DFB schließt Stützpunkte "Jeden Kontakt zur Basis verloren"
Der Deutsche Fußball-Bund schließt einen Teil seiner Stützpunkte und will die Talentförderung verstärkt in die Ballungsräume verlagern. Auf dem Land regt sich Widerstand. Und es gibt weiter Streit um die Bezahlung der Stützpunkt-Trainer.
Es herrscht große Aufregung in Brandenburg. Eltern von Fußball-Kindern haben eine Online-Petition gestartet, mit mehr als 800 Unterschriften. In Schwedt, nahe der polnischen Grenze, sind bereits lokale Politiker eingeschaltet. "Was bei uns passiert, ist sportpolitisch unverantwortlich", schimpft Frank Fleske, Vorsitzender des Fußballkreises Uckermark. Er hat auch schon beim DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf protestiert.
Die Uckermark ist mit einem Einzugsbereich von 3.600 Quadratkilometern der größte Fußballkreis in Brandenburg - dort wird der Deutsche Fußball-Bund (DFB) im Sommer seine beiden Stützpunkte im Rahmen der Talentförderung schließen. Das sei ein "weiterer Beweis, dass der DFB jeglichen Kontakt zur Basis verloren hat", findet Fleske.
"Für uns ist das reine Willkür"
Von 17 DFB-Stützpunkten im Land Brandenburg sollen zehn dichtgemacht werden. Die Stützpunkte galten, nachdem sie 2002 als Antwort auf Rumpelfußball und fehlende Talente ins Leben gerufen worden waren, lange als Vorzeigeprojekte. An 366 Standorten (aktuell 350) wurden bundesweit einmal pro Woche jeweils rund 20 D-Jugendliche (im so genannten "goldenen Lernalter") von Honorartrainern des DFB angeleitet. Kein Talent ab elf Jahren sollte mehr übersehen werden, so der Plan.
Nach Angaben des DFB wechseln alljährlich 700 bis 800 Talente aus den Stützpunkten des Verbandes in die Nachwuchsleistungszentren (NLZ) der Profiklubs. Es scheine also zu funktionieren, sagt Fleske. Er verweist darauf, dass auch aus der Uckermark schon viele Kinder in Auswahlmannschaften des DFB gespielt haben oder in Sportschulen und NLZ gewechselt sind. Die geplanten Schließungen kann er auch deshalb nicht nachvollziehen: "Für uns ist das reine Willkür. Wir fordern den Erhalt beider Stützpunkte."
DFB will "neue Wege gehen"
Damir Dugandzic, Sportlicher Leiter des DFB-Talentförderprogramms, sagt: "Das Ziel bleibt gleich: Talente entdecken, Talente fördern. Aber wir müssen verändern und anpassen, um zu optimieren. Wir brauchen mehr Flexibilität im System." Mit Blick auf die Widerstände in Brandenburg erkennt er an, dass verstärkte Kommunikation nötig sei. Denn viele Stützpunktrainer beklagen, dass sie alles über Umwege erfahren hätten. Dugandzic: "Ich verstehe die Kritik - gleichzeitig muss man manchmal Dinge ausprobieren. Das tun wir jetzt. Wir gehen neue Wege."
Fleske überzeugt das nicht. Er wirkt unversöhnlich: "Ich habe Herrn Dugandzic bei uns noch nie gesehen. Die Strukturen vor Ort interessieren ihn nicht. Wir sind schon wirtschaftlich abgehängt, jetzt nimmt man vielen Kindern hier auch noch die Fußball-Perspektive." Für viele Nachwuchsspielerinnen und -spieler könne die Schließung der beiden Stützpunkte nun Fahrtwege von bis zu 140 Kilometern hin und zurück bedeuten, um eine Förderung zu erhalten. "Das machen viele Eltern nicht mit. Da bleiben Talente auf der Strecke", glaubt Fleske.
Zu wenig Talente auf dem Land?
Doch wieviele Talente sind tatsächlich betroffen? Der DFB verweist auf Erhebungen der vergangenen Jahre. Man wisse mittlerweile genau, wie viele Kinder wo im Spielbetrieb seien, sagt Dugandzic. Die Tendenz sei klar: Mehr Talente in Ballungsräumen, weniger auf dem Land: "In manchen Regionen fördern wir zu viele Spieler, die nicht förderungswürdig sind, in anderen zu wenige."
In der Uckermark etwa werden derzeit sieben Prozent der Spieler des betreffenden Jahrgangs in einem Stützpunkt gefördert. Die durchschnittliche Auswahl-Quote liegt dagegen bei etwa 3,5 Prozent. Vor allem in den Großstädten sieht man seitens des DFB Verbesserungsbedarf. Deshalb gäbe es künftig einen zusätzlichen Stützpunkt in Berlin. In anderen Ballungsgebieten wie München und Köln wurden bereits neue eröffnet.
Auf dem Land müsse man dagegen einige Stützpunkte schließen oder habe dies bereits getan. Man werde dort aber andere Fördermaßnahmen installieren. In Sachsen-Anhalt zum Beispiel habe der DFB die Zahl der Stützpunkte von 16 auf acht reduziert und gleichzeitig zusätzliche Förderlehrgänge und Vergleichsspielrunden eingeführt.
"Für mich ist das falsche Ansatz", sagt ein Stützpunkttrainer aus Brandenburg der Sportschau: "In großen Städten gibt es schon NLZ und viele leistungsorientierte Vereine. Die ziehen die Talente automatisch an. Du musst als DFB deine Augen dort haben, wo kein Profiverein weit und breit ist." Die Enttäuschung sei groß, dass der Fußball-Landesverband Brandenburg die DFB-Richtlinie mitträgt.
Streit um Honorar für die Stützpunkttrainer
Auch im Saarland, wo bereits von sechs auf fünf Stützpunkte reduziert wurde, ist vergangenen Sommer durch einen Bericht von Sport inside und der Sportschau deutlich geworden, wie konfliktbeladen das Verhältnis zwischen dem DFB und seinen Stützpunkten mittlerweile ist. Dabei ging es vor allem um die Bezahlung der Trainer. Denn das monatliche Honorar aller 1.300 Stützpunkt-Trainer bundesweit hat der DFB seit der Gründung der Stützpunkte nicht erhöht. Was früher 600 D-Mark waren, sind heute 307 Euro.
Bereits im April 2022 hatten sich alle DFB-Stützpunkttrainer des Saarlandes deshalb in einer gemeinsamen Petition an den DFB gewandt und eine bessere Bezahlung gefordert. Der Leiter des Stützpunktes Kirkel-Limbach, Rudi Klaus, deutete die stagnierenden Honorare als Zeichen "fehlender Wertschätzung". Man habe einen Stundenlohn von weniger als zehn Euro errechnet. "Alles wird teurer, aber wir kriegen nach 22 Jahren noch das gleiche Gehalt. Das gibt es nirgendwo sonst", sagte Klaus damals.
Mehr noch ärgerte die Trainer, dass sie vom DFB lange keine Antwort auf ihren Brandbrief erhielten. DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann versprach im Sommer 2023 gegenüber dem WDR zwar, sich zu kümmern. Doch auch danach passierte zunächst nichts, bis Rudi Klaus im Dezember vergangenen Jahres erneut vehement eine Antwort vom Verband einforderte.
Diese blieb dann aber eher vage: Die Neustrukturierung des DFB im Jahr 2022 habe "zu einigen Verzögerungen im administrativen Bereich geführt", man wolle "seriös und nachhaltig wirtschaften". Gerade werde "darüber beraten, wie die vorhandenen Mittel so umverteilt werden können, dass die Förderung und Sichtung jedes Talents abgesichert ist und gleichzeitig die handelnden Personen für die geleistete Arbeit angemessen honoriert werden".
Diese Antwort sei ein "Armutszeugnis", findet Rudi Klaus: "Ich denke, die sitzen das beim DFB einfach aus. Man bekommt den Eindruck: Das Talentförderprogramm hat nicht mehr den Stellenwert wie früher." Der DFB teilt auf Anfrage der Sportschau mit, man habe über den Brief hinaus nichts zur Honorarfrage zu sagen. Man stimme sich in den Gremien noch ab. "Dass das vor dem Hintergrund eines strukturellen Defizits und knapper Kassen geschieht, ist ebenfalls öffentlich bekannt", schreibt der Verband.
DFB bestreitet Sparzwang
Kritiker vermuten hier einen Zusammenhang: Der DFB schließe die Stützpunkte, um Löcher zu stopfen. Schließlich hatte auch DFB-Vize Zimmermann im vergangenen Sommer die Frage der Honorare für die Stützpunkttrainer mit den in die Millionen gehenden Löcher im Etat des DFB verknüpft.
Sportlicher Leiter des DFB-Talentförderprogramms, Damir Dugandzic, bestreitet einen solchen Sparzwang: "Wir verteilen nur neu und gehen dahin, wo auch viele Kinder sind." Zumindest für dieses Jahr bleibe sein Budget für die Talentförderung gleich. Wie hoch diese Budget ist, wollte der DFB nicht mitteilen. Über regionale Lehrgänge und so genannte Vereinsprojekte wolle man jedenfalls weiter sichten und ausbilden - auch das koste Geld.
Für die Uckermark hat der DFB folgenden Plan: Aktuell spielen bereits mehr als 80 Prozent aller geförderten Spieler in zwei Vereinen. Dort soll dann ein vom DFB entsendeter Trainer regelmäßig zum jeweiligen Jahrgangsteam kommen und ein DFB-Scout die gesamte Region im Blick haben.
Wie viele Stützpunkte bundesweit bestehen bleiben und wie viele neue Vereinsprojekte es in Zukunft sein werden - auch da will sich der DFB derzeit nicht festlegen. Frank Fleske, der Kreisvorsitzende aus der Uckermark, vermutet das Schlimmste: "Die planen den Kahlschlag auf dem Land. Wer jetzt nicht kämpft und sich wehrt, wird verlieren."