Kapitän der MT Melsungen vor Handball-WM Timo Kastening und die schwierige Rolle des erfahrenen "Neuen"
Mit der MT Melsungen eilt er von Sieg zu Sieg. Doch vor der Handball-WM muss Rechtsaußen Timo Kastening um seinen Platz kämpfen. Allerdings sprechen mehrere Punkte gerade für ihn.
Timo Kastening ist erst 29 Jahre alt und trotzdem hat der Kapitän der MT Melsungen bei der deutschen Handball-Nationalmannschaft schon allerhand Rollen eingenommen. "Vom Shootingstar über einen gesetzten Stammspieler bis zum Olympia-Aus habe ich alles miterlebt", sagte Kastening am Dienstag in einer Medienrunde. "Ich möchte spielen, ich möchte dabei sein. Doch ich nehme jeden Job an, egal ob auf der Platte, der Bank, der Tribüne - oder wenn ich nach Hause fahren muss." Auch diese Möglichkeit bestünde, schließlich dezimiert der Bundestrainer Alfred Gislason sein Aufgebot vor dem Start noch einmal. Mit Blick auf die anstehende WM ist Kastenings Situation durchaus vertrackt.
Zum einen reist er wohl mit der breitesten Brust von allen an. Kastening ist Kapitän des überraschenden Hinrundenmeisters MT Melsungen, befand sich selbst in blendender Verfassung. Er blickt auf 59 Länderspiele zurück, war schon bei drei Europameisterschaften und einmal bei den Olympischen Spielen dabei. Gleichzeitig verlief das Jahr 2024 im Nationalteam für ihn aber mehr als durchwachsen. Bei der Heim-EM kam er - auch krankheitsbedingt - nicht an sein Limit, wurde in der Folge erst nicht mehr nominiert und dann auch nicht für die Olympischen Spiele berücksichtigt. Er sagt: "Natürlich bin ich neu dabei, ich weiß auch, dass die Jungs bei Olympia einen überragenden Job gemacht haben."
Große Konkurrenz auf der Position
Deutschland holte ohne ihn die Silbermedaille und sich eine große Portion Selbstbewusstsein. "Olympia hat die Mannschaft zusammengeschweißt, das merkt man in der Taktik, im Training oder auch beim Essen", sagt Kastening nun. Jene Spieler, die in Frankeich dabei waren, dürften also den Olympia-Nimbus haben. Und: Auf Rechtsaußen hat Kastening nicht nur Konkurrenz durch den "reinen" Rechtsaußen Lukas Zerbe, sondern auch durch Christoph Steinert. Der Allrounder kann sowohl Rechtsaußen, aber auch die Halbposition bekleiden und somit in der Defensive dem Shootingstar Renars Uscins den Rücken freihalten. Trainer Gislason schätzt Steinerts Wert für die Mannschaft hoch ein, das machte er unlängst noch einmal deutlich.
Zwei Testspiele stehen vor dem Turnier noch an: Die deutsche Auswahl trifft am Donnerstag (in Flensburg) und am Samstag (in Hamburg) jeweils auf Brasilien. Kastening will dabei nicht zu sehr grübeln, welche Bedeutung die Freundschaftsspiele für ihn persönlich haben könnten: "Ich will nicht darüber nachdenken, ob ich nominiert werde oder nicht. Ich will meinen besten Handball spielen und alles andere wird man sehen." Es gehe nicht um einen Fehlwurf, sondern darum, was ein Spieler der Mannschaft geben kann.
Statitsik spricht für Kastening
Neben Form und Erfahrung spricht auch die Statistik aus der Bundesliga-Hinrunde für Kastening: Bei 57 Toren und 6 Assists liegt er in der Liga vor seinem Konkurrenten Zerbe (46-2). Allein Kastenings Quote bei Siebenmetern (64 %) verschlechterte sich. Eine Paradedisziplin des Melsungers sind die Steals - mit deren elf liegt er an dritter Stelle von allen Spielern der Liga.
Auf das Klima auswirken dürfte sich der Konkurrenzkampf um das WM-Ticket nicht, da ist sich Kastening sicher: "Bei uns gibt es keine Neidkultur. Wie überall, ob im Büro oder im Sport, gibt es natürlich Grüppchen, die auch mal zusammen einen Kaffee trinken gehen. Aber ich würde das bei uns als eine positive Grüppchenkultur bezeichnen", so der Melsunger. Einen besonderen Draht hat er naturgemäß zu Johannes Golla, mit dem er sich bei vergangenen Turnieren das Zimmer teilte. Kapitän Golla gab unlängst seine Rückkehr zu Kastenings MT bekannt.
Melsunger tritt bei Erwartungen auf die Bremse
Kastening schwärmt vom Teamspirit in der Nationalmannschaft, bremst aber auch die Erwartungen. Das Team habe nun einen Kern, der sich immer wieder trifft und aufeinander abgestimmt ist. "Innerhalb der Mannschaft haben wir Weltmeister-Potenzial. Aber es ist immer noch eine Entwicklungsfrage." Momentan würde die Mannschaft von zehn Spielen gegen Dänemark acht verlieren. Erst bei einem ausgeglichenen Verhältnis könne man über "Gold-Anspruchsdenken" reden. "Davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt." Immerhin die Rolle als Mahner bei großen Erwartungen kennt Kastening gerade von der MT Melsungen.