Skimo-Athleten im Zweikampf beim "Jennerstier"

Kampf der Konditionstiere Skibergsteigen ein Jahr vor Olympia

Stand: 20.02.2025 11:01 Uhr

Bei den Winterspielen 2026 geht mit Skibergsteigen eine neue Disziplin an den Start. Doch ein Jahr vor den Spielen fragen sich viele Athleten, ob das noch ihr Sport ist.

Von Sebastian Nachbar

"Skibergsteigen ist eigentlich für mich das, was wir heute gehabt haben", sagte der österreichische Skibergsteiger Armin Höfl direkt nach seinem Sieg am vergangenen Sonntag. "Darum mache ich diesen Sport." Er hatte soeben den "Jennerstier" gewonnen, das wichtigste deutsche Skitourenrennen, das jeden Februar am Jenner oberhalb des Königssees stattfindet. Er lobte die Strecke, die die Veranstalter von der Alpenvereinssektion Berchtesgaden durch die Hänge gelegt hatten. "Ich hoffe, es geht insgesamt wieder einen Schritt zurück zu den Wurzeln des Skibergsteigens. Das würde ich mir für den Sport wünschen", sagte Höfl. Der 35-jährige Steirer sprach damit etwas an, das im Skibergsteigen derzeit viele ärgert.

1500 Höhenmeter in einer guten Stunde

Beim Skibergsteigen, englisch Ski Mountaineering oder kurz "Skimo" genannt, laufen die Sportlerinnen und Sportler im Grunde eine Skitour um die Wette. Sie rennen mit extrem leichten Tourenski den Berg hinauf. Oben angekommen, ziehen sie blitzartig die Steigfelle ab, verriegeln Skischuhe und Bindung und fahren abseits präparierter Pisten talwärts. Lawinenausrüstung ist dabei Pflicht. Zwischendurch müssen sie steile Stapf-Passagen mit Ski am Rucksack meistern. Am Sonntag beim Jennerstier war Höfl der Schnellste, er lief die gut 1500 Höhenmeter in einer Stunde und 17 Minuten, mehrere Wechsel von Aufstieg auf Abfahrt eingerechnet.

Traditionsdisziplin auf dem Weg zu Olympia

Konditionelle und skifahrerische Leistungen wie diese hätten in den Augen von Skimo-Fans mehr Aufmerksamkeit verdient, fristen aber ein Dasein als Nischen-Sportart unter Alpen-Bewohnern. Deshalb war die Freude groß, als es vor einigen Jahren hieß, dass Skibergsteigen olympisch wird. Doch jetzt, ein Jahr vor den Winterspielen in Mailand und Cortina, steht die Frage im Raum, ob die Sportart kurz vor Olympia nicht falsch abgebogen ist.

Anstatt traditionelle Skitourenrennen wie den Jennerstier mit vielen Spitzkehren, Abfahrten im freien Gelände und alpinem Touch auf Olympia zu übertragen, wird es dort mit dem Sprint und der Mixed-Staffel nur stark beschnittene Wettkampf-Formate geben. Zudem sollen die Läufe im Zielbereich der Skipisten von Bormio stattfinden – wenn die alpinen Skirennen der Männer vorbei sind und die Kameras noch da stehen.

Fürs Fernsehen anstatt für die Berge

"Es gibt Athleten, die feiern das, dass - egal welches Format - bei Olympia dabei ist", sagt Gabi Schieder-Moderegger, Sektionsvorsitzende beim DAV Berchtesgaden und verantwortlich für den Jennerstier. "Es gibt aber auch einige, die ausgestiegen sind aus dem Nationalteam. Für sie ist die Kerndisziplin immer noch ein Individualrennen im freien Gelände – das ist der Skitouren-Sport, und das andere ist eigentlich ein Witz." Tradition auf der einen Seite, TV-Tauglichkeit auf der anderen. Denn gerade kurze, spannende Rennen sollen den Sport reichweitenstärker und damit populärer machen.

"Rundkurs auf gefrästen Pisten"

Dass der Skimo-Sport für Olympia derart zurechtgestutzt wird, sorgte im Januar für einen Eklat: Beim Skimo-Weltcup in Andorra, der ausschließlich auf der Skipiste stattfand, blieb der französische Athlet William Bon Mardion nach dem Startpfiff demonstrativ stehen und kreuzte die Arme über dem Kopf. Bei Instagram schrieb er danach, er habe keine Lust, seinen Sport in einer "Olympia-Fata Morgana und ihrem telegenen Format" enden zu sehen, bei dem das Wort Skibergsteigen keinen Sinn mehr mache.

Seine Protestaktion sorgte in den sozialen Medien für eine Welle der Unterstützung, zahlreiche Athletinnen und Athleten sprangen Mardion bei. Solche Wettkämpfe auf einem "Rundkurs aus gefrästen Pisten" seien mehr fürs Fernsehen gedacht als für die Berge, schrieb Xavier Gachet aus dem französischen Skimo-Team. Er wählte einen drastischen Vergleich: "Haben Sie schon einmal einen Schwimmer in einem leeren Becken Brustschwimmen sehen?"

Emelie Forsberg, eine der bekanntesten Athletinnen im Skibergsteigen, geht in ihrem Post bei Instagram noch weiter: "Die Sportart, die bei den Olympischen Spielen ausgetragen wird, ist eine Schande für den Namen Skibergsteigen. Man sollte sie anders nennen, denn mit echtem Skibergsteigen hat sie nichts mehr zu tun."

Sprintrennen spannender fürs Publikum

Die deutsche Top-Athletin und Olympia-Hoffnung Tatjana Paller dagegen liebt kurze und intensive Skimo-Rennen. Der Sprint ist ihrer Meinung nach fürs Publikum wesentlich spannender. Bei klassischen Rennen sortiert sich das Starterfeld oft früh, Änderungen in der Reihenfolge gibt es dann kaum noch. "Bei Olympia braucht man etwas actionreiches, etwas das fernsehtauglich ist und Zweikämpfe bietet", sagt Hermann Gruber, sportlicher Leiter beim deutschen Skimo Team.

Eine klassische Skitour mit Fernsehkameras einzufangen, findet er schwierig. Den Weg für Olympia sieht er als notwendigen Kompromiss, um den Sport größer zu machen. Für Weltcup-Rennen wünscht er sich jedoch weiterhin klassische Renn-Formate wie den Jennerstier, die die historisch gewachsene Tradition des Skibergsteigens hochhalten.

Skibergsteigen schon bei Olympia 1924

Sofern der Klimawandel das überhaupt noch lange zulässt. Denn der Schneemangel macht es zunehmend schwieriger, Ski-Routen abseits der Pisten für einen Wettkampf zu gewährleisten. Deshalb war auch beim Jennerstier die eigentlich traditionelle Abfahrt durch den Spinnergraben in diesem Jahr nicht möglich.

Streng genommen ist Skibergsteigen nicht neu bei Olympia. Bereits bei den ersten Olympischen Winterspielen 1924 in Chamonix gab es einen sogenannten Militärpatrouillenlauf: Eine Skitour mit Schießeinlage. Später wurde daraus: Biathlon.

Quelle: Abendschau - Der Süden 18.02.2025 - 17:28 Uhr