
DHB-Pokal MT Melsungen - Schmerztherapie wird die schwerste Aufgabe
Melsungen verliert zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren das Handball-Pokalfinale. Auf dem Feld wirken die Spieler an-, in den Katakomben komplett niedergeschlagen. Die Furcht besteht, dass die Niederlage gegen Kiel einen Knacks im Titelrennen gibt.
Nebojsa Simic machte es am Sonntag wie Oliver Kahn. Als es vorbei war, kauerte er minutenlang am Pfosten. Die Arme stützte er auf die Knie, das Gesicht vergrub er darunter. Seine Melsunger hatten mit 23:28 im Pokalfinale gegen den THW Kiel verloren. An Simic hatte es wahrlich nicht gelegen, dass die MT das zweite Finale nacheinander und das dritte innerhalb von vier Jahren verlor. Der Montenegriner stand am Ende bei 13 Paraden und hielt seine Mannschaft lange im Spiel. Dabei hatte auch er unter der Woche mit einer Blessur zu kämpfen gehabt und war mit getapetem Finger in das Finalwochenende gegangen.
Doch so gut Simic auch hielt, sein Gegenüber, Kiels Andreas Wolff, setzte immer noch einen drauf. Wolff parierte gleich 16 Würfe, auch einige "freie" wehrte er ab und einige hielt er sogar fest - die Höchststrafe und das endgültige Kryptonit für die MT. "Endspiele werden über Weltklasseleistungen entschieden, so eine hat Andi geliefert", sagte MT-Sportvorstand Michael Allendorf nach dem Finale. Doch es war eben nicht Wolff allein, der mit all seiner Erfahrung in diesem Endspiel über sich hinauswuchs. Auch der Mittelblock der Kieler um Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler, der unzählige entscheidende Handball-Schlachten zusammen geschlagen hatte, war schlichtweg wieder einmal da, als es darauf ankam.
Kristopans und Simic gehen angeschlagen ins Finale
Auf eine solche Bereitschaft und Extraklasse in der Crunch Time konnte Melsungen an diesem Tag nicht zurückgreifen. Das Tempo, das gebundene Spiel, auch zeitweise das Spiel über außen hatten nicht das Niveau der Melsunger Bundesligaleistungen. Vieles kam auf Elvar Örn Jonsson an, der Rest zauderte in der Offensive. "Wir haben nicht unser Leistungsvermögen abgerufen, sonst hätten wir heute gewonnen", sagte Kreisläufer Adrian Sipos unumwunden. Sinnbild dafür: Rückraumspieler Dainis Kristopans plagte sich mit einer Achillessehnenverletzung, auch er hatte in der Vorbereitung nicht richtig trainieren können. Die Verletzung war ihm im kompletten Spiel anzumerken gewesen.
Sein kongenialer Partner Erik Balenciaga wurde mit aller Härte von den Kielern an seiner Regiearbeit gestört. Dem Spanier unterliefen prompt ungewohnt viele technische Spieler, am Spielfeldrand haderte er mit Trainer Roberto Garcia Parrondo. Erst gegen Ende des Spiels lieferte Balenciaga wieder seine unnachahmlichen Finten und Pässe. Doch da war es schon zu spät. "Ich habe damit gerechnet, dass ich in diese Zweikämpfe verwickelt werden würde. Wir haben alle Nerven gezeigt und uns erst in der zweiten Halbzeit mehr Würfe genommen", analysierte Balenciaga hinterher. Er wirkte aufgeräumter als seine Kollegen; die meisten hatten schnell mit gesenktem Kopf den Gang in die Kabine angetreten. "Wir sollten nicht vergessen, dass wir in der Liga und im Europapokal noch alle Möglichkeiten haben", beschwor er.
Zwei Chancen bleiben noch
Die MT hat die historische Chance auf den ersten Titel der Vereinsgeschichte wieder verpasst. Zur Wahrheit gehört aber auch: Sie hat immer noch zwei Optionen in der Meisterschaft und im Europapokal. Balenciaga traf zwar einen Kern, ebenso wie sein Trainer, der noch einmal den Stolz auf sein Team betonte. Doch als die Melsunger da auf dem Podest standen und in die Kameras als Vize lächeln sollten, wirkten sie, als würde diese Silbermedaille wie Blei um den Hals hängen.
Der größte Schritt im Handball sei es, so zitierte Vorstand Allendorf die Ansprache des Trainers hinterher, diese knappen Niederlagen in einen knappen Sieg zu verwandeln. Allendorf hatte schon auf der Platte der Reihe nach die niedergeschlagenen Spieler in die Arme geschlossen und ihnen Mut zugesprochen. "Diese Niederlage schmerzt mehr als jene vor einem Jahr. Mir tut es für jeden in der Mannschaft leid", sagte Allendorf in der Pressekonferenz.
Auch der Einpeitscher wütet
Wer sich in der Kölner Arena nach diesem Finale umsah, erkannte sehr viele niedergeschlagene Melsunger. Sie stehen jetzt vor der größten Herausforderung in diesem Jahr. Diesmal müssen sie sich nicht (nur) von Verletzungen erholen, sondern von einem mentalen Tiefschlag. Sipos antwortete knapp auf die Frage, ob diese Niederlage einen Rückschlag für den Rest der Saison bedeuten könnte: "Ja, natürlich." Das war es.
Der Einpeitscher schlechthin, Torwart Simic, musste sich in der Mixed Zone an einem Poller festhalten, seine Wangen war noch immer feucht, sein Gesicht fahl. "Wir haben alles gegeben, aber die Erfahrung hat den Unterschied gemacht", führte er aus. Er wollte eigentlich auch nur noch in die Kabine. Auf dem Weg dahin wurde ihm aber mitgeteilt, dass er zur Dopingprobe ausgelost worden sei. Simic bekam einen Wutanfall und schimpfte drauflos. Es war alles in allem einfach zu viel für den Torwart an diesem Sonntag in Köln.