ebenfalls 29 Jahre alt, wird oft genannt. Er war Teil des Höhenflugs von Union Berlin, musste bei der aktuellen Niederlagenserie oft zuschauen, verletzt oder rotgesperrt.
Martel ist Kapitän der U21
Die Suche nach weiteren deutschen Mittelfeldabräumern führt dann schnell zu Martel, vor allem wegen seiner Rolle in der U21-Nationalmannschaft. Dort ist er Kapitän und Führungsspieler, hat bereits 14 Partien absolviert, zuletzt im wichtigen EM-Qualifikationsspiel gegen den bisherigen Tabellenführer Polen (3:1) sein erstes Tor erzielt.
Martels Karriereweg wirkt bisher gut durchdacht. Der gebürtige Straubinger wechselte als 15-Jähriger von Jahn Regensburg ins Nachwuchsleistungszeitrum von RB Leipzig. Dort durfte er als junger Profi bei der ersten Mannschaft auf der Bank sitzen, im Pokal auch mal zwei Minuten lang spielen, der Weg in die Stammelf war aber noch weit.
Für 1,2 Millionen Euro verpflichtet
Es folgte eine Leihe nach Wien, wo Martel bei der Austria unter Trainer Peter Stöger direkt unangefochtene Stammkraft war. Zum Start der Saison 2022/23 ließ RB Leipzig Martel für 1,2 Millionen Euro zum 1. FC Köln ziehen. Heute dürfte sein Marktwert etwa das Zehnfache betragen, Martels Vertrag läuft noch bis zum Sommer 2026.
FC-Trainer Steffen Baumgart hebt Martels Ehrgeiz und Konstanz hervor. "Ich habe bei Eric bisher immer nur einen leichten Weg nach oben und noch kein richtig schlechtes Spiel gesehen", sagte er im März.
Kölns wichtigster Spieler
Seit dem Weggang von Ellyes Skhiri zu Eintracht Frankfurt ist Martel im defensiven Mittelfeld gesetzt, vielleicht der wichtigste Spieler im Kader. Als er vom vierten bis zum sechsten Spieltag mit Achillessehnenproblemen fehlte, kassierte der FC Niederlagen gegen Hoffenheim (1:3), Bremen (1:2) und Stuttgart (0:2).
Der Gedanke liegt nahe, dass die Heim-EM 2024 für Martel zu früh kommt, zu gering ist die internationale Erfahrung, zu schwer sind die Zeiten beim 1. FC Köln. Allerdings ist die Situation der Nationalelf derzeit eine besondere und Nagelsmann ist für Überraschungen gut. So erscheint es durchaus möglich, dass er sich das Spiel zwischen Köln und München am Freitag anschaut - und dabei einen genauen Blick auf das defensive Mittelfeld des FC wirft.