Fußball | Bundesliga Tränen im Auto: Hoffenheims Topstürmer Maxi Beier wollte Karriere beenden
Maximilian Beier ist Hoffenheims sportliche Lebensversicherung. Sein Jugendtrainer traut dem 21-Jährigen in den kommenden Jahren Großes zu. Dabei stand Beier einst kurz vor dem Karriereende.
Die gute Nachricht vorweg: Anders als bei der Partie gegen RB Leipzig kurz vor Weihnachten 2023, dürfte Maximilian Beier am Samstag beim Spiel der TSG Hoffenheim in Mainz nicht zusammenzucken, wenn die Stadionbeleuchtung angeht. Der Grund: Das Spiel findet am Tag um 15:30 Uhr statt.
Bei der 1:3-Niederlage in Leipzig, erzählt Beier in einem Interview im Hoffenheim-Magazin "Spielfeld", habe ihn die Lightshow überwältigt, ja sogar erschreckt. Mit seinen 21 Jahren bestritt er damals bereits sein 23. Bundesligaspiel. Inzwischen sind es 36 Partien. Hinzu kommen 63 Zweitligaspiele in zwei Saisons für Leihclub Hannover 96, sieben Partien im DFB-Pokal und zwei Spiele in der Europa League.
Als Leistungsträger und Toptorschütze der TSG (13 Saisontore) schaffte es der gebürtige Brandenburger zuletzt sogar in den DFB-Kader von Bundestrainer Julian Nagelsmann. Auch wenn er in der Nationalmannschaft noch auf seine ersten Einsatzminuten wartet, ist es nicht ausgeschlossen, dass Beier zum deutschen EM-Kader gehören wird.
Noch wartet Maxi Beier auf das erste Länderspiel seiner Karriere. Hoffenheims Stürmer (r.) könnte dennoch den Weg in den deutschen EM-Kader finden.
Maximilian Beier hätte dem Fußball beinahe den Rücken gekehrt
Das klingt nach einer Bilderbuchkarriere, von der viele kleine Jungs träumen. Die Wahrheit aber ist: Beinahe hätte Beier schon in der Jugend seine Fußballschuhe an den Nagel gehängt. Mit 13 zog der Angreifer damals aus seiner Heimatstadt Brandenburg an der Havel ins Fußballinternat des FC Energie Cottbus - knapp zwei Autostunden von seinem vertrauten Umfeld und von seiner Familie entfernt. Ein schwerer Schritt für den Jugendlichen und für seine Eltern.
Schon im Auto mit dem Vater auf dem Weg zum Bahnhof habe er angefangen zu weinen, erzählt er im Interview. Sein Heimweh sei so groß gewesen, dass ihm damals die Gedanken kamen, komplett mit dem Fußballspielen aufzuhören. Die Distanz zur Heimat und zu seinen Eltern habe ihn extrem belastet.
Abgehärtet aus Cottbus nach Hoffenheim
Irgendwann habe sein Vater aus Fürsorge organisiert, dass Beier seine Zelte in Cottbus abbricht und mit dem Leistungssport aufhört. Doch in letzter Sekunde überzeugte ihn sein damaliger Trainer Patrick Schrade, heute Leiter Nachwuchsscouting bei Hannover 96, weiterzumachen.
"Gemeinsam mit Maxi haben wir Strategien entwickelt, um mit seinem Heimweh zurechtzukommen", erzählt Schrade dem SWR. "Es war ein einschneidendes Erlebnis", bestätigt Beier über seinen Verbleib in Cottbus. Dadurch sei der spätere Wechsel mit 16 Jahren nach Hoffenheim nicht mehr so schlimm gewesen. Die Jahre zuvor hätten ihn abgehärtet.
Erfolg von Maximilian Beier war in der Jugend nicht abzusehen
Während seiner Cottbus-Zeit war zunächst nicht abzusehen, dass aus dem talentierten Fußballer einmal ein gefährlicher Bundesligastürmer werden würde. "Er war gut, aber nicht sehr gut", erinnert Schrade. "Er war eher schmächtig und noch nicht so dynamisch wie jetzt."
Über eine herausragende Qualität aber verfügte Beier schon damals. "Er hatte die Gabe, immer da zu stehen, wo er stehen musste. Ich weiß gar nicht, wie viele Spiele wir mit 2:1 gewonnen haben, weil Maxi einfach richtig stand. Irgendwann entstand so der Spitzname 'Der Schakal'", erzählt Schrade.
Dass Beier so schnell in Bundesliga Fuß fassen würde, sei nicht zu erwarten gewesen. "Er hat sich unglaublich stark weiterentwickelt. Ich traue ihm in den nächsten Jahren noch viel zu", sagt Schrade. "Er bringt die Intensität, das Tempo und auch die Unbekümmertheit mit. Ich bin mir sicher, dass er bald den Adler auf der Brust tragen wird."
Zwei Jahre bei Hannover 96 als Zwischenstation
Nach seinem Wechsel nach Hoffenheim gab Beier schon im Februar 2020 als 17-Jähriger sein Bundesliga-Debüt für die TSG. Immer wieder kam er zu Kurzeinsätzen. Dann wurde er für zwei Spielzeiten (2021 - 2023) an Zweitligist Hannover 96 verliehen, wo er wertvolle Erfahrungen und Spielpraxis sammelte.
Maximilian Beier (r.) im ersten Bundesligapspiel seiner Karriere am 8. Februar 2020 bei Hoffenheims 0:1-Niederlage gegen den SC Freiburg.
Zurück in Hoffenheim gelang ihm in dieser Saison der Durchbruch. Bei TSG-Cheftrainer Pellegrino Matarazzo ist Beier unumstrittener Stammspieler. Nur Torhüter Oliver Baumann und Mittelfeldspieler Anton Stach kommen in dieser Saison auf mehr Einsatzminuten als der Angreifer, der mit 13 Toren hinter Stuttgarts Deniz Undav zweitbester deutscher Torjäger ist.
Matarazzo vertraut Beier - und Beier vertraut Matarazzo. Er war der Trainer, der den 17-jährigen Stürmer damals aus der Jugend zu den Profis geholt hatte und ihm half, sich im Profifußball zurechtzufinden.
Der schüchterne, ängstliche Maximilian Beier
Das fällt Beier gelegentlich schwer. Der 21-jährige ist anders als andere Spieler. Beier ist das beste Beispiel dafür, dass man sich auch als eher schüchterner und zurückhaltender junger Spieler ins Rampenlicht spielen kann. Beier ist kein Lautsprecher, keiner, der mächtig auf den Putz haut. Noch heute, sagt Beier, sei er gelegentlich etwas aufgeregt, wenn Mitspieler Andrej Kramaric im Training zu ihm komme und mit ihm spreche. Beier ist nicht nur schüchtern, sondern gelegentlich auch etwas ängstlich. Zumindest abseits des Platzes. Das beste Beispiel ist seine Führerscheinprüfung.
Die Theorie- und Praxisstunden hat er längst abgeschlossen, aber vor der Prüfung graut es ihm. Beier hat, wie viele andere Menschen, Prüfungsangst. Das war schon in der Schule so. Auch Live-Interviews - vor allem nach einem Spiel - sind nicht sein Ding. "Ich habe immer Angst davor, mich zu versprechen oder irgendeinen Quatsch zu erzählen", sagt Beier, der auch beim Anruf vom Bundestrainer nur ein paar "Ja" herausbekommen habe.
Beier mit schlaflosen Nächten nach eigenen Toren
Wie kann ein so veranlagter Profi Woche für Woche in in vollen Stadien vor zigtausend Fußballfans spielen? Indem er den Kopf ausschaltet und einfach Spaß hat. Dafür hat Maximilian Beier gekämpft, dafür hat er sich durchgebissen und ist drangeblieben. Jugendtrainer Schrade relativiert die Introvertiertheit Beiers: "Maxi spricht zwar nicht gerne vor Hunderten von Leuten, aber ängstlich ist er nicht." Im Gegenteil. "Manchmal konnte Maxi ganz schön frech sein", sagt Schrade. Außerdem habe er sich als Mensch entwickelt.
Aufgeregt ist der Topstürmer vor seinen Spielen kaum noch. Probleme hat Beier eher mit dem Einschlafen nach einem Spiel - vor allem wenn er getroffen hat. "Ich freue mich immer noch wie ein kleines Kind, wenn ich ein Tor schieße - auch einen Tag danach noch", sagt der Torjäger.
Live-Interview nach dem Spiel in Mainz?
Da kommt es auch mal vor, dass er erst um vier Uhr morgens die Augen schließt. Mit einem Gala-Auftritt inklusive Tor im Spiel gegen Mainz könnte ihm das gleiche Schicksal blühen. Es wäre für die TSG auf Tabellenplatz acht zudem ein wichtiger Schritt, um die europäischen Ränge nicht aus den Augen zu verlieren.
Einen Sieg inklusive eigenem Treffer würde Beier sicherlich unterschreiben. Auch wenn das bedeuten würde, nach dem Spiel für ein Live-Interview Rede und Antwort stehen zu müssen.
Sendung am Sa., 13.4.2024 14:00 Uhr, Stadion, SWR1 Rheinland-Pfalz