Sieben Trainer in acht Jahren Ist der FC Bayern untrainierbar?
Thomas Tuchels Zeit als Trainer des FC Bayern ist zum Saisonende Geschichte. Damit reiht er sich in eine Liste der Kurzengagements ein. Denn seit Pep Guardiolas Abgang suchen die Münchner nach dem passenden Trainer. Eine Analyse.
Thomas Tuchel ist der nächste Vermerk auf einer langen Liste. Die lange Liste der Coaches, die sich nicht langfristig beim FC Bayern halten konnten. Mit Tuchel steht nun der siebte Trainer in acht Jahren vor dem Absprung. Der Trainerstuhl in München ist endgültig ein Schleudersitz geworden. Egal ob Tuchel, Julian Nagelsmann, Hansi Flick, Niko Kovač, Jupp Heynckes, Interimstrainer Willy Sagnol oder Carlo Ancelotti. Kein Übungsleiter in München betreute mehr als 86 Spiele beim FCB – und das, obwohl die Münchner in jeder einzelnen Saison mindestens einen Titel gewinnen konnten.
Trainerkarussell FC Bayern: Alle 65 Spiele ein neuer Trainer
Seit Pep Guardiolas Abschied (161 Spiele beim FC Bayern) wird kein Trainer in München mehr so richtig glücklich. Statt auf Kontinuität beim wichtigsten Mitarbeiter des Vereins zu setzen, müssen sich die Spieler des FC Bayern rund alle 65 Spiele auf einen neuen Übungsleiter einstellen, auf ein neues Konzept, auf einen neuen Führungsstil des Chefs.
Die Gründe für ein Scheitern waren zuletzt vielfältig: Mal sind es die Spieler, die mit dem Trainings- und Spielstil des Coaches vollkommen unzufrieden sind, wie bei Ancelotti oder Kovač. Mal überwirft sich das Management mit einem Erfolgsgaranten wie bei Flick. Mal verführt die Hoffnung, einen noch besseren Trainer an Land zu ziehen zu vorschnellem Handeln, wie bei Nagelsmann. Mal hat der Coach selbst keine Lust mehr weiterzumachen, wie Heynckes. Bei Tuchel kam von allem ein bisschen was zusammen.
Seit Guardiola: Kein Trainer schaffte zwei ganze Saisons
Es ist kein gutes Signal, dass ein erfolgshungriger Trainer wie der 50-jährige Krumbacher, dessen ausgemachtes Ziel es war, einmal den FC Bayern zu trainieren, nach nicht mal einem Jahr freiwillig geht. Und wohl auf eine hohe Abfindung verzichtet, um glimpflich aus der Situation herauszukommen.
Der Trainerjob beim FC Bayern war schon immer einer der schwierigsten Jobs im Weltfußball. Doch so eine lange Phase, in der kein Trainer zumindest für zwei ganze Saisons im Amt bleiben konnte oder wollte, gab es in München noch nie. Dass dieser Trainerverschleiß auch noch innerhalb der erfolgreichsten Phase der Vereinsgeschichte passiert, in der zweimal die Champions League und elfmal die Bundesliga gewonnen wurde, wirft zusätzlich Fragen auf.
Fehlende Kontinuität und Selbstkritik
Seit dem offiziellen Abtreten von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge von den aktiven Posten mag auch auf der Führungsetage kein richtiger Kurs aufkommen. Die lange geplante Übernahme der Aufgaben durch Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić endete in einem Desaster. Mit Jan-Christian Dreesen wurde nun wieder ein enger Vertrauter von Hoeneß in die Verantwortung gehoben. Der Einfluss der alten Granden ist dauerhaft spürbar und mit Interviews heizt der Ehrenpräsident immer wieder die Stimmung an der Säbener Straße an.
Die innere Unruhe im Verein machte es Tuchel nicht einfach, Fuß zu fassen. Zudem erschwerte die Münchner Führungsetage durch die verpatzte Transferperiode im Sommer ihrem Trainer die Aufgabe unnötig und weigerte sich anschließend, öffentlich Verantwortung zu übernehmen. Vielmehr stellte man den Trainer in den Mittelpunkt der Diskussion. Man habe Tuchel einen "Top-Kader" zur Verfügung gestellt.
Die Tatsache, dass er nach den Wechseln von Josip Stanisic, Benjamin Pavard und Lucas Hernández kaum noch Verteidiger zur Verfügung hatte, kommentierte Dreesen damit, dass Tuchel nun "kreativer werden" müsse, dies sei schließlich sein Job. Dass es Dreesens Job gewesen wäre, für ausreichend Verteidiger zu sorgen, blieb dabei unerwähnt.
Trainerjob beim FC Bayern: Das große Aushängeschild des Vereins
Tuchel wirkte seither zerknirscht, sein Standing in der Öffentlichkeit war angeschlagen. Auch deshalb stand er dauerhaft in der Kritik – die er weitestgehend alleine moderieren musste. Denn seit dem Weggang von Hoeneß ist der Trainer in München nicht nur für den sportlichen Erfolg, sondern auch für das öffentliche Image des Vereins hauptverantwortlich.
Die Pressekonferenzen vor den Spielen sind mittlerweile eine der wenigen Momente, in denen Pressevertreter Fragen auch abseits des sportlichen Alltags stellen können. Da diese nun nur noch von dem Trainer gehalten werden, kommen jede Menge zusätzliche Themen auf ihn zu, an denen er sich die Finger verbrennen kann.
Bringt Max Eberl die Wende?
Es ist ein guter Moment, um beim FC Bayern wieder die Grundvoraussetzungen zu schaffen, damit Trainer in München erneut langfristigen Erfolg haben können. Eine konsequente Führungspolitik könnte zumindest mit der Ankunft von Max Eberl und Christoph Freund geschaffen werden – wenn ihnen auch im Hintergrund der nötige Freiraum gelassen wird, eigenverantwortlich zu agieren.
Nach sieben Trainern muss – trotz der Erfolge der letzten Jahre – auch über den Umgang mit schlechteren Phasen nachgedacht werden. Der Anspruch des ewigen Gewinnen-Wollens muss weiter bestehen bleiben. Doch eine titellose Saison darf auch beim FC Bayern nicht zwangsläufig in einer Trainerentlassung enden.
Denn schwierige Phasen gehören im Sport dazu und ein Scheitern liegt nur in den seltensten Fällen an einem Einzelnen. Ein selbstkritischer Blick auf das große Ganze ist dort häufig wirksamer als eine vorschnelle Personaldebatte. Sonst wird auch der nächste Weltklasse-Trainer keine Chance haben, in München sesshaft zu werden.
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Quelle: BR24Sport 21.02.2024 - 18:30 Uhr