Das norwegische Team um Weltmeister Marius Lindvik (ganz rechts)

BR24 Sport "Schockiert" und "Doping": Kritik nach Norwegens Anzugskandal

Stand: 10.03.2025 17:19 Uhr

Der Anzugskandal der norwegischen Skispringer zieht weiter seine Kreise. Der Deutsche Ski-Verband hat Zweifel an der Darstellung der Norweger. Kombinierer Vinzenz Geiger zeigt sich schockiert über den Vorfall.

Von Victor List

Es war eine Nachricht, die wie ein Blitz in die Wintersport-Szene eingeschlagen hatte. Das Norwegische Skisprung-Team hat Anzüge manipuliert. Zuvor war ein Video der Umnäh-Aktivitäten geleakt worden. Am Sonntag gab der Verband den Betrug schließlich zu. Marius Lindvik und Johann Andre Vorfang gaben am Abend noch eine Erklärung zu dem Vorfall ab. Darin bestritten sie, in den Betrug eingeweiht zu sein. Am Montag wurde Trainer Magnus Brevig und der in die Aktion involvierte Mitarbeiter Adrian Livelten suspendiert.

DSV kritisiert: "Darstellung der Norweger nicht nachvollziehbar"

Beim Deutschen Ski-Verband (DSV) hat man seine Zweifel an der Darstellung der Athleten. "Vieles von den Darstellungen der Norweger ist nicht nachvollziehbar", sagte Verbandssprecher Ralph Eder dem SID. Dass nur ein paar Techniker von der Manipulation der Anzüge gewusst haben sollen, wirke befremdlich. "Bei uns zum Beispiel wird die Passform der Anzüge zwischen Trainern, Betreuern und Sportlern eng koordiniert", sagte Eder.

Die Bestürzung, Wut und zugleich Unverständnis über das Vorgehen von Team Norwegen ist auch außerhalb des Skispringens groß. "Das ist wie Doping. Das ist einfach nicht rechtens und unfair", stellte Rodel-Olympiasieger Tobias Wendl in "Blickpunkt Sport" klar. In eine ähnliche Kerbe schlug der Norwegische Rundfunk NRK. "Das ist Doping, nur mit einer anderen Art Nadel", schrieb der Sender in Anspielung an die umgenähten Anzüge.

Gewinnt Wellinger nachträglich noch WM-Gold?

Als erste Reaktion bekam Marius Lindvik seine WM-Silbermedaille unmittelbar nach Wettkampfende am Samstag aberkannt. Der WM-Titel von der Normalschanze vor dem deutschen Andreas Wellinger bleibt Lindvik aber.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Lindvik dieser Titel noch aberkannt wird, schätzte FIS-Direktor Sandro Pertile als sehr gering ein: "Wenn die Kontrollen fertig sind, sind die Wettkämpfe fertig." Norwegens Sportdirektor Jan Erik Aalbu gestand am Sonntag nur die Manipulation zweier Anzüge im letzten Wettkampf der Weltmeisterschaft. In den Springen davor sei alles regelkonform abgelaufen. Das Gegenteil zu beweisen, dürfte schwer werden.

Also wird wohl Andreas Wellinger nicht noch nachträglich Weltmeister von der Normalschanze. Kombinierer Vinzenz Geiger würde es seinem Teamkollegen dennoch gönnen: "Da würden wir uns natürlich trotzdem freuen, wenn er die Goldmedaille im Nachhinein noch kriegt."

Kombinierer Geiger: "Krimineller Vorsatz"

Der Oberstdorfer verurteilte den Betrug Norwegens. "Was da im Norwegischen Skisprung passiert ist, ist sehr, sehr schade für die ganze Sportart", sagte der 27-Jährige im BR24Sport-Exklusiv-Interview und gab einen Einblick in die Anzugskontrollen. "Die Anzüge werden zum Pre-Check gebracht, zum Kontrolleur. Dann bekommt der Anzug einen Chip und dann darf danach nichts mehr verändert werden." In dem geleakten Video ist der Chip deutlich zu erkennen. In diesem Fall wurden die norwegischen Anzüge nach der Kontrolle umgenäht.

Einen Vergleich zum Doping wollte Geiger nicht ziehen, zeigte sich aber "schockiert" über die Manipulationen des Norwegischen Verbands. Ich glaube, es ist immer noch ein bisschen was anderes, ob man wirklich mit der Gesundheit vom Körper spielt oder ob es jetzt Manipulation der Anzüge ist", sagte der 27-Jährige. "Es ist definitiv Betrug. Doping ist vielleicht noch ein anderes Thema, aber es ist trotzdem ein krimineller Vorsatz irgendwo dahinter, wenn man die Videos gesehen hat."

Im Video: Kombinierer Geiger "schockiert" über Norwegens Anzugskandal

Vinzenz Geiger

Geiger profitiert von Disqualifikation der Norweger

Geiger, der bei der WM zweimal Bronze im Einzel gewann und zusätzlich Silber im Mixed-Team und Gold im Team, profitierte bei letzterer Medaille von einer Disqualifikation Norwegens. Weil Jörgen Graabak wegen eines Fehlers in der Bindung nach dem Springen disqualifiziert wurde, rutschte das deutsche Team auf den zweiten Rang und gewann im Rennen am Ende den Weltmeistertitel. "Da muss man einfach sich an die Regeln halten und wenn das nicht passt, dann ist das halt so", hat Geiger rückblickend wenig Mitleid. Es sei "zwar bitter für die Norweger im eigenen Land, aber wir haben das natürlich dankend angenommen und haben unser Ding gemacht und das muss man dann auch erst mal heimbringen". Dennoch betonte der Oberstdorfer, dass der Fall Graabak ganz anders gelagert sei als der Skandal um die norwegischen Skispringer.

Im Video: Rodelduo Wendl/Arlt zu Anzugskandal - "Ist wie Doping"

Tobias Wendl und Tobias Arlt bei Blickpunkt Sport

Quelle: BR24Sport 10.03.2025 - 18:30 Uhr