Ski Alpin Neue Diskussionen um Rennkalender
Die wetterbedingte Absage der länderübergreifenden Abfahrten am Matterhorn lässt Diskussionen um den frühen Saisonstart und den Ski-alpin-Weltcupkalender neu aufkommen. Wintersportexperte Felix Neureuther plädiert für eine Verlegung ins Frühjahr.
"Möglicherweise werde ich den Ort verlassen, ohne das Matterhorn jemals gesehen zu haben." BR24Sport-Reporter Andreas Troll brachte die Wetterkapriolen zwischen Zermatt und Cervinia schon am Samstag auf den Punkt.
Dichter Nebel umhüllte das schweizerische Wahrzeichen und sorgte, gepaart mit Wind und Neuschnee, dafür, dass die erste länderübergreifende Abfahrt von der Schweiz nach Italien abgesagt werden musste. Am Sonntag dann die Gewissheit: Auch das zweite Rennen muss sich dem Wetter beugen und fällt aus.
"Frustrierend" nannte der deutsche Männer-Cheftrainer Christian Schwaiger schon die erste Absage: "Wir waren motiviert, dass es heute endlich losgeht." Bereits der Saisonauftakt mit dem Riesenslalom in Sölden Ende Oktober war wetterbedingt abgebrochen worden, bei den Alpinherren wurden in dieser Saison noch keine Weltcuppunkte verteilt.
Neue Diskussionen um frühen Saisonstart
Bereits die Absage der ersten Abfahrt führte dazu, dass die Diskussionen um den frühen Saisonstart und den Rennkalender bei den Alpinen neu aufkocht. "Die Kritik könnte man vermeiden, indem man den Zeitpunkt des Rennens anders wählt", sagte ARD-/BR-Wintersportexperte Felix Neureuther.
Denn unabhängig vom Wetter bedeute der frühe Saisonstart mit einer anspruchsvollen, langen Abfahrt auch: "Die Athleten müssen einen unfassbaren Aufwand im Vorfeld betrieben, weil sie bis zu diesem Zeitpunkt fit werden müssen."
Auch von Athletenseite kam bereits Kritik. Der italienische Speedspezialist Dominik Paris mag das Matterhorn-Experiment beispielsweise nicht. Das kräftezehrende Rennen kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem die Sportler noch gar nicht tief im Winter und im Abfahrtsmodus sind.
Neureuther: Matterhorn-Abfahrt ins Frühjahr verlegen
"Das Klima verändert sich, die Möglichkeiten, Abfahrt zu trainieren werden immer weniger", sagte Neureuther. Auch für den ehemaligen Technikspezialisten ist ein solcher Saisonauftakt bei den Speedfahrern eher unglücklich gewählt: "Deswegen wünschen sich eigentlich alle, dass man diese Abfahrt nach hinten ins Frühjahr verlegt. Dann ist es eine geniale Abfahrt mit einer tollen Kulisse."
Der Klimawandel sei ein weiteres Argument für eine spätere Ansetzung: "Die Veranstalter mussten im Vorfeld sehr viel Aufwand betreiben, um die Piste in den nötigen Zustand zu bekommen", so Neureuther: "Da liegt noch nicht viel Naturschnee, der sich über den Gletscherspalten ablegen kann, dass man darüberfahren kann. Das wäre aber im Frühling alles gegeben."
DSV kontra FIS - die Beziehung bleibt anstrengend
Wolfgang Maier, Sportdirektor des Deutschen Skiverbands (DSV), findet die Diskussion um den Rennkalender "mit der Zeit müßig. Das Thema ist seit mehreren Jahren auf dem Schirm." Kritik übte er an Johan Eliasch, den Präsidenten des Weltskiverbands FIS, "der unbedingt mehr Rennen wollte. Man sagt natürlich wie sehr oft nicht die gesamte Wahrheit, es gibt verschiedene Betrachtungen auf das Thema", so Maier im BR Fernsehen.
Der DSV habe sich "klar positioniert" und seine Vorstellungen geäußert, "wo man mit dem Weltcup beginnen kann, wie man mit dem Weltcup beginnen kann". Man müsse zum direkten Vergleich nur ins finnische Levi schauen, wo nach Plan der Frauen-Slalom stattfindet: "Dort ist tiefster Winter, dort ist das, was wir im Wintersport gerne sehen wollen."
Der Argumentation der FIS, dass bei späterem Saisonbeginn zu wenige Rennwochenenden für alle Events bleiben würden, sagte Maier: "Das stimmt nicht so, wie man es darstellt." Maier betonte: "Wir sind immer um die 44, 45 Rennen gefahren pro Saison. Außer Sölden haben wir eigentlich immer Ende November begonnen."
DSV-Sportdirektor Maier: "Können uns nicht durchsetzen"
Maier unterstrich die weiterhin bestehenden Differenzen zwischen DSV und FIS: "Man versucht, eine bestimmte Argumentationslinie zu vertreten von Seiten der FIS, die in vielen Bereichen konträr zu dem steht, was wir glauben, was zeitgemäß ist."
Der Haken? "Unser Problem ist, dass wir uns nicht durchsetzen können", erklärt Maier. FIS-Präsident Eliasch schiebt Themen wie den Rennkalender auf das FIS-Council, "dort sitzen 16, 17 Mitglieder und man hat eine schwierige Situation (...) Am Ende kann man keine richtige Entscheidung im Sinne des Sports machen."
Dreßen und Sander hin- und hergerissen
Die Athleten sind hin- und hergerissen, für sie geht's natürlich vor allem um ihren Sport. "Uns ist der Klimawandel sehr wohl bewusst. Es gibt wenige Sportarten, die so betroffen sind wie der Wintersport", sagte der deutsche Abfahrer Thomas Dreßen, der beispielsweise auf private Urlaubsflüge verzichtet: "Jeder muss für sich selbst eine gewisse Linie ziehen, was man macht. Letzten Endes ist es unser Job, aber genauso meine Leidenschaft."
Andreas Sander hoffte am Samstag noch, dass am Sonntag gefahren werden, "schade" nannte er die Absage des ersten Rennens: "Wir wollen uns messen, wir wollen Wettkampf zeigen, man will zeigen, was man im Sommer und Herbst geschafft hat." Grundsätzlich, so BR24Sport-Reporter Troll, bedauern die meisten Athleten die Absage "Das sind Rennfahrer und die wollen Rennen fahren."
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Quelle: Blickpunkt Sport 11.11.2023 - 10:00 Uhr