Sitzvolleyball | Paralympics Training bis der Hintern glüht: Heiko Wiesenthal und Francis Tonleu auf dem Weg nach Paris
Zwei Koblenzer auf der Road-to-Paris: Heiko Wiesenthal und Francis Tonleu träumen von einer Medaille. Für die Beiden sind es jedoch nicht die ersten Paralympics.
Der Schmerz ist inzwischen wohl vergangen. Mit einem Lächeln erzählt Francis Tonleu von den letzten Trainingswochen. Geschunden hat sich der Mann, der in Kamerun geboren ist und seit vielen Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Für die Paralympics wollte er im Sitzvolleyball so fit sein wie noch nie, hat viele zusätzliche Trainingseinheiten eingelegt. "Ich konnte irgendwann nicht mehr sitzen. Im Zimmer habe ich nur noch auf dem Rücken gelegen. Es ging nichts mehr", berichtete der Athlet. Sitzvolleyball wird ähnlich wie Volleyball gespielt; bei kleinerem Feld, niedrigem Netz und eben im Sitzen. Beim Training rutschen die Spieler immer hin und her. Das spürte der 47-Jährige auch schmerzhaft an seinem Gesäß.
"Ich hatte das Gefühl, ich habe keine Haut mehr. Ich hatte das Gefühl, ich hatte einen Pavian-Arsch, so heiß war das." Er ließ sich sogar vom Mannschaftsarzt intensiv untersuchen. Der gab aber Entwarnung; alles in Ordnung, keine offenen Stellen oder Hämatome. Trotzdem ist Tonleu vorsichtig: "Seitdem benutze ich Babyöl und Babypuder und kümmere mich um meinen Hintern mehr als um mein Gesicht."
Mit 49 Jahren fährt Heiko Wiesenthal zu seinen vierten Paralympics
Heiko Wiesenthal lässt es da etwas ruhiger angehen. Der Routinier weiß, dass er mit seinen Kräften etwas haushalten muss. Für seine inzwischen vierten Paralympics ist der 49-Jährige wieder bereit, viel zu opfern und sich zu quälen. In diesem Jahr sind schon rund 30 Urlaubstage für Trainingslager und Lehrgänge drauf gegangen. "Ich mache es immer so: Vier, fünf Monate vor dem Highlight, den Paralympics, bereite ich mich intensiv vor. Das geht dann. Danach brauche ich aber viel Pause", sagte Wiesenthal.
Sport verbindet nach schweren Schicksalsschlägen
Die beiden Nationalspieler aus dem Raum Koblenz haben Schicksalsschläge und der Sport zusammengebracht. Heiko Wiesenthal musste als 20-jähriger Soldat auf einen Panzer klettern, der auf einen Eisenbahnwaggon verladen war. Er kam zu dicht an die Oberleitung, so dass der Funke übersprang. 15.000 Volt schossen durch seinen Körper; in den Kopf und am linken Fuß wieder raus. Mit Glück überlebte er - sein linker Fuß war nicht zu retten. Erstaunlich nüchtern hat er sein Schicksal angenommen: "Nach der Amputation habe ich eine Nacht geweint und mir dann neue Ziele gesetzt - oft kleine Ziele. Weil ich die immer übertroffen habe, bin ich nie in ein Loch gefallen."
Francis Tonleu wuchs mit sieben Geschwistern in Kamerun auf. Als er mit neun Jahren auf einen Baum kletterte, um eine Mango zu pflücken, krachte der Ast. Er stürzte acht Meter in die Tiefe. An diesen Moment erinnert er sich immer noch: "Ich lag da, es war Totenstille. Dann kamen alle angerannt und dachten, ich sei tot." Er überlebte, aber sein linker Fuß war schwer verletzt. Die Versorgung in Kamerun war schlecht, kein Röntgen, kein MRT. Und so versteifte sein Fuß. "Ich war oft traurig. Dann hat meine Mutter gesagt, es gib Menschen, die kommen ohne Füße auf die Welt. Du hast deinen wenigsten noch. Mach das Beste draus. Und so ging es für mich in mein zweites Leben."
Highlight der beiden Karrieren: Die Paralympics
Wie sich die Paralympics anfühlen, wissen beide. Für Heiko Wiesenthal sind es schon die vierten. 2012 konnte er in London sogar die Bronzemedaille gewinnen - sein persönliches Highlight: "Wir haben damals so viel investiert. Da ist so eine Last von uns abgefallen. Das Gefühl kann man nicht beschreiben."
Francis Tonleu war in Tokio zum ersten Mal dabei. Er freut sich jetzt aber auf die Zuschauer. Unter denen werden viele Verwandte sein. Denn wie er sagt, ist es für ihn wie ein Heimspiel: "Kamerun ist ja halb Frankreich. Da kommen alle meine Tanten und Onkel." Dieses Gefühl hat er bei den letzten Paralympics vermisst. "Das ist wie ein Tanz. Man tut etwas und dann kommen die Zuschauer und nehmen einen mit hoch. Davon lebe ich."
Die deutsche Sitzvolleyballmannschaft freut sich auf die Paralympics in Paris.
Medaillenträume unter dem Eiffelturm
In Tokio sind die deutschen Sitzvolleyballer in der Vorrunde ausgeschieden. Das soll in Paris besser werden. Es ist schon ein Erfolg, dass sie unter die besten acht Mannschaften gekommen sind, die teilnehmen dürfen. Denn das deutsche Team ist eines der wenigen, in dem nur Amateure spielen. Sie sind fit, vielleicht fitter denn je. Und sie haben sich seit Tokio weiterentwickelt. Alles ist möglich.
Heiko Wiesenthal träumt sogar wieder von einer Medaille. "Das wäre der absolute Wahnsinn! Mit 49 Jahren noch mal eine olympische Medaille um den Hals zu tragen, ich glaube, dann muss ich schon ein paar Tränchen verdrücken." Das wären dann Freudentränen, nach so viel Anstrengung, Schweiß und Schmerzen in der Vorbereitung.