Matthew Tkachuk vom Team USA (l.) bei einem Faustkampf mit dem Kanadier Brandon Hagel im "4 Nations Face-Off" in Montreal

NHL "4-Nations-Face-Off" Kanada gegen USA - mehr als nur Eishockey

Stand: 16.02.2025 11:08 Uhr

Die Eishockey-Stars aus den USA haben mit einem emotional aufgeladenen 3:1-Erfolg gegen Kanada das Endspiel beim "4-Nations-Face-off" erreicht. Die politischen Spannungen zwischen den Nachbarländern spielten auch beim Prestigeduell in Montreal eine Rolle, erneut gab es Buhrufe gegen die US-Hymne, dazu viel Härte auf dem Eis.

Die NHL pausiert gerade, auf die Stars müssen die Eishockey-Fans in den USA und Kanada aber nicht verzichten: Viele von ihnen treffen gerade bei einem "4-Nations-Face-off" aufeinander, einem Vier-Nationen-Turnier, mit dem die NHL die Rückkehr auf die Olympia-Bühne zelebrieren möchte, genau ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Mailand und Cortina d'Ampezzo. Anders als zuletzt will die beste Eishockey-Liga der Welt diesmal während Olympia pausieren und alle Starspieler für das olympische Turnier freigeben. Das "4-Nations-Face-off" ist eine Art Olympia-Appetizer für die Fans in Nordamerika, vier Nationenteams mit den besten NHL-Spielern aus den USA, Kanada, Finnland und Schweden.

Erneut Buhrufe gegen US-Hymne beim NHL-Turnier

Nebenbei wird damit auch noch einmal die Botschaft der NHL als Nabel der Eishockey-Welt transportiert. Womit die Marketing-Strategen der Liga aber wohl nicht rechnen konnten, als sie das Event im Kalender platzierten, waren die politischen Verwerfungen, die die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus mit sich brachten. Der US-Präsident wirkt fest entschlossen, einen Handelskrieg vom Zaun zu brechen, auch dem Nachbarland Kanada sollten Strafzölle auferlegt werden, die vorerst offiziell ausgesetzt sind.

Seitdem gibt es in den kanadischen NHL-Arenen immer wieder Pfiffe und Buhrufe, wenn vor den Spielen die US-amerikanische Hymne vorgetragen wird. Beim Prestigeduell am Samstagabend (15.02.2025, Ortszeit) zwischen den Auswahlteams aus Kanada und den USA rief der Hallensprecher in Montreal die 21.000 Fans, darunter Kanadas Premierminister Justin Trudeau, dazu auf, die Hymne zu respektieren. Vorgetragen wurde "Star Spangled Banner" von einem Offizier der kanadischen Airforce, wohl auch als Zeichen nachbarschaftlicher Verbundenheit. Dennoch waren die lauten Buhrufe des kanadischen Publikums nicht zu überhören, auch nicht in der TV-Übertragung.

USA gegen Kanada - drei Schlägereien in den ersten neun Sekunden

Was sich dann nach dem ersten Bully abspielte, dürfte bei Menschen, die vor 1980 geboren wurden, Erinnerungen an das berüchtigte Kriegs-Brettspiel "Risiko" ausgelöst haben. Dort galt es, auf einer Weltkarte so viele Länder wie möglich anzugreifen und zu erobern. Eine von vielen möglichen Kriegserklärungen dabei lautete zum Beispiel: "Weststaaten gegen Quebec".

Vor allem die Tkachuk-Brüder gingen auf amerikanischer Seite ins Spiel wie zwei halbstarke Jungs, die seit Monaten nur darauf gewartet haben, bei der örtlichen Kirmes die Typen aus dem Nachbardorf aufzumischen. Gleich nach dem Eröffnungsbully trennte sich Matthew Tkachuk von seinen klobigen Handschuhen, die ihn beim Infight wohl nur gehindert hätten, und ging auf seinen kanadischen Gegenspieler Brandon Hagel los. Beim anschließenden Bully hatte der Puck gerade mal das Eis berührt, als diesmal zwischen Matthews Bruder Brady und Sam Bennett die Fäuste flogen. Dann schickte JT Miller, gebürtig aus East Palestine, Ohio, seinen kanadischen Gegner Colton Parayko mit einem Cross-Check aufs Eis. Die Folge war die dritte Keilerei, innerhalb der ersten neun Sekunden des Spiels.

US-Star Tkachuk: "Wir wollten ihnen eine Botschaft senden"

"Wir wollten ihnen eine Botschaft senden. Sie lautete: Dies ist unser Moment", sagte Matthey Tkachuk nach dem Spiel. Seine Äußerungen konnte man rein sportlich interpretieren, es ging schließlich um den Einzug ins Endspiel. Womöglich könnte sich bei Tkachuk aber auch darüber hinaus einiges aufgestaut zu haben. Schon nach dem Spiel gegen Finnland, als es ebenfalls Buhrufe gegen die US-Hymne gab, soll Tkachuk nach Medienberichten sein Missfallen zum Ausdruck gebracht haben.

Tkachuk ist der Star von Stanley-Cup-Sieger Florida Panthers. Als das Team vor wenigen Wochen im Weißen Haus eingeladen war, überreichte Tkachuk dem US-Präsidenten ein Panthers-Trikot, in seiner Rede bedankte er sich bei Trump, auch dafür, dass er "jeden Tag aufwachen und dankbar dafür sein kann, ein Amerikaner zu sein". Spätestens seitdem dürfte er als Trump-Sympathisant gelten, wie opportunistisch solche Äußerungen auch sein mögen. Zumal es in Trumps erster Amtszeit eine Reihe von Championship-Teams im US-Sport gab, die der Einladung ins Weiße Haus wegen der rechtspopulistischen Ausfälle Trumps nicht gefolgt waren.

Verabredete Eskalation? US-Coach Sullivan "weiß von nichts"

Beim Eishockey-Duell zwischen den USA und Kanada wollte man zumindest offiziell von politisch aufgeladener Stimmung nichts wissen. Laut Medienberichten sollen sich die Spieler um die Tkachuk-Brüder vor dem Spiel in einem Gruppenchat vereinbart haben, auf dem Eis ein Zeichen zu setzen. Darauf angesprochen, erklärte US-Trainer Mike Sullivan, davon wisse er nichts. Er sagte nur: "Diesen Jungs ist der Sieg sehr wichtig." Die USA haben die Maximalausbeute von sechs Punkten auf dem Konto und stehen damit vorzeitig im Endspiel.

Kanadas Coach Jon Cooper sprach nach dem wilden Spielbeginn von einem "kompletten Aufruhr", dies sei aber auf die Rivalität der beiden alten Eishockey-Großmächte zurückzuführen, die lange nicht mehr gegeneinander gespielt hätten: "Zehn Jahre ohne ein internationales Duell, das hat sich dann einfach in den ersten eineinhalb Minuten entladen."

Auch für Kanadas Topstar Conor McDavid gab es keine besonderen Vorkommnisse: "Es war schnell, hart umkämpft, emotional und kompetitiv. Es hatte alles, was man sich von einem Eishockeyspiel wünscht", sagte der Teamkollege von Leon Draisaitl bei den Edmonton Oilers. McDavid hatte in der 6. Minute den Führungstreffer für die Kanadier erzielt, doch Jake Guentzel mit zwei Treffern (11./59.) und Dylan Larkin drehten das Spiel zugunsten der US-Amerikaner. "Es ist schade, dass es nicht zu unseren Gunsten gelaufen ist, aber die Sache ist noch lange nicht vorbei."

USA schon vorzeitig im Finale - womöglich wieder gegen Kanada?

Tatsächlich liegen hinter den USA vor dem letzten Gruppenspieltag die anderen drei Teams gleichauf mit je zwei Zählern. Kanada trifft am Montag auf Finnland, das am Samstag im skandinavischen Duell Schweden mit 4:3 nach Verlängerung bezwungen hatte. Wer dieses Duell nach regulären 60 Minuten für sich entscheiden kann, ist sicher zweiter Finalist. Womöglich bekommt Kanada dann die Chance zur Revanche.