Approbations-Entzug nach Doping Endlose Prüfung in Thüringen
Darf ein Mediziner, der wegen Verstößen gegen das Anti-Doping-Gesetz verurteilt worden ist, wieder als Arzt tätig sein? Diese Frage beschäftigt das Thüringische Landesverwaltungsamt in Weimar nun schon seit fast fünf Jahren - bislang ohne Ergebnis.
Im Februar 2019 nahm die Polizei nach einer Razzia in einer Erfurter Arztpraxis den Praxisinhaber Dr. med. Mark S. fest. Spätestens seit 2009 hatte es um diesen Arzt Dopinggerüchte gegeben, die aus der Radsportszene stammten. Bis zu seiner Verurteilung im Januar 2021 nach vier Monaten Prozessdauer blieb er in Untersuchungshaft.
Das Urteil lautete: vier Jahre und zehn Monate Haft, 158.000 Euro Geldstrafe sowie ein dreijähriges Berufsverbot. Nie zuvor hatte es auf Grundlage des seit 2015 geltenden Anti-Doping-Gesetzes eine derartige Haftstrafe ohne Bewährung gegeben. Das Berufsverbot begann mit dem Tag seiner vorzeitigen Entlassung am 16. Mai 2022. Verbunden ist die Reduzierung der Haftdauer mit einer dreijährigen Bewährung.
Kassenärztliche Zulassung?
Mark S. gehörte zu Beginn seiner medizinischen Karriere zu einem der Stipendiaten der "Stiftung zur Förderung ambulanter ärztlicher Versorgung in Thüringen", die sich als Hausärzte niedergelassen haben. Die kassenärztliche Zulassung wurde offenbar inzwischen zurückgegeben. Etwa um einem entsprechenden Entzugsverfahren zuvorzukommen? Auf der Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen ist sein Name nicht mehr zu finden.
Seit Bekanntwerden des Ermittlungsverfahrens im Jahre 2019 ist das Thüringische Landesverwaltungsamt mit dem Fall befasst. Dort und nicht etwa - wie man vermuten könnte - bei der Landesärztekammer ist man für einen möglichen Widerruf der Approbation zuständig. Eine Entscheidung hatte die Behörde für Ende 2023 angekündigt. Doch noch immer gibt es keinen Beschluss.
Landesverwaltungsamt sieht "keine Eilbedürftigkeit"
Dass die Beurteilung dieses Falles so lange dauert, begründet das Landesverwaltungsamt damit, dass der Fall "ein sehr umfangreiches Aktenkonvolut" umfasse und eine sehr genaue Prüfung erforderlich mache. "Hinzu kommt der Wechsel der zuständigen Bearbeiterin (durch altersbedingtes Ausscheiden, Anm. d. Red.) und auch der Wechsel des zuständigen Richters beim Berufsgericht", schreibt die Behörde auf Anfrage. "Zudem gibt es in diesem Fall keine Eilbedürftigkeit, da das Berufsverbot weiterhin besteht und Herr M. S. unserer Kenntnis nach nicht tätig ist, sodass keine Anhaltspunkt (sic) für Gefahr für Leib oder Leben ersichtlich sind."
Unabhängig davon, dass es nicht eine gewissen Ironie entbehrt, nach inzwischen fast fünf Jahren Prüfung von "keiner Eilbedürftigkeit" zu sprechen, bleibt also die offenbar so schwierig zu beantwortende Frage, ob man von Amts wegen davon ausgeht, dass es für Patienten gefährlich werden könnte, sollte S. wieder als Arzt tätig sein.
Approbationsentzug bei Doping "grundsätzlich möglich"
Dabei würde ein Blick in eine wissenschaftliche Ausarbeitung aus dem Jahre 2012, die der Deutsche Bundestag in Auftrag gegeben hatte, für Klarheit sorgen. Unter anderem heißt es dort unter dem Aktenzeichen WD 9 – 3000/014/12: "Der Entzug der Approbation von Ärztinnen und Ärzten sowie Apothekerinnen und Apothekern durch Widerruf ist sowohl bei aktiver als auch bei passiver Mitwirkung an Dopingpraktiken sowohl im Spitzensport als auch im Breitensport grundsätzlich möglich. Allerdings scheinen die zuständigen Behörden von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch zu machen."
Weiter heißt es, dass für die Mitwirkung bei Dopingpraktiken Paragraph 5 der Berufsordnung der Ärzte einschlägig sei. Die Approbation sei demnach zwingend zu widerrufen, wenn sich eine Ärztin oder ein Arzt eines Verhaltens schuldig mache, aus dem sich ihre/seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs herleiten lasse. Damit entfielen nachträglich die in der Berufsordnung aufgeführten Voraussetzungen für die Erteilung der Approbation.
Was also prüft das Thüringische Landesverwaltungsamt seit fast fünf Jahren? André Hahn (Die Linke), derzeit fraktionsloses beratendes Mitglied des Sportausschusses des Deutschen Bundestags, nahm den Fall Mark S. nun zum Anlass, um eine schriftliche Anfrage an die Bundesregierung zu stellen.
Bundesregierung hat keine Erkenntnisse
Hahn wollte wissen, wie vielen Ärzten und Ärztinnen sowie Apothekern und Apothekerinnen nach Kenntnis der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Antidopinggesetzes im Jahr 2015 die Approbation wegen Verstößen gegen dieses Gesetz oder gegen das Arzneimittelgesetz oder die (Muster-)Berufsordnung-Ärzte wegen einer Mitwirkung an Dopingpraktiken die Approbation entzogen worden sei. Zudem fragte er die Bundesregierung, wie der Stand hinsichtlich eines Approbationsentzuges für Mark S. sei.
Die Antwort der Bundesregierung fällt knapp aus. "Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor", heißt es darin. Darüber hinaus verweist die Bundesregierung auf die Zuständigkeit der Länder bei "Erteilung, die Rücknahme, den Widerruf sowie die Anordnung des Ruhens der Approbation von Ärztinnen und Ärzten bzw. von Apothekerinnen und Apothekern".
Ein richtiges Interesse an diesem Thema scheint nicht es nicht zu geben. Allerdings ist offenbar auch die Bundesregierung der Ansicht, dass die jeweilige Landesärztekammer zuständig ist, wenn es um "die Überwachung der Einhaltung der Regelungen der jeweiligen Berufsordnung sowie die Ahndung von Verstößen gegen diese" geht. Derweil prüft man beim Landesverwaltungsamt in Thüringen unverdrossen weiter.