Manager von Union Berlin Heldt: "Ich habe das 'abstrakte Scheiße' genannt"
Seit vier Monaten ist Horst Heldt Manager von Union Berlin. Zurück im Profi-Fußball - nach drei Jahren Pause. Im Interview mit rbb|24 spricht er über seinen Alltag, sein Geheimnis für Problemlösungen und ein überraschendes Hobby.
rbb|24: Horst Heldt, nehmen Sie uns mit in das Leben eines Bundesliga-Managers. Was ist das Erste, dass Sie morgens nach dem Aufstehen tun?
Horst Heldt: Ich habe mein Handy immer lautlos am Bett. Das heißt, wenn ich wach werde so gegen 7 Uhr, schaue ich aufs Handy, was hat sich ereignet. Das ist der erste Blick. Und der zweite geht dann ins Badezimmer, was jeder macht: Zähneputzen und den Tag beginnen mit einer Tasse Kaffee. Danach schaue ich wieder auf das Handy, um zu gucken, ob es Neuigkeiten gibt.
Wie geht es dann weiter? Wie sieht ein typischer Tag in Ihrem Leben aus?
Momentan sind wir mitten in der Saison. Es sind keine Transfers abzuwickeln, darum ist die Begleitung der Mannschaft und der Austausch mit dem Trainer wichtig. Ich frage mich, wie kann ich Trainerteam und Mannschaft unterstützen? Es macht diesen Job so interessant, weil er so abwechslungsreich ist. Es gibt Momente, wo man agieren muss, weil wir fahrlässig ein Spiel verloren haben. Oder du musst es laufen lassen, weil wir im Flow sind. Es ist ein ständiger Austausch, eine ständige Kommunikation mit den Menschen, mit denen man zusammenarbeitet.
Sie sind jetzt seit vier Monaten in der täglichen Arbeit beim 1. FC Union. Was hat Sie am meisten überrascht in der Zeit?
Die intensive Begleitung der Fans und die Herzlichkeit. Bei Union ist das sehr authentisch, sehr familiär. Es begegnet mir tagtäglich. Union ist eine Familie, die zusammenhält. Und deswegen bin ich stolz darauf, das begleiten zu dürfen, meine Erfahrungen einzubringen, Verantwortung zu übernehmen. Ich stehe jeden Morgen mit einem Lächeln auf, weil ich mich freue auf diese Arbeit. Jeder ist hier gewillt, sein Bestes für den Klub zu geben.
Warum passt Horst Held so gut zum 1. FC Union?
Das können andere besser beurteilen. Ich fühle mich sehr wohl, bin nett aufgenommen worden – angefangen beim Präsidenten Dirk Zingler. Das war ein außergewöhnliches Kennenlernen. Wir haben uns zweimal getroffen, über mehrere Stunden gesprochen, es ging dabei kaum um Fußball. Dirk Zingler war interessiert, wie ich als Mensch agiere, was mir wichtig ist, was ich für Werte habe. Und nicht, ob ich jetzt sagen kann, warum eine Dreierkette oder eine Viererkette gut ist. Er wollte herausfinden, ob ich als Mensch zu diesem Verein passe.
Und das hat Ihnen gefallen?
Ich fühle mich sehr wohl in diesem Verein, weil ich merke, dass man aufeinander achtgibt, dass man sich unterstützt, aber auch kritisch ist und Sachen hinterfragt. Es geht hier nicht darum, sich nur gegenseitig zu sagen, wie toll man ist, sondern in erster Linie darum: Was kann ich dazu beitragen, dass es Union Berlin gut geht?
Bevor Sie bei Union angefangen haben, waren Sie drei Jahre ohne Job in der Fußball-Bundesliga. Nach Ihrem Aus beim 1.FC Köln, Ihrem Heimatverein. Wie ging es Ihnen in dieser Zeit?
Es war eine gute Zeit, weil ich mich mit Sachen beschäftigen konnte, die normalerweise hintendran stehen, wenn man tief in der Arbeit steckt. Ich habe mich viel um meine Familie gekümmert, viel Zeit mit meinem Sohn verbracht, war viel im Fernsehen unterwegs und habe den Fußball weiter begleitet, aber ohne Verantwortung. Gleichzeitig habe ich mich gefreut, dass ich nochmal die Möglichkeit bekommen habe, wieder in dem zu arbeiten, was ich liebe, nämlich den Fußball.
Hatten Sie auch mal Zweifel, ob so eine verantwortungsvolle Position in der Bundesliga für Sie nochmal in Reichweite kommen wird?
Es ist leider so, dass die meisten Vereine erst dann reagieren, wenn es schlecht läuft. Das heißt, du musst darauf warten, dass andere ihren Job nicht so gut machen. Das ist makaber. Aber anders geht es nicht, denn diesen Job gibt es nur 18 Mal in der Bundesliga. Natürlich kann man sich mit dem Ausland beschäftigen, aber ich habe mich immer wohl gefühlt, in Deutschland zu arbeiten. Manchmal gab es Selbstzweifel. Aber es war nicht so, dass ich deprimiert zu Hause gesessen bin und gesagt habe, es kommt nichts mehr und ich muss mich anders ausrichten.
Sie haben in Stuttgart gearbeitet, auf Schalke oder in Köln. Sie kennen die großen Traditionsvereine der Bundesliga von innen. Wie nehmen Sie im Vergleich dazu den 1. FC Union wahr?
Hier bei Union Berlin ist es so, dass es kurze Wege gibt. Es ist klar strukturiert. Es gibt ein Präsidium mit einem Präsidenten, der den Verein seit 20 Jahren prägt, führt und Entscheidungen trifft zum Wohle des Vereins. Im Fußball ist es oftmals notwendig, schnelle Entscheidungen treffen zu müssen. Von heute auf morgen ergibt sich eine Situation, einen Spieler zu verpflichten oder einen Spieler zu verkaufen. Wenn man dann kurze Wege hat, ist das von Vorteil. Und das ist hier im Vergleich zu vielen anderen Vereinen, die ich erlebt habe, ein großer Unterschied.
Im Dezember werden Sie 55 Jahre alt. Können Sie sich vorstellen, bis zum Ende Ihrer Funktionärskarriere hier beim 1. FC Union zu arbeiten?
Natürlich kann ich mir das vorstellen. Aber da gehören mehrere Faktoren dazu. Ich muss meinen Job gut machen, das ist Priorität Nummer eins. Ich muss richtige Entscheidungen treffen. Es muss gut laufen, wir müssen uns sportlich weiterentwickeln und unsere eigenen gesteckten Ziele erreichen. Die Leute müssen mit meiner Arbeit zufrieden sein. Es geht gar nicht darum, wie viele Punkte wir haben, sondern die Identifikation mit dem Verein, mit dem, was der Verein vorhat, wie er sich sieht, was er noch für Projekte hat, das ist für mich spannend zu begleiten und mitzuverantworten.
Trotzdem bedeutet das, Sie leben in Berlin und Ihre Familie lebt in München. Wie organisieren Sie das als Familienvater?
Es ist immer eine Herausforderung und es wird auch eine bleiben. Aber wir haben diesen Weg gewählt, weil wir damit gute Erfahrungen gemacht haben. Fußball ist ein sehr schnelles Geschäft und man kann nie genau sagen, wie lange man an einem Standort ist. Priorität hat, dass die Familie sich wohlfühlt. Mein Sohn geht noch zur Schule, alle sechs Wochen sind Ferien und wir sehen uns regelmäßig. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht und deswegen ist es nur eine Sache der Organisation.
Sie haben es skizziert, morgens geht der erste Blick aufs Handy. Wie schaffen Sie es abzuschalten?
Ich habe eine längere Zeit abschalten können, denn ich war drei Jahre lang nicht mehr in dem Job tätig. Das heißt, ich bin ausgeruht, bin voller Energie. Der Job ist intensiv, aber dadurch, dass er so viel Spaß macht, ist das für mich nicht belastend. Ich brauche nicht viele Tage, um meine Energie wieder aufzuladen. Ich gehe mit den Problemen ins Bett, wache am nächsten Morgen auf und habe dann eine Lösung. Warum das so ist, kann ich nicht sagen. Manchmal schaue ich mal nicht aufs Handy, lasse mich berieseln oder schlafe mal aus – das sind Kleinigkeiten, die man schätzen lernt. Und die helfen mir runterzukommen.
Wir haben gehört, Sie malen. Stimmt das?
Das stimmt. Das war so eine Phase in meinem Leben, weil mir das geholfen hat. Ich habe das "abstrakte Scheiße" genannt, weil ich Sachen mit verschiedenen Farben so vor mich hingemalt habe. Das war noch in meiner Zeit als Spieler. Damals habe ich ungefähr 30, 40 Bilder gemalt. Ich hatte sogar eine Ausstellung in Frankfurt. Nach Niederlagen waren meine Bilder meistens interessant und gut, nach Siegen waren sie es nicht. Ich habe damals mit Öl gemalt und verschiedene Techniken ausprobiert. Aber so abrupt wie ich angefangen habe, habe ich auch aufgehört. Bei dem einen oder anderen Freund hängt noch ein Bild in der Wohnung. Sie haben sie immerhin nicht weggeschmissen (lacht).
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Tabea Kunze, rbb-Sportredaktion.
Sendung: rbb24 Inforadio, 12.11.2024, 11:15 Uhr