Niederlage bei den French Open Rafael Nadal - die Magie wirkt nur noch eine halbe Stunde
In seinem vielleicht letzten Match bei den French Open zeigte Rafael Nadal zeitweise noch einmal, warum er das wichtigste Sandplatzturnier der Welt 14 Mal gewonnen hat. Doch der Spanier muss sich eingestehen, dass die Zeit nicht für ihn spielt.
Für eine halbe Stunde war die Magie noch mal da. Diese Magie des Court Philippe-Chatrier, dessen Hausherr Rafael Nadal seit 2005 war. Eine Magie, die den Hausherren wie einen drei Meter großen Herkules aussehen lässt und die Gegner zu Nebendarstellern degradiert. Und wenn die auch knapp zwei Meter groß sind wie Nadals aktueller Gegner Alexander Zverev.
Mitte des zweiten Satzes war das. Nadal hatte selbst nur unter Mühen seinen Aufschlag gehalten, da nahm er Zverev dessen Aufschlag zum ersten Mal ab. Und da waren sie wieder, die Jubelgesten von Nadal. Wenn er zwei Schritte nach rechts macht, um Anlauf für seine geballte Faust zu nehmen. Wie er nach einem gelungenen Volley gleich noch mal zu einem Jubel hochspringt. Wie er die Zuschauer anfeuert, ihn zu unterstützen.
Djokovic, Alcaraz, Swiatek - alle da
Die "Rafa"-Rufe wurden zu einer ohrenbetäubenden Mauer. Die vierköpfige Kapelle mit zwei Trompetern, einem Posaunisten und einem, der die Pauke bearbeitete, tat alles, um das Publikum auf Temperatur zu halten. Manch Zuschauer sprang nach jedem Punktgewinn Nadals auf, als habe der gerade einen Matchball verwandelt. Gegenüber saßen viele Spielerinnen und Spieler, um auch einen Blick auf das vielleicht letzte Match von Rafael Nadal bei den French Open zu werfen. Novak Djokovic, Carlos Alcaraz, Iga Swiatek. Sie waren alle da. Es fühlte sich an, als könne er den an die Tür klopfenden Zverev noch mal abwehren.
Nadal und Zverev hatten fast die gleichen Bedingungen wie vor zwei Jahren vorgefunden, als ihr aufregendes Halbfinale durch den umknickenden Knöchel von Zverev jäh unterbrochen wurde. Alles war bereitet für eine ebenso ausgeglichene wie hochklassige Fortsetzung dieses Matches aus dem Jahr 2022.
Auch die Begrüßung fiel wieder gleich aus. Marc Maury, der legendäre Stadionsprecher der French Open, stellte Nadal vor und zählte dessen Titel auf. Bei jeder Jahreszahl, die Maury aussprach, wurde der Jubel ein bisschen größer, die Leute erhoben sich.
Die Defensive wird schwächer
Doch die Zeit lässt sich auch von Nadal nicht aufhalten. Die Vorhand funktionierte noch wie in den besten Tagen, doch Nadal ist nicht mehr so schnell wie 2022. Darunter leidet seine Defensive. Diese Defensive, die die Gegner seit 2005 ein ums andere Mal verzweifeln ließ. Die alle Bälle zurückbrachte. Egal, wie hart und präzise der Gegner spielte. Zverev kam an diesem späten Montagnachmittag immer wieder durch. Wie in diesem zweiten Satz, als Nadal bei 5:4 sein Aufschlagspiel nicht zum Satzausgleich durchbringen konnte. In der Pressekonferenz meinte Nadal hinterher: "Ich hatte das Gefühl, ich war nicht weit weg."
Im dritten Satz musste sich Nadal so fühlen wie seine Gegner in all den Jahren, wenn sie versuchten, das Denkmal vom Sockel zu stoßen. Er wehrte sich gegen die Niederlage. Es war nicht genug. In 112 Matches, die er in Roland Garros gewann, hatten seine Gegner exakt das Gleiche durchgemacht. Alexander Zverev war nach Robin Söderling und Novak Djokovic (zweimal) erst der dritte Spieler, der Nadal in dessen Haus besiegte.
"Ich bin ein einfacher Typ"
Nadal zeigte sich nach dem Match aber schon wieder verhalten angriffslustig. Auf der einen Seite stellte er klar, dass er nicht wisse, ob er in zwei Monaten den Schläger an den Nagel hänge, auf der anderen Seite unterstrich er noch mal, wie viel Spaß ihm sein Beruf noch bereitet. "Ich bin ein einfacher Typ. Ich mag das, was ich tue. Ich spiele gerne Tennis, ich trainiere gerne. Ich reise mit meiner Frau und meinem Sohn und genieße diese Dinge, die nie wiederkommen werden.“
Zverev zeigte sich auf und neben dem Platz demütiger, als man es von ihm gewohnt ist. In seinem Siegerinterview stellte er die besondere Situation heraus, als er sagte: "Heute geht es nicht um mich. Das ist Rafas Tag." In der Pressekonferenz nach dem Match gab Zverev zu, nicht gewusst zu haben, wie er reagieren sollte. "Normalerweise bist du nach einem Sieg gegen Nadal unmenschlich glücklich, aber heute musste ich mich zurückhalten." Vor dem Turnier hatte Zverev noch betont, dass man bei den French Open nicht nur gegen den Menschen, sondern auch gegen das Denkmal Nadal spielt. Zverev zeigte in nervenstarker Manier, wie das gemacht wird.