Hertha verliert gegen Kaiserslautern Pokal-Viertelfinale: Kein Märchen, aber vielleicht ein Happy End
Herthas Enttäuschung über das Aus im DFB-Pokal schien zunächst noch größer als die Kulisse dieses besonderen Abends. Dabei lieferte das Spiel auch wichtige Erkenntnisse. Und Hoffnung auf großen Trost.
Als Fabian Reese, Flügelstürmer und Hoffnungsträger in Diensten von Hertha BSC, unmittelbar nach dem Schlusspfiff des DFB-Pokal-Viertelfinals gegen den 1. FC Kaiserslautern wie ein zum Trocknen gelegtes Handtuch über einer Werbebande hing, war klar: Es wird wieder nix mit einem Pokalsieg oder wenigstens dem Endspiel im eigenen Stadion. Und: Fußball-Märchen gehen nicht in Erfüllung, nur weil sie so schön hätten sein können.
Dabei war alles angerichtet. Ein Gegner mit klangvollem Namen, aber scheinbar schlagbar. Das Stadion ausverkauft und auch dank einer bezaubernden Choreo maximal stimmungsvoll belebt. "Wir Herthaner" war über das halbe Stadionrund zu lesen. Eine Reminiszenz an den verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein. Wegen dem überhaupt noch einmal die große Geige über diesem Abend hing.
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Seine längst ikonische Trainingsjacke als Mahnmal in der Kabine der Spieler. Dazu die Wortmeldung seiner Witwe, die sich für die Anteilnahme der vergangenen Wochen bedankte und zugleich darum bat, das Erbe ihres Mannes nun aber auch wirklich mit Leben zu füllen. Der "Berliner Weg", er soll weiter gehen. Ein Weg der, und das ist fast schon zynisch, sich erst mit dem plötzlichen Tod Bernsteins so richtig klar vor dem Verein und seinen Mitgliedern zu erkennen geben scheint.
"Man hätte das Stadion anzünden können"
"Heute heißt es erstmal: Sieg! Und somit Kays und unserem Traum vom Pokal ein Stück näherkommen! Ihr seid da, ich bin da", schloss Eileen Bernstein-Rose. Alles bereit also für ein Märchen. Oder wie es Fabian Reese nach dem Spiel sagte: "Man hätte das Stadion anzünden und die ganze Stadt mitnehmen können." Hätte. Doch es kam anders, sehr zu Reeses Leidwesen: "Es war eine große Chance. Und manchmal hat man die Chance, etwas Besonderes zu erreichen, nur ein-, zweimal im Leben. Heute war eine. Und wir haben sie leichtfertig vergeben. Ich wollte das Spiel unbedingt gewinnen. Für Kay, für die Fans, für die Stadt."
Man habe die Zweikämpfe nicht angenommen in den ersten 45 Minuten, so Reese weiter und den Matchplan nicht konsequent umgesetzt. Und spätestens da muss man dann doch einmal widersprechen. Denn Hertha kam sehr wohl mit sichtbarem Elan ins Spiel und setzte sich in den Zweikämpfen durchaus ordentlich zur Wehr. So sprach die Quote der gewonnenen, direkten Duelle schon in der ersten Halbzeit von leichten Vorteilen für die Berliner.
Allerdings gewann Kaiserslautern viele der entscheidenden Duelle und das auch, weil sie es einfach sehr, sehr gut machten. Allen voran Abwehrchef Boris Tomiak und sein Vordermann, der Sechser Julian Niehues, legten ein herausragendes Spiel hin. Und dann war da noch Tomiaks Nebenmann Jan Elvedi, der die Gäste bereits in der fünften Minute und nach einem Freistoß mit anschließendem Flipper rund um den Strafraum in Führung brachte.
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Viel Wille, wenig Esprit
Märchen haben häufig Bösewichter. Dazu jedoch taugte Kaiserslautern mit einer blitzsauberen Leistung keinesfalls. Eher gaben die Pfälzer den Spielverderber. Und das mit einer fast schon bewundernswerten Konsequenz. Womöglich machte es ihnen die Hertha zu einfach. Das Offensiv-Spiel der Berliner wirkte statisch. Es gab wenig Positionswechsel, selten einmal tauschten Spieler die Positionen oder kreuzten, um die Lauterer Ordnung vor größere Probleme zu stellen. Womöglich aber, die Antwort wird Hertha-Trainer Pal Dardai noch geben müssen, war genau das der Matchplan für dieses Spiel. Dardai hatte überraschend auf Dreierkette umgestellt und damit Kaiserslauterns System nahezu gespiegelt. Womöglich sollte es so zu vielen 1:1-Situationen kommen auf dem Platz. In der Hoffnung, dann durch eine vermeintlich höhere individuelle Qualität das bessere Ende für sich zu haben.
Stattdessen aber verrannten sich Herthas Spieler gegen einen aufmerksamen Gegner immer wieder in sinnlosen Einzelaktionen, denen häufig doch auch mangelnde Klasse anzusehen war. Insbesondere der wie immer stets bemühte Haris Tabakovic offenbarte vor allem in der Ballannahme und Ballmitnahme wiederholt eklatante Schwächen. Aber auch sonst galt: Viel Wille, wenig Esprit. Und genau davon hätte es nach dem frühen Rückstand einiges gebraucht. Hertha wirkte wie eine Mannschaft, die den Schlüssel zur Lösung des Problems in den eigenen Reihen wähnte, nur von Minute zu Minute ungehaltener darüber wurde, ihn nicht sofort finden zu können.
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Stecker gezogen
Mit Beginn der zweiten Halbzeit schien das Momentum noch einmal zu kippen, schien das Märchen sich noch nicht aufgegeben zu haben. Mit der Einwechselung von Fabian Reese veränderte sich nicht nur die Statik im Spiel der Hertha, die nun wieder mit Viererkette agierte. Sondern vor allem auch die Dynamik. Es ist nahezu grotesk, welche andere Energie dieser Fabian Reese auf den Platz und in seine Mannschaft bringt. Doch am Ende fehlte auch ihm die Präzision und Effektivität, die Lautern an diesem Abend und ganz im Gegensatz so sehr auszeichnete. Spätestens mit dem 0:3 in der 69. Minute dann war der Stecker gezogen, nachdem zuvor zumindest schon das Licht geflackert hatte. Gegen den Energie-Verlust dieses Treffers, auf dem Rasen und auf den Rängen, war selbst Fabian Reese machtlos.
So wurde aus einem Abend, der ein Kapitel in einem Märchen hätten werden sollen, einfach nur ein weiteres Kapitel in der schier endlosen Geschichte von Herthas Pokal-Pleiten. Und trotzdem sangen die Fans nach Abpfiff geschlossen ihre Hymne. Als Fabian Reese wie ein zum Trocknen gelegtes Handtuch über einer Werbebande hing. Vielleicht weil sie ahnen, dass ihr Verein gerade dabei ist an einem Happy End zu schreiben, auch ohne in einem Märchen zu leben.
Sendung: Antenne Brandenburg, 01.02.2024, 6:00 Uhr