Basketball-Bundesliga Bonn und Ulm in BBL-Finals - ein unverhofftes Vergnügen
Die Basketball-Bundesliga steht damit vor einer Zäsur. Im Finale stehen sich zwei Teams gegenüber, die noch nie zuvor die Meisterschaft gewonnen haben: Bonn und Ulm. Die Serie beginnt mit dem ersten Finalspiel heute (Ab 20.30 Uhr, live im Ticker bei der Sportschau).
Wer die BBL in den vergangenen Jahren verfolgt hat, dem dürfte nicht entgangen sein, dass die jährliche Meisterschaft fest in der Hand von drei Teams liegt. Seit 2010 hieß der Meister immer entweder Bamberg, München oder Berlin.
Auch wenn die Saison 2022/23 noch nicht zu Ende ist, ist schon jetzt klar, dass der Meister diesmal ein anderer sein wird. Berlin und München mussten in den ersten zwei Runden die Segel streichen, Brose Bamberg hatte die Playoff-Qualifikation gar nicht erst geschafft.
Nun stehen sich im Finale also zwei Mannschaften gegenüber, auf die zu Beginn der Saison wohl nur wenige einen Pfifferling gesetzt hätten: die Telekom Baskets Bonn und Ratiopharm Ulm.
Bonn hat aus den Fehlern gelernt
Auf sich aufmerksam machte das Team aus dem Süden Nordrhein-Westfalens bereits in der letzten Saison, als es die Bayern nach einem 2:0-Rückstand noch an den Rand der Niederlage drängte. Auf die Beinahe-Überraschung folgte die Enttäuschung: Point Guard Parker Jackson-Cartwright, gerade erst zum wertvollsten Spieler der Saison ausgezeichnet, verließ den Verein in Richtung Frankreich.
Abgesehen von ihm konnten die Baskets allerdings den Kern der Mannschaft zusammenhalten. Und auch die Lücke auf der Aufbauposition gelang es zu schließen. Als Ersatz für den kleingewachsenen US-Amerikaner Jackson-Cartwright holte man mit T.J. Shorts, einen noch kleiner gewachsenen US-Amerikaner. Ob es nun die Parallelen beider Spieler sein mögen oder einfach die Genialität ihres Spiels, der Plan ging auf.
Der Finne Tuomas Iisalo ist heiß begehrt in Europa. Bleibt er Trainer in Bonn?
Baskets sind seit Januar ungeschlagen in der BBL
Es dauerte nicht lange, bis sich der 1,75 Meter große T.J. Shorts perfekt in das eingespielte Team integrierte. Mit durchschnittlich über 18 Punkten und sieben Assists pro Spiel bewies er nicht nur mit der Mannschaft harmonieren zu können, sondern zugleich auch einer der Besten seines Fachs zu sein. So war es keine Überraschung, dass auch er wie schon sein Vorgänger zum MVP gewählt wurde.
Aber auch der Mannschaftserfolg sollte in dieser Saison nicht zu kurz kommen. Die reguläre Saison schloss das Team von Trainer Tuomas Iisalo als beste Mannschaft ab. Im Viertelfinale überrollten die Bonner zunächst den Tabellenachten Niners Chemnitz, ehe sie im Halbfinale mit den Riesen aus Ludwigsburg kurzen Prozess machten.
Ach ja, und kurz zuvor hatten sie auch noch die Basketball Champions League gewonnen. Kurzum: Seit Januar, kein Scherz, hat es keine Mannschaft mehr geschafft, die Baskets zu stoppen. Eine letzte Chance dazu hat nun Ulm.
Der unwahrscheinliche Favoritenschreck
In einem normalen Jahr wäre die Sache ganz klar. Weil niemand Bonn auf dem ersten Platz und nun unangefochten in den Finals erwartet hätte, würde ihnen auch der Titel als Überraschungsmannschaft des Jahres gebühren. Doch es war eben kein normales Jahr. Denn wenn es so wäre, dann hätte der Siebte der regulären Saison sicher nicht den Vorjahresmeister Alba Berlin und gleich danach den amtierenden Pokalsieger Bayern München aus dem Wettbewerb geworfen.
Und auch das sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt: Über beide Serien verlor Ulm nur ein Spiel - zuhause gegen Alba Berlin. Den FC Bayern, der noch im Februar den nationalen Pokalwettbewerb dominiert hatte, "sweepten" die Schwaben in die Sommerpause - und beendeten auch die Amtszeit von Münchens Trainer Andrea Trinchieri, der seinen Abschied verkündete.
In seiner Rookie-Saison in die Finals: Ratiopharm Ulm-Trainer Anton Gavel hat seine Kritiker überzeugt.
Eine Wundertüte namens Ulm
Dabei war diese Erfolgsgeschichte bei weitem nicht absehbar. Erst im vergangenen Sommer hatte es an der Donau einen größeren Umbruch gegeben. Zahlreiche Leistungsträger sowie der langjährige Erfolgscoach Jaka Lakovic kehrten dem Verein den Rücken. Auf der Suche nach Ersatz bastelte die Klubführung eine Wundertüte, bestehend aus zahlreichen ausländischen Talenten sowie dem vermeintlich unerfahrenen Nachwuchstrainer Anton Gavel zusammen.
Der Plan ging zunächst nicht auf. Es folgten vier Niederlagen zu Saisonbeginn in der Liga und das frühe Aus im Pokal. Erst mit den Nachverpflichtungen der früheren NBA-Spieler Brandon Paul und Bruno Caboclo fand das Team seinen Rhythmus.
Am Ende qualifizierte man sich mit 18 Siegen aus 34 Spielen nur knapp für die Playoffs. Doch pünktlich mit Beginn der Playoffs brachten die Süddeutschen ihren besten Basketball aufs Parkett. Zwei Titelanwärter hat man bereits überrascht, folgt nun der dritte?
Eine Meisterschaft für die Geschichtsbücher
Egal, wie die Finalserie zwischen Bonn und Ulm verläuft - das bloße Zustandekommen dieser Paarung ist bereits Zeugnis für die gesteigerte Qualität in der Basketball-Bundesliga. Die Platzhirsche der letzten Jahrzehnte scheinen endlich Konkurrenz bekommen zu haben.
Das erste Duell findet am Freitag (09.06.23) ab 20.30 Uhr in Bonn statt. Spätestens am Nachmittag des 18. Juni, wenn das letztmögliche fünfte Spiel in den Büchern steht, wird Basketball-Deutschland einen Meister sehen, den es zuvor noch nie gegeben hat.