"Viktorka" vom Fahrstuhlklub zum Meister Eintracht-Gegner Viktoria Pilsen - acht Namen und 100 Jahre Wartezeit
Mit Viktoria Pilsen trifft Eintracht Frankfurt in der Europa League auf einen ehemaligen Fahrstuhlclub. Aber Vorsicht: Seit der Verein im 100. Jubiläumsjahr die erste Meisterschaft holte, läuft es bei den Tschechen.
Eintracht Frankfurt trifft zum Auftakt der Europa-League-Saison am Donnerstag um 21 Uhr (live im hr-iNFO-Audiostream) auf Viktoria Pilsen. Was macht den Verein aus Tschechien aus?
Der Verein
Was auch immer man von Viktoria Pilsen hält, ein Sinn für Timing ist dem Club aus Westböhmen nicht abzusprechen. Ein volles Jahrhundert lang war Viktoria nämlich eher ein Fahrstuhlclub zwischen erster und zweiter Liga, bis heute stehen für den 1911 von einem Bahnarbeiter gegründeten Verein satte 29 Zweitligasaisons in der Vita. Abstiege waren bei der "Viktorka", so der Spitzname, also sehr viel gängiger als sportliche Höhepunkte. Die es in überschaubarer Anzahl aber auch gab: 1935 durfte man im Mitropa-Cup mitkicken, einem damaligen Europacup. Der erste Titel war der tschechische Pokal, den man nach zwei Unentschieden im Finale gegen Sparta Prag per Losverfahren gewann.
Besonders viel Glanz und Gloria gab es in der Geschichte des Klubs also nicht, wenngleich mit Pavel Nedved und Petr Cech zwei ehemalige Weltklassespieler bei der "Viktorka" ihre ersten fußballerischen Gehversuche machten. Das änderte sich rund um die Jahrtausendwende, als ein neuer Besitzer Stabilität in den Verein brachte. Mit dem Ergebnis, dass Viktoria Pilsen 2011, pünktlich zum 100. Jubiläum des Vereins, den ersten Meistertitel der Geschichte nach Pilsen holte.
Seither ist Pilsen ein Spitzenclub in Tschechien geblieben, holte fünf weitere Meisterschaften, die bislang letzte datiert aus dem Jahr 2022. Außerdem kommt der Verein mittlerweile auf vier Saisons in der Champions-League-Gruppenphase, wo den Tschechen aber recht deutlich die Grenzen aufgezeigt wurden. Dennoch gibt es seit gut 25 Jahren öfter mal Anlass zum Feiern in Pilsen. Wenn man den in der Bierhauptstadt Europas denn überhaupt braucht.
Der Star
Mit Leihgeschäften hat man ja bei Eintracht Frankfurt in der Vergangenheit ganz gute Erfahrungen gemacht, dem Gegner aus Pilsen geht das allerdings ganz ähnlich. Gleich viermal wurde Mittelfeldspieler Pavel Sulc in den vergangenen fünf Jahren verliehen, ehe er zur Saison 2023/24 zu Pilsen zurückkehrte.
Und einlöste, was er in 33 U-Länderspielen bereits versprochen hatte. Sulc ist Dreh- und Angelpunkt in der Offensive der Tschechen, steuerte in der Liga starke 15 Tore und fünf Vorlagen in der vergangenen Saison bei und feierte sein Debüt in der A-Nationalmannschaft. Ähnlich gut, wenn nicht besser, lässt sich diese Saison an, in acht Spielen traf Sulc bereits fünfmal. Im Kader Viktorias ist der 23-Jährige der mit Abstand wertvollste Spieler, es würde nicht wundern, sähe man ihn in naher Zukunft auch in einer europäischen Top-Liga.
Der Trainer
In Deutschland würde man jemanden wie Miroslav Koubek wohl ein "Kind der Bundesliga" nennen, ob es eine tschechische Entsprechung dazu gibt, ist leider unbekannt. In jedem Falle mischt Koubek seit den frühen Siebzigern im tschechischen Fußball mit, zunächst als Aktiver, der von 1971 bis 1982 zwischen den Pfosten von VTJ Slaný, Poldi Kladno und Sparta Prag stand, wo er auch Pokalsieger wurde.
1983 wechselte Koubek auf die Trainerbank und zählt seither satte 19 Stationen in seiner Vita, nur zwei davon – drei Saisons beim bayerischen Amateurverein 1. FC Amberg 1992 bis 1995 und ein Co-Trainer-Posten im chinesischen Tianjin 2008 – waren nicht in Tschechien. Bei Pilsen steht Koubek übrigens das dritte Mal an der Seitenlinie, dabei bekam der mittlerweile 73-Jährige die Wandlung des Clubs hautnah mit. Beim ersten Engagement 2001 konnte er den Abstieg nicht verhindern, beim zweiten 2014/15 wurde er Meister. Seit 2023 ist er wieder in Pilsen angestellt. Aktuell liegt er mit seinem Team auf dem dritten Tabellenplatz hinter Sparta und Slavia Prag. Jenen beiden Schwergewichte also, hinter denen Viktoria auch in der Vorsaison zurückstecken musste.
Und sonst so?
Kurios: Viktoria Pilsen hat in seiner Geschichte satte sieben Namenswechsel vollzogen. Aus SK Viktoria Pilsen wurde ZSJ Skoda Pilsen wurde ZSJ ZVIL Pilsen wurde DSO Spartak LZ Pilsen wurde TJ Spartak LZ Pilsen wurde TJ Skoda Pilsen wurde TJ SK Skoda Pilsen wurde 1992 schließlich der FC Viktoria Pilsen. Dort sitzt nun übrigens ein Spieler auf der Tribüne, der im Januar diesen Jahres um ein Haar in Frankfurt gelandet wäre: Rafiu Durosinmi.
Der Deal schien schon durch, platzte dann aber beim Medizincheck, und die Ärzte der Eintracht scheinen einen guten Job gemacht zu haben: Was damals vage als Knieprobleme in der Presse auftauchte, setzt Durosinmi noch immer außer Gefecht, der Stürmer hat seit Oktober letzten Jahres kein Spiel mehr absolviert. Ein neuer Stürmer kam im Januar dann trotzdem an den Main: ein gewisser Hugo Ekitiké. Kein ganz so schlechter Einkauf.