Hasan Ismaik

BR24 Sport TSV 1860 und Hasan Ismaik - Chronik eines Missverständnisses

Stand: 14.04.2025 09:29 Uhr

Die 14 Jahre dauernde, mitunter toxische Beziehung zwischen dem Traditionsklub TSV 1860 München und seinem Investor Hasan Ismaik geht wohl zu Ende. Die Chronik eines großen Missverständnisses.

Von Wolfram Porr

2011 steckt der damalige Fußball-Zweitligist TSV 1860 München finanziell tief in der Krise. Da trifft es sich gut, dass der jordanische Geschäftsmann Hasan Ismaik mit 18 Millionen Euro einsteigen möchte. Offiziell übernimmt er 60 Prozent der Anteile an der TSV München von 1860 GmbH & Co. KGaA und macht den Fans Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft. Seine Vision: Rückkehr in die Fußball-Bundesliga und Aufbau einer Mannschaft, die mittelfristig und dann dauerhaft um die europäischen Plätze mitspielen kann.

Streitpunkt "50+1" - Keine Stimmenmehrheit für Ismaik

Doch es sollte ganz anders kommen: Wie Ismaik heute zugibt, habe er damals die Strömungen im Verein und die Haltung der Deutschen Fußball Liga (DFL) zu Investoren - festgehalten in der sogenannten 50+1-Regelung - nicht verstanden. Ismaik gibt zwar Geld. Er bekommt aber nicht die Stimmenmehrheit, sodass der e.V. die Kontrolle über alle wichtigen Fragen behält, sei es in allen sportlichen Belangen oder bei der Infrastruktur.

In den folgenden Jahren kommt es daraufhin immer wieder zu Machtkämpfen. Konflikte und Meinungsverschiedenheiten mit - bis heute - insgesamt sechs Präsidenten sind an der Tagesordnung. Während Ismaik mehr Macht einfordert und Vereinsführung, Management, Trainer sowie Spieler kritisiert, verbietet sich der TSV 1860 solche Einmischungen.

TSV 1860 - ein gespaltener Verein

Ismaik, der sogar erwägt, gerichtlich gegen die 50+1-Regel vorzugehen, die er "undemokratisch" und "investorfeindlich" nennt, stopft in der Folge zwar immer mal wieder finanzielle Löcher, versucht aber im Gegenzug, Bedingungen zu stellen. Er möchte mehr Einfluss gewinnen.

Die Fans haben sich an das Chaos und den Streit in der Führungsetage gewöhnt. Der Verein ist gespalten. Auf der einen Seite die Ismaik-Anhänger, die noch immer von einer glorreichen Zukunft träumen, auf der anderen Seite die "Traditionalisten", die Ismaiks Pläne für Luftschlösser halten. Dieser Konflikt zieht sich durch seine gesamte Zeit bei den Löwen.

Streit um Regionalliga-Abstieg: Wer hat Schuld?

Als der Klub 2017 sportlich in die 3. Liga absteigt und keine Lizenz bekommt, versäumt der TSV 1860 Zahlungen, um die Lizenz doch noch zu erhalten und im Profifußball zu bleiben. Der TSV 1860 ist plötzlich viertklassig und spielt in der Regionalliga gegen den FC Pipinsried statt im Europapokal gegen den FC Liverpool. Bis heute geben sich Ismaik und die e.V.-Seite gegenseitig die Schuld an diesem Umstand.

Der Klub, der die Miete für die Allianz Arena nicht mehr bezahlen kann, kehrt 2017 ins Städtische Stadion an der Grünwalder Straße zurück, wo er bis heute seine Heimspiele austrägt.

Schlammschlacht zwischen Reisinger und Ismaik

In der Folge entwickelt sich auch mit Robert Reisinger, inzwischen als Präsident im Amt, eine Dauerfehde, die im Streit um die Entlassung von Michael Köllner und zuletzt mit einem Diktatorenvergleich regelrecht eskaliert. Das geht so weit, dass der Jordanier Reisinger öffentlich angreift. Viele im Verein wollten "den TSV 1860 zerstören", poltert Ismaik, der eine Verschwörung gegen seine Person im Gange sieht und auch anprangert, dass keine alternativen Stadionlösungen gesucht würden. "Was wir jetzt im Verein haben, ist ungesund, für 1860 schädlich", sagt Ismaik im Juni 2024 in einem exklusiven BR24Sport-Interview.

Doch Reisinger schlägt zurück und gibt dem Jordanier die Schuld am damaligen Zwangsabstieg: "Hasan Ismaik knüpfte einen möglichen finanziellen Ausgleich des Fehlbetrags ultimativ an eine Reihe unerfüllbarer Forderungen", ließ er verlauten. Zu den Zuwendungen des Investors heißt es: Abgesehen von der Kaufsumme beim Einstieg im Jahr 2011 habe es Investitionen "ausschließlich in Form von Krediten" gegeben, die den Klub "tief verschuldet" hätten.

Ismaiks größte Niederlage

Eine nicht enden wollende Schlammschlacht ist nun in vollem Gange. Das geht auch an den sportlichen Leistungen der Mannschaft nicht spurlos vorbei. Der Meister von 1966 dümpelt in der 3. Liga meist im Niemandsland der Tabelle vor sich hin und hat zeitweise sogar Abstiegssorgen.

Ismaiks letzter Versuch, das Ruder doch noch zu seinen Gunsten herumzureißen, scheitert im Juni 2024. Sein Versuch, bei der Mitgliederversammlung das von ihm unterstützte "Bündnis Zukunft 1860" in der Klubführung zu etablieren, scheitert eindeutig. Am Ende schafft es kein Kandidat des Bündnisses in den Verwaltungsrat.

Nun also die späte Einsicht, dass er und der Verein wohl keine gemeinsame Basis mehr finden werden. In einem BR24Sport-Interview, das im Rahmen von Dreharbeiten für die neue ARD-Doku-Serie "Rise&Fall of 1860" geführt wurde, sagte er: "Dass die Menschen hier etwas anderes wollen – das hätte ich vorher erkennen müssen", so Ismaik, der nun einfach nur noch Fan sein möchte. "Seit 14 Jahren leide ich unter diesen Leuten. Sie haben mir sehr schlechte Erfahrungen und eine sehr schlimme Zeit bereitet. (...) Es gibt keine Wertschätzung, keinen Respekt. Nichts", sagt Ismaik. Damit könnte es bald vorbei sein.

"Rise&Fall" ist ein neues Doku-Serien-Format der ARD, das sich mit Traditionsvereinen in Deutschland beschäftigt. Die vierteilige Serie über den TSV 1860 München wird am 21. Oktober dieses Jahres in der ARD-Mediathek veröffentlicht und macht den Auftakt dieses Doku-Serien-Formats.

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Quelle: Blickpunkt Sport 13.04.2025 - 21:45 Uhr