Isaiah Hartenstein in Aktion
interview

Deutscher NBA-Star im Interview Isaiah Hartenstein - "An Silvester war ich früher immer in der Halle"

Stand: 28.01.2025 07:26 Uhr

Isaiah Hartenstein könnte im Sommer nach Dirk Nowitzki der nächste deutsche NBA-Champion werden. Mit den Oklahoma City Thunder ist er Topfavorit auf den NBA-Titel in diesem Jahr. Hartenstein wurde 2018 in die NBA gedraftet und hat im Sommer 2024 für drei Jahre und rund  87 Millionen US-Dollar bei den Oklahoma City Thunder unterschrieben. Eine Auszeichnung für die Dinge, die er sich auf dem Platz hart erarbeitet hat, auch wenn er dafür an Silvester trainieren musste.

Von Viktor Mülleneisen

Sportschau: Sie haben vor dieser Saison in Oklahoma unterschrieben. Das ist im Vergleich zu New York deutlich ländlicher und familiärer, wie gefällt die neue Stadt bisher?

Isaiah Hartenstein: Für mich ist es perfekt, wir haben jetzt unser erstes Kind. Es ist hier ein bisschen chilliger als in New York oder Los Angeles, man bekommt hier auch viel mehr Land zum Wohnen als in den Großstädten. Ich habe auch mal in Quakenbrück gewohnt, dagegen ist das hier auch immer noch eine Großstadt (lacht).

Sportschau: Sportlich läuft es auch ganz gut! Die Thunder sind auf Platz 1 in der Western Conference und Ihr Teamkollege Shai Gilgeous-Alexander könnte in diesem Jahr der MVP, der wertvollste Spieler der Liga werden. Wie ist es mit ihm zusammenzuspielen?

Hartenstein: Er ist besonders, für mich ist er auf jeden Fall der MVP der Liga, er muss die Trophäe in diesem Jahr gewinnen. Wir gewinnen manche Spiele so deutlich, dass er im vierten Viertel gar nicht spielen muss. Manchmal macht er in drei Vierteln schon 40 Punkte und geht dann raus, wenn es ein knappes Spiel wäre, würde er vielleicht 50 oder 60 machen. Er arbeitet sehr hart und ist dabei "Team-First", er will gewinnen und für das Team spielen. Das macht ihn so besonders. 

Sportschau: Ihr Team, die Oklahoma City Thunder sind in diesem Jahr unter den Topfavoriten auf den Titel, gibt es intern etwas Druck, dass der Titel in diesem Jahr fällig ist?

Hartenstein: Es gibt einen Spruch, den wir immer nehmen "Zero-Zero-Mentality". Bei jedem Spiel ist es egal, wo wir stehen in der Tabelle, oder egal gegen wen wir spielen. Wir fangen immer wieder von vorne an. Wir müssen jedes Spiel unsere Routinen aufbauen und nicht zu weit in die Zukunft oder nach hinten blicken. Einfach jeden Tag konstant an uns arbeiten und präsent sein.

Isaiah Hartenstein beim Dunk

Isaiah Hartenstein beim Dunk

Sportschau: An Ihrem Finger wäre aber noch Platz für einen Championship-Ring, oder?

Hartenstein: (Lacht) Ja, es wäre schon etwas Tolles. Ich glaube, für jeden Basketballer ist ein Titelgewinn immer ein Ziel, aber wir als Mannschaft wissen, wie viel es braucht, um das zu schaffen. Viele Mannschaften kommen in die Saison, schauen dann zu weit nach vorne und vergessen die Schritte, die man als Champion braucht. Einen Spieler wie (Alex) Caruso zu haben, der es selber miterlebt hat, hilft uns sehr. Auch unser GM Sam Presti (General Manager) hat einen richtig guten Job gemacht, unserem Trainer Mark (Daigneault, Trainer von OKC) ein Team zu geben, aus dem er viele Line-Ups (Aufstellungen) rausholen kann. Das macht uns besonders in den Playoffs sehr gefährlich.

Sportschau: Sie haben einen langen Weg in die NBA hinter sich, G-League (Entwicklungs-Liga der NBA), mehrere NBA-Teams und dann 2021 bei den Clippers endlich der Durchbruch. Haben Sie auch mal überlegt zurück nach Europa zu gehen?

Hartenstein: Ich wusste immer, dass ich gut genug bin, um in der NBA zu spielen. Aber ich musste an Dingen arbeiten, wenn ich auf dem Feld stehen will. Ich hatte immer Monate, in denen ich gut gespielt habe, aber besonders in den ersten drei Jahren musste ich herausfinden, wie ich konstant aufs Feld komme. Wie kann ich dem Team helfen? Dadurch sind meine Schwächen dann meine Stärken geworden. Am Anfang waren Defense und Rebounding Sachen, wegen denen mir gesagt wurde, dass ich nicht spiele. Das sind jetzt Sachen, wegen denen ich auf dem Feld stehe.

Hartenstein während seiner Zeit in New York

Hartenstein im Trikot von New York

Sportschau: Wann ist Ihnen das klar geworden?

Hartenstein: Ich glaube, viele junge Spieler versuchen anfangs die Schuld dem Trainer oder Management zu geben, aber man muss auch wirklich auf sich selbst gucken. Ich musste herausfinden, welche Rolle ich in der NBA spielen kann. Da habe ich viel Video geschaut, viel Draymond Greens Defense, viel mit meinem Vater über Rebounding gesprochen und auch in den Sommern daran gearbeitet. Da habe ich deshalb auch die Nationalmannschaft im Hintergrund gelassen. Für meine NBA-Karriere musste ich das tun.

Sportschau: Sie haben häufiger angekündigt, dass Sie sich auch vorstellen können, für die Nationalmannschaft zu spielen. Könnte das schon in diesem Sommer bei der EM so weit sein?

Hartenstein: Über den kommenden Sommer habe ich nicht so viel nachgedacht. Das kommt eher am Ende der Saison. Ich hatte auch bisher noch keinen Kontakt zum Trainer. Ich werde nicht lügen. Für mich ist die NBA immer die Nummer 1. Aber wenn ich gesund bin und vertraglich alles passt, dann werde ich auf jeden Fall spielen.

Sportschau: Traditionellerweise sind Center nicht die besten Assist-Geber. Sie haben sich das aber erarbeitet und haben mittlerweile viele Highlight-Assists. Hat das halbe Jahr in Denver, als sie mit Nikola Jokic gespielt haben, da geholfen?

Hartenstein: Ich konnte immer richtig gut passen, das kommt von meinem Vater. Als Jugendspieler habe ich nur darauf geachtet, viele Punkte zu machen. Er hat mir dann mal eine Challenge gegeben "Im dritten Viertel darfst du nur passen, versuch’ deine Mitspieler in Szene zu setzen". In der Zeit habe ich das gehasst, aber rückblickend kann ich sagen, es hat mir geholfen diese kleinen Fenster auf dem Feld zu finden. Jokic hat mich darin dann noch einen Schritt nach vorne gebracht. Mehr mit den Augen zu spielen und die Defense zu manipulieren. Aber ich muss meinem Vater auch Credits geben!

Sportschau: Auf dem deutschen Markt sind Sie jetzt als Investor beim BBL-Verein Ratiopharm Ulm eingestiegen. Warum haben Sie in Ulm investiert?

Hartenstein: Für mich ist es das wichtigste, vielen deutschen Spielern zu helfen, den nächsten Schritt zu machen. Wenn da irgendjemand eine Frage hat, kann man mir immer schreiben. In Ulm hatte ich das Gefühl, dass da ein guter Job in der Spielerentwicklung gemacht wird, das ist für mich die Nummer 1. Ich will Leuten helfen, die die gleichen Ziele haben, wie ich sie hatte. 

Sportschau: Welchen Tipp könnten Sie jungen Spielern denn geben?

Hartenstein: Ich habe früher immer gedacht, ich wäre einer der besten Spieler in Deutschland. Ich wurde in der Nationalmannschaft aber früh gecuttet. Die Niedersachsen-Auswahl hat gesagt, ich sei kein Profi-Spieler. Ich glaube, man muss immer an sich selbst glauben. Für mich waren so Aussagen immer eine Motivation. Die haben gesagt, ich wäre nicht einer der besten Spieler in Deutschland, dann werde ich so hart arbeiten, dass ich so gut bin, dass sie nicht nein sagen können.

Sportschau: Wie sah das konkret aus?

Hartenstein: Ich musste viel opfern außerhalb des Basketballs. Bin wenig zu Partys oder habe mich mit Freunden getroffen. An Silvester war ich um 12 Uhr in der Halle. Ich weiß gar nicht, warum ich das gemacht habe, ich wollte an mir selbst arbeiten. Das, und an sich selbst glauben, ist das Wichtigste. Es wird Höhen und Tiefen in deiner Karriere geben, aber man muss konstant arbeiten. Vielleicht klappt es in einem Jahr nicht, aber wenn du mehr machst als alle anderen, klappt es in zwei, drei oder vier Jahren. 

Sportschau: Sie waren früher an Silvester immer in der Halle?

Hartenstein: Zu der Zeit, als ich in Quakenbrück war, habe ich meinen Vater immer gefragt, ob ich den Schlüssel für die Halle haben kann. Ich wusste, dass viele andere feiern sind und Neujahr genießen. Mein Vater hat mich mit 12 oder 13 Jahren mal gefragt, was ich mit Basketball erreichen will und ich habe gesagt, ich will in der NBA spielen. Er hat mir sehr viel geholfen, meinte es wird Höhen und Tiefen geben. Ohne meinen Vater wäre ich heute nicht in der NBA.