
buten un binnen Bremerin bei Wüsten-Ultramarathon: "Dachte, ich muss mehr leiden"
Birte Bernhardt läuft aus Leidenschaft. Beim legendären Etappenrennen in Marokko über 250 Kilometer ist das Leiden zwar groß, aber die Lust auf Abenteuer noch größer.
Die Nacht auf Dienstag war extrem kurz für Birte Bernhardt, nur fünf Stunden Schlaf bekam sie nach ihrer Rückreise aus Marokko und schon saß die Leichtathletik-Trainerin direkt wieder an ihrem Schreibtisch bei Werder Bremen.
2. Etappe: 40 Kilometer
3. Etappe: 32,5 Kilometer
4. Etappe: 82,2 Kilometer
5. Etappe: 42,2 Kilometer
6. Etappe: 21,1 Kilometer
"Im Vergleich zur Wüste ist das jetzt nicht extrem", erzählt die 52-Jährige im Gespräch mit buten un binnen, "da habe ich fast gar nicht geschlafen."
Bernhardt ist Läuferin aus Leidenschaft, hat schon 70 Marathons und 20 Ultra-Marathons in den Beinen, doch in den vergangenen zehn Tagen ist die Bremerin beim legendären Wüsten-Rennen in Marokko an ihre körperlichen und mentalen Grenzen gestoßen. In sieben Tagen ging es in sechs Etappen von insgesamt 250 Kilometern quer durch die Sahara beim "Marathon des Sables".
Es war ein intensives Erlebnis. Für mich ist es jetzt von meiner Bucketlist gestrichen. Nochmal mache ich wohl nicht mit.
(Birte Bernhardt bei buten un binnen)
"Jedes Gramm Gepäck zählt"

Die deutschen Teilnehmerinnen Janina Thünemann (von links nach rechts), Tanja Spiekermann und Birte Bernhardt mit dem Kamel, das als "Besenwagen" beim Marathon fungiert.
Kein Wunder, dass es von den Veranstaltern als "größtes Abenteuer eures Lebens" verkauft wird – dieser extremen Herausforderung gegen sich selbst und die Natur stellen sich viele nur einmal in ihrem Leben.
666 Männer wollten es in diesem Jahr wissen. Bernhardt hat sich als eine von 181 Frauen in dieses Abenteuer gestürzt. Neben ihr waren ihre ehemalige Klubkollegin Tanja Spiekermann und die Oldenburgerin Janina Thünemann als einzige Deutsche in der Wüste dabei.
Kilometerweit kämpfte sich Bernhardt täglich durch den eigentlich ungeliebten Sand, über Felsgestein, durch ausgetrocknete Flussbetten und das bei brennender Hitze von 40 Grad und einer besonderen Tücke: Bei diesem Etappen-Marathon sind alle Selbstversorger und müssen mit Rucksack laufen.
Jedes Gramm zählt. Man macht eine Packliste und überlegt: Wo kann ich ein Gramm einsparen? Aus der Unterwäsche schneidet man die Etiketten raus, das Klopapier habe ich abgewogen.
(Birte Bernhardt bei buten un binnen)
Im offenen Zelt zu acht über Nacht

Spartanische Zelte, die sich die Läuferinnen und Läufer zu acht teilen. Schutz vor den Sandstürmen bieten sie nicht.
Die Veranstalter stellen lediglich das tägliche Wasser, dazu einen alten Teppich mit einer Kamelhaardecke, die auf zwei Stöcken als Dach für das offene Zelt fungiert, das man sich zu acht teilt. Alles andere muss in den Rucksack: Essen, Ausrüstung, Schlafsack, Isomatte, Klamotten, Klopapier.
"Man muss mindestens 6,5 Kilogramm Gepäck dabei haben und 2.000 Kalorien pro Tag an Essen", erklärt Bernhardt: "Damit kam ich beim Training aber nicht hin und habe 3.000 Kalorien gepackt." Allein vier Kilogramm wog ihre Treckingnahrung beim Start, fast acht Kilo schleppte sie anfangs insgesamt mit.
Man kann es sich so vorstellen: 20 Kilometer in der Wüste sind wie 30 Kilometer um den Werdersee laufen.
(Birte Bernhardt bei buten un binnen)
"45 Minuten in der Sauna haben geholfen"

Die Bremer Läuferin Birte Bernhardt kam beim Wüstenrennen in Marokko, dem "Marathon des Sables" auf den 35. von 181 Plätzen.
Gut ein halbes Jahr hatte sich Bernhardt in Bremen auf das Wüstenabenteuer vorbereitet und intensive Testwochenenden absolviert. Mit Rucksack, mit wenig Kalorien und mit Hitze. "Ich bin auch für 45 Minuten in die Sauna gegangen, das scheint geholfen zu haben, denn die Hitze hat mir doch nicht so viel ausgemacht, wie ich dachte."
Bernhardt versuchte bei den Etappen im vorderen Drittel mitzulaufen, damit sie nicht zu lange in der größten Mittagsonne ausharren musste. "Ich hatte ein bisschen Angst, weil ich ein großes Kämpferherz habe und nicht aufgebe", sagte Bernhardt: "Aber mit der Hitze weiß man nie. Wenn ich bewusstlos mit Tropf im Medizin-Zelt aufgewacht wäre, hätte ich aufgehört."
Magenprobleme auf der Königsetappe

Wüsten-Toilette natürlich ohne Wasserspülung: Benutzt wurden Tüten.
Doch sie hielt durch. Auch auf der Königsetappe über 82,2 Kilometer. Dabei war ihr da ein gravierender Fehler passiert, der sie fast zur Aufgabe gezwungen hätte. "Bei mir stand es auf der Kippe. Bei einem der Wassercheckpoints habe ich mich vergriffen und hatte plötzlich statt einer Wasser- und einer Kohlehydrateflasche zwei Kohlehydrateflaschen in der Hand." Ohne Wasser für gut zehn Kilometer Wüstenstrecke, das konnte nicht gut gehen.
"Ich hätte umdrehen müssen, bin aber weitergelaufen und habe nach 45 Kilometern heftige Magenprobleme bekommen", erzählt Bernhardt. Nach 55 Kilometern musste sie ins Medizin-Zelt, doch aufgeben kam nicht infrage. Auch das Kamel, das wie der "Besenwagen" fungierte, trottete nicht an Bernhardt vorbei und hätte ihr Rennen damit beendet. "Ich habe mich noch zehn Kilometer durchgequält, bis es besser wurde." 14 Liter Wasser trank sie auf der Königsetappe, verlangte Körper und Geist alles ab. Doch dafür läuft sie, um ihre Grenzen auszutesten.
Manche haben zu mir gesagt: 'Du bist bescheuert. Für das viele Geld könntest du in die Karibik fliegen.'
(Birte Bernhardt bei buten un binnen)
Ein paar Gramm M&Ms zur Belohnung

Stilles Örtchen in der Wüste: Zumindest mit Planen voneinander getrennt und für Frauen und Männer mit eigenen Toiletten.
Wer bei diesem extremen Wüsten-Marathon mitmacht, muss es wollen. Die Teilnahme ist nicht nur sehr teuer, sie tut auch höllisch weh. Dazu der Schlafmangel in den offenen Gruppenzelten bei mitunter nur fünf Grad nachts. "Man merkt das, der Schlaf ist schlecht, der Sand weht rein. Meine Isomatte hatte ich kleiner geschnitten wegen des Gewichts und dann das wenige Essen, das war hart", sagt Bernhardt.
Ein paar kleine Gramm hatte sie bei all der Tortur aber doch in ihrem Rucksack reserviert: "Ich hatte ein paar M&Ms zur Belohnung dabei", gab sie zu. Und die schmelzen nicht in der Sonne. Bei einer Woche Müsli mit Wasser zum Frühstück muss man sich eben irgendwie bei Laune halten. Wirklich überall hing der Sand, in den Haaren, den Klamotten, die man seit einer Woche trug.
Zwischen Beinbruch und Herzinfakt
Nicht schön, aber andere Läuferinnen und Läufer hatte das Wüsten-Abenteuer heftiger mitgenommen. "Andere hatten offene Füße und offene Stellen am Rücken, manche sind hart gestürzt, einer hat sich das Bein gebrochen, einer hatte einen Herzinfarkt", erzählt Bernhardt, die nach 39:01:50 Stunden als 35. das Ziel erreichte. Erschöpft, aber stolz, es zu Ende gebracht zu haben.
Ich dachte, dass ich mehr leiden muss. Aber ich bin total dankbar, dass ich im Vergleich zu anderen relativ gut weggekommen bin. Ich hatte nur zwei kleine Blasen.
(Birte Bernhardt bei buten un binnen)
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Dieses Thema im Programm:
Bremen Vier, Der Nachmittag, 16. April 2025, 15:35 Uhr