
Europa League Eintracht Frankfurt - die gute Seite der Diva
Eintracht Frankfurt steht im Viertelfinale der Europa League. Rund um den Verein beginnt man wieder, vom großen Wurf zu träumen. Nicht obwohl, sondern weil der Klub eine Diva ist.
Und dann wurde wieder Walzer getanzt im Frankfurter Waldstadion. "Eintracht Frankfurt, Walzer tanzen wir, du mit mir, ich mit dir", es ist die seligste Form des Fangesangs, die man in Frankfurt kennt. Unterhaken, im ruhigen Takt hin und her schunkeln, den Sieg, den Moment genießen – Fans wie Spieler gleichermaßen.
Es war der passende Abschluss eines Abends, der ohnehin schon zum Genießen gewesen war. Mit 4:1 fegte Eintracht Frankfurt Ajax Amsterdam aus dem Stadion, ein Tor war dabei schöner als das nächste, es war eines dieser Spiele, in denen nie zur Diskussion steht, wer es gewinnen wird. "Das perfekte Spiel", schwärmte Cheftrainer Dino Toppmöller. "Man hat im Vorfeld gemerkt, dass wir durch das Hinspielergebnis mehr zu verlieren als zu gewinnen hatten. Die Jungs haben die Feuertaufe bestanden."
Die Diva stirbt nie
Den Druck, den Toppmöller meinte, hatte sich die Eintracht selbst gemacht, als sie gegen Union Berlin am Sonntag eine desaströse Leistung gezeigt hatte. Den ein oder anderen im wankelmütigen Umfeld der Eintracht hätte nach der Pleite gegen Union auch ein Ausscheiden gegen Ajax nicht überrascht, mindestens aber ein Nervenkrieg war zu erwarten gewesen. Allein, es kam anders. Natürlich. Denn auch das ist ja Eintracht Frankfurt: Auf das tiefste Tief folgt verlässlich ein neues Hoch, stetig wogt dieser Verein zwischen Triumph und Tragödie, und auch in der größten Wut ist der selige Walzer immer nur ein paar Tage entfernt. Die Diva, sie stirbt eben nie.
"Wir haben Qualität und sind in der Lage, solche Spiele abzurufen", sagte Sportvorstand Markus Krösche nach dem Spiel, und es ist auch folgerichtig, dass die Eintracht diese Spiele gerade im Europacup abruft, dass sie dort zu sich selbst findet, zur guten Seite der Diva, ihrem allerbesten Gesicht. Das Licht geht an, es knistert, es ist schon eigenartig: Auch nach über 60 Europacupspielen seit dem Pokalsieg 2018 ist der internationale Wettbewerb noch immer etwas Besonderes in Frankfurt. Als hätten der Klub, sein Umfeld, die Fans, etwas gefunden, dass nur ihnen allein gehört, oder zumindest auf diese besondere Weise.
Mario Götze: "Wer die Europa League nicht gewinnen möchte, ist fehl am Platz"
Wohin das führen kann, hat man erst vor drei Jahren gesehen, als die Eintracht in Sevilla Geschichte schrieb. Aus der Mannschaft von damals sind nur noch eine Handvoll Spieler da, aber wie viel der Europacup dem Verein bedeutet, wie sehr er dem Klub eingeschrieben ist, verstehen auch die neuen. "Deswegen kommen sie her", sagte Keeper Kevin Trapp auf der Pressekonferenz vor dem Hinspiel gegen Ajax. Und so klingen sie auch: "Wir hoffen, dass uns keiner auf dem Weg zum Finale aufhält", sagte der formidable Jean-Matteo Bahoya nach dem 4:1. "Wer die Europa League nicht gewinnen möchte, ist fehl am Platz", betonte Mario Götze.
Zumal die Eintracht mit ihren Fans nach wie vor ein Pfund hat, mit dem andere nicht wuchern können. Und dafür muss nicht einmal in Barcelona nachgefragt werden. Das Spiel gegen Ajax, diese Aneinanderreihung von Traumtoren, erinnerte – anders zwar, aber doch – an all die Spektakel, die die Eintracht in den letzten Jahren auf internationaler Bühne erlebt hat. Die Spiele gegen Lazio und Marseille, gegen Inter und Benfica, Chelsea, Barca, West Ham. Spiele, in denen das Band zwischen Fans und Mannschaft spürbar wurde. "Wir wollten unserem fantastischen Publikum etwas zurückgeben. Das Band zwischen Mannschaft und Fans ist für uns extrem wichtig", sagte Toppmöller. "Mit der Atmosphäre im Rücken war es ein überragendes Spiel", erklärte Robin Koch.
Bilbao am Horizont?
Und so könnte es ja schon sein, dass … Die Zutaten sind da, der Wettbewerb liegt vor der Eintracht wie ein offenes Buch, das Gefühl ist anders nach diesen beiden so dominanten Siegen gegen Ajax Amsterdam, das ja wahrlich auch kein Niemand ist. Die beiden Spiele können ein Startschuss sein, ein Weckruf, der Moment, in dem man Walzer tanzte und Bilbao vage am Horizont zu erkennen glaubte, nur ein paar Volten der Diva entfernt.
Der nächste Gegner heißt Tottenham, und vielleicht ist das der bestmögliche Gegner für die Eintracht, nicht trotz, sondern wegen der Diva, die Eintracht Frankfurt eben ist; weil eine Sternstunde gegen Tottenham eben genauso Eintracht-Frankfurt-like scheint wie ein blutleeres Ausscheiden gegen AZ Alkmaar, das der alternative Gegner gewesen wäre. Weil die Europa League eben die Bühne des Walzers ist. "Ob wir ein Europa-League-Gesicht haben, weiß ich nicht", sagte Krösche nach dem Spiel. Aber im Ernst: Wäre das so schlimm?