NDR-Sport 70 Jahre Ostseestadion: Hansa Rostock feiert seine Heimspielstätte
70 Jahre Ostseestadion: Die Heimspielstätte des FC Hansa Rostock war seit der Eröffnung am 27. Juni 1954 Schauplatz zahlreicher denkwürdiger Momente: Titelfeiern, Auf- und Abstiege und selbst ein Europapokalduell mit dem FC Barcelona fanden dort statt. Und es hat sich im Laufe der Zeit ganz schön verändert.
Das Highlight zu den Feierlichkeiten rund um das Jubiläum steigt erst einen Monat nach dem Geburtstag: Der zweimalige italienische Meister und siebenmalige Coppa-Italia-Gewinner Lazio Rom kommt am 27. Juli (15 Uhr) ins Ostseestadion. Die Partie gegen den Siebten in der abgelaufenen Saison der Serie A ist auf Wunsch des gemeinsamen Ausrüsters zustande gekommen. Dass die Wahl auf einen italienischen Club gefallen ist, passt aber auch recht gut in den historischen Kontext.
Schließlich waren in einer sportlich sehr erfolgreichen Zeit der Hanseaten zweimal Vereine aus dem Süden Europas Gegner im Europapokal: Im November 1968 gelang vor 20.000 Zuschauern im Messe-Pokal ein 3:2 gegen AC Florenz, ein Jahr später im selben Wettbewerb vor sogar 30.000 Besuchern ein 2:1 gegen Inter Mailand. Beide Begegnungen mussten damals übrigens um 14 Uhr angepfiffen werden, weil die Flutlichtanlage noch nicht fertiggestellt war.
Rostocker Bevölkerung baut Ostseestadion mit auf
An Gegner von solchem Rang und Namen dürften vermutlich nicht allzu viele unter den Tausenden von Menschen gedacht haben, die von 1953 bis 1956 beim Bau des Ostseestadions mithalfen.
Aufgrund geringer finanzieller Mittel hatte das Nationale Aufbauwerk die Rostocker Bevölkerung um Unterstützung gebeten, in Form von freiwilliger Arbeit und Spenden. Der Plan ging auf: Durch über 230.000 freiwillig geleistete Arbeitsstunden konnten knapp 930.000 DDR-Mark eingespart werden. Ein Gedenkstein vor dem Eingang Nord der heutigen Arena weist auf diese Leistung hin.
Leinwand im Ostseestadion zur Entstehung.
Geplant wurde der Bau des Ostseestadions schon bald nach Gründung der DDR (7. Oktober 1949). Es sollte auf Geheiß der SED in Rostock eine Fußballmannschaft für die oberen Ligen etabliert werden. Und dafür brauchte es ein neues Stadion - das in unmittelbarer Nähe dazu liegende, in den Zwanzigern erbaute Volksstadion reichte dafür nicht aus.
27. Juni 1954: Drei Spiele zur Eröffnung des Ostseestadions
Feierlich eröffnet wurde das anfänglich 18.000 Zuschauern Platz bietende, noch unfertige Ostseestadion am 27. Juni 1954 durch eine Dreierveranstaltung: mit dem Endspiel um die Jugendfußballmeisterschaft der DDR zwischen Einheit Schwerin und Chemie Zeitz (1:3), einer internationalen Fußballbegegnung des DDR-Nachwuchses gegen den ungarischen Erstligisten Vasas Győr (0:2) sowie einer Juniorenpartie zwischen Stahl Helbra und Wismut Neuwürschnitz (4:0).
Am 14. November 1954 feierte schließlich der neugegründete SC Empor Rostock mit einem 0:0 gegen die BSG Chemie Karl-Marx-Stadt seine Premiere im vollbesetzten Ostseestadion, das in den Folgejahren um ein Tribünendach (1968) und eine Flutlichtanlage (1970) erweitert wurde.
Das alte Tor der früheren Arena vor dem Ostseestadion.
Mit dem Beginn der Rückrunde 1965/1966 absolvierte der FC Hansa Rostock seine ersten Heimspiele im Ostseestadion - der FCH war am 28. Dezember 1965 aus dem SC Empor Rostock ausgegliedert worden.
Nach DDR-Meisterschaft: Bundesliga-Topteams kommen
Eineinhalb Jahre nach dem Mauerfall stieg im Ostseestadion eine Riesenparty des FC Hansa - trotz einer 1:4-Niederlage im letzten Saisonspiel gegen den 1. FC Lokomotive Leipzig. Unter Trainer Uwe Reinders gelang den Mecklenburgern der Gewinn der letzten DDR-Meisterschaft, durch die sie sich für die gesamtdeutsche Bundesliga qualifizierten.
Es war die einzige DDR-Meisterschaft des FCH, der mit dem Gewinn des NOFV-Pokals auch noch das Double schaffte - es war das Wunder von Rostock. Damit reisten in der Folgesaison erstmals Bayern München, Borussia Dortmund, Werder Bremen oder der HSV zu Punktspielen in die Ostseestadt.
Hansa siegt im Ostseestadion gegen den FC Barcelona
Auch einer der erfolgreichsten Vereine der Welt - der FC Barcelona - war zu Gast. Am 2. Oktober 1991 gab sich der ruhmreiche Club aus Katalonien im Europapokal der Landesmeister im 25.577 Plätze bietenden Ostseestadion die Ehre - vor allerdings gerade einmal 8.500 Zuschauenden. Schuld daran war eine komplett überdrehte Preispolitik der damaligen Vereinsführung: Für Eintrittskarten sollten die Fans 40 bis 100 Mark berappen. Das war vielen Menschen in der Nachwendezeit schlichtweg zu viel.
Selbst eine kurzfristig am Spieltag verkündete Halbierung der Preise half nichts mehr. Vermutlich trug aber auch die 0:3-Niederlage im Hinspiel einen Teil zum geringen Interesse bei.
Alle, die nicht ins Ostseestadion kamen, verpassten einen historischen Erfolg. Hansa siegte durch ein Tor von Michael Spies mit 1:0 gegen das von Johan Cruyff trainierte Starensemble mit Spielern wie Ronald Koeman, Pep Guardiola, Michael Laudrup oder Hristo Stoitschkow.
Zur Jahrtausendwende komplette Erneuerung
Einhergehend mit dem sportlichen Erfolg der Mecklenburger, die insgesamt zwölf Jahre der Bundesliga angehörten, veränderte sich auch das Ostseestadion - und das zur Jahrtausendwende radikal. Von April 2000 bis Juni 2001 entstand ein reines Fußballstadion mit einer Kapazität von bis zu 29.000 Zuschauern, darunter 20.000 Sitzplätze einschließlich 1.000 Business-Seats und 9.000 Stehplätze.
Zudem gibt es 26 individuell eingerichtete VIP-Logen und einen Business-Bereich mit über 1.200 Quadratmetern Nutzfläche. Außerdem dient das Ostseestadion, das vom Sommer 2007 an für acht Jahre den Namen eines Finanzdienstleiters trug, heute als Geschäftsstelle.
Das Stadion ist aber weit mehr als ausschließlich die Bühne für die Fußballprofis des FCH, für die es nach dem Zweitliga-Abstieg unter dem neuen Trainer Bernd Hollerbach künftig um Punkte für die Drittliga-Tabelle gehen wird, oder punktuell für Nationalmannschaften (achtmal DDR, jeweils zweimal DFB-Männer und -Frauen).
Mehr als nur Fußball: Konzerte und Camping im Stadion
Unter anderem fanden dort schon Konzerte von Tina Turner, Modern Talking, Helene Fischer, Peter Maffay oder - am vergangenen Sonnabend - Roland Kaiser statt. Seit 2019 gibt es das gemeinschaftliche Weihnachtssingen. Und vor sieben Jahren gab es im Ostseestadion sogar ein Familien-Camping. Annähernd 100 kleine und große Hansa-Fans schlugen damals auf dem Rasen ihre Zelte auf.
Die nächsten Veränderungen am Ostseestadion sind bereits geplant. So steht vor allem der Neubau der Flutlichtanlange an. Die Hansa-Mitglieder stimmten mehrheitlich für einen 1:1-Nachbau der aktuellen Flutlichtmasten. Mittelfristig sind auch die Erneuerung der Tribünensitze und der Austausch der Sound-Anlage vorgesehen.
Das aber alles erst nach den Feierlichkeiten zum 70. Jubiläum des Ostseestadions, das am 27. Juni 1954 mit einer Dreierveranstaltung eröffnet wurde und das sich im Laufe der Zeit doch ziemlich verändert hat.
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Nordmagazin | 27.06.2024 | 19:30 Uhr