Olympia-Historie Olympia 1980 in Moskau: Die Boykott-Spiele
Krieg in Afghanistan - mit Folgen: Nur 81 von 146 Nationen kommen nach Moskau. Die Bundesrepublik boykottiert ebenso wie die USA, die DDR bejubelt hingegen 46 Goldmedaillen.
Mit ihrem Einmarsch in Afghanistan Ende 1979 verändert die Sowjetunion nicht nur die politische Landkarte, sondern auch die Geschichte der Spiele. Die USA reagieren mit spektakulärer Symbolpolitik: Sie beschließen den Boykott - gegen den Willen zahlreicher heimischer Athleten. Auch die Bundesrepublik, Japan, Kanada, Norwegen und Kenia bleiben Moskau fern.
Unter den 81 teilnehmenden Nationen, darunter Großbritannien, Spanien, Neuseeland, Dänemark, Australien, Portugal und Irland ist schließlich auch Afghanistan. Einer der Leidtragenden des westdeutschen Boykotts ist Zehnkampf-Weltrekordler Guido Kratschmer aus Mainz.
Als Zuschauer verfolgt er den Sieg des Briten Daley Thompson mit einem nur mäßigen Ergebnis. "Dieser Wettbewerb war zu gewinnen", lautet Kratschmers bitterer Kommentar.
Ein Nachspiel hat der Boykott auch für NOK-Präsident Willi Daume. Er verliert die Wahl zum IOC-Präsidenten gegen Juan Antonio Samaranch aus Spanien. "Der olympische Boykott war eines der berühmtesten, aber widersinnigsten, überflüssigsten und politisch wie sportlich schädlichsten Ereignisse", kritisiert Daume damals.
DDR sammelt reichlich Medaillen
Für die DDR läuft es blendend: Ihre Sportler gewinnen 46 Wettbewerbe. Unvergessen das 400-Meter-Gold von Marita Koch, der Weltrekord der DDR-Sprinterinnen über 4x100 Meter und der Marathonsieg von Waldemar Cierpinski.
Lutz Dombrowski springt 8,54 Meter weit - Europarekord und die zweitbeste Weite nach Bob Beamons 8,90-m-Sprung in Mexico-City zwölf Jahre zuvor.
Beim Rudern gewinnen die DDR-Athleten (Männer und Frauen) elf von 14 möglichen Goldmedaillen, auch die ostdeutschen Radsportler dominieren die Wettbewerbe. Die 18-jährige Kanutin Birgit Fischer, heute deutsche Rekord-Olympiasiegerin, gewinnt ihre erste Goldmedaille.
Coe und Ovett: Duell wider Willen
Die beiden britischen Mittelstrecken-Stars Steve Ovett und Sebastian Coe laufen zwei Jahre nicht gegeneinander. Keiner will gegen den anderen verlieren. In Moskau gibt es aber kein Entrinnen. 800-m-Weltrekordler Coe ist auf seiner Spezialstrecke taktisch nicht im Bilde. Er verliert ausgerechnet gegen Ovett. Aber den verlorenen Titel holt er sich auf der Paradestrecke von Ovett wieder, der über 1.500 Meter den Weltrekord hält. Ovett wird in diesem Lauf nur Dritter.
Der Kubaner Teofilo Stevenson ist der zweite Boxer nach dem Ungarn László Papp (1948 bis 1956), der bei drei Olympischen Spielen in Folge Gold holt. Wegen der boykottbedingten schwachen Konkurrenz erwartet der sowjetische Schwimmtrainer keine herausragenden Rekorde. Doch Wladimir Salnikow straft seinen Trainer Lügen und schwimmt als erster Mann die 1.500 Meter unter 15 Minuten. Eine Goldmedaille von vielen: 80 Siege stehen am Ende auf dem Konto der UdSSR.
Simbabwes Hockey-Märchen
Die Olympia-Premiere der Hockey-Damen entwickelt sich derweil zu einem Sport-Märchen mit dem Überraschungssieger Simbabwe. Da aufgrund des Boykotts fünf der sechs qualifizierten Mannschaften nicht starten, wird das Teilnehmerfeld mit "Nachrückern" aufgefüllt.
Simbabwes Spielerinnen reisen in einem Transportflugzeug ohne Sitze in die UdSSR. Sie sind weder aufeinander eingespielt noch haben sie je zuvor eine Partie auf Kunstrasen ausgetragen. Die passenden Schuhe muss sich die Auswahl vor Ort kaufen. Trotzdem gelingt die Sensation. Das Team holt Gold.