Alaa Maso, Schwimmer vom Refugee Olympic Team

Bomben in Aleppo, ein Boot in Paris Alaa Maso: Schwimmen für 120 Millionen Flüchtende

Stand: 31.07.2024 18:55 Uhr

Als Teenager flüchtete Alaa Maso vor den Bomben in Syrien nach Deutschland. Zehn Jahre später lebt der Schwimmer in Paris ausgerechnet auf einem Boot seinen olympischen Traum und will anderen Flüchtenden Hoffnung geben und ein Vorbild sein.

Von Matthias Heidrich, Kerstin Hermes und Moritz Cassalette, Paris

Aleppo ist in diesem Moment so weit weg und doch wieder so nah für Alaa Maso. Auf dem zweiten Boot, gleich hinter Griechenland, fährt der Schwimmer aus Syrien bei der ikonischen Eröffnungsfeier auf der Seine an 300.000 begeisterten Menschen vorbei. Zusammen mit seinen 36 Mitstreitern des "Refugee Olympic Team". Sie werden bejubelt und jubeln zurück. Die Gefühle fahren Achterbahn, ausgerechnet auf einem Boot wird ihr Traum von den Olympischen Spielen Wirklichkeit.

Tränen bei der Eröffnungsfeier

"Ich weiß nicht, wie viele von uns bei der Eröffnungsfeier geweint haben, weil sie an ihre Bootsfahrt von der Türkei nach Griechenland gedacht haben", erzählt der 24-Jährige im Olympia-Podcast der Sportschau.

Wir repräsentieren über 120 Millionen Flüchtende auf der ganzen Welt. Das ist für uns eine sehr große Ehre und eine große Verantwortung.
Alaa Maso im Olympia-Podcast der Sportschau

Bomben in Aleppo, ein Boot in Paris

Der Judoka Khankan, der wie Maso einst vor dem Krieg in Syrien geflüchtet ist, postet hinterher bei Instagram ein eindringliches Video, das mit Bomben-Explosionen in Aleppo beginnt und dann den Eiffelturm in Paris und die Eröffnungsfeier zeigt. "Vor neun Jahren hat ein Boot mein Leben gerettet, heute trägt es mich zu meinem Traum", schreibt er dazu.

"Das hat mich sehr berührt. Daran sieht man, wie viel es jedem aus diesem Team bedeutet, hier zu sein", sagt Maso, der schon 2021 in Tokio bei Olympia dabei war und in Paris am Donnerstag (01.08.2024, bei sportschau.de im Livestream) über 50 m Freistil starten wird.

Phelps zündet die Olympia-Flamme beim kleinen Alaa an

Die Olympischen Spiele sind für den kleinen Alaa in Aleppo so weit weg wie der Mond. "Nach den Spielen 2008 in Peking habe ich zum ersten Mal von Olympia gehört, von den Erfolgen von Michael Phelps." Bei den Spielen in China gewinnt die amerikanische Schwimm-Legende acht goldene seiner insgesamt 28 Olympia-Medaillen. "Das hat eine kleine Flamme in mir angezündet. Ich wollte da unbedingt auch hin."

Da trifft es sich gut, dass der Vater Schwimmlehrer ist. Er fängt an zu trainieren, wird mit neun syrischer Meister und stellt einen neuen nationalen Rekord über 50 m Kraul auf. Als 2011 der Krieg in seinem Land ausbricht, ist an Schwimmen kaum noch zu denken. Die Bomben fliegen, auch seine Trainingsstätte wird getroffen.

"Wir wollen an diesem Krieg nicht teilnehmen"

2015, als der Krieg vor allem in Aleppo heftig wütet, fasst die Familie den Entschluss, dass Alaa zusammen mit seinem älteren Bruder Mohamad, der gerade sein Studium beendet hat, fliehen soll. "In dem Jahr gab es ein neues Gesetz in Syrien, dass alle Uni-Absolventen dazu verpflichtet, in die Armee eingezogen zu werden", erklärt Maso. "Aber mein Bruder und ich und auch unsere ganze Familie will an diesem Krieg nicht teilnehmen. Das ist nicht unsere Rolle im Leben. Deshalb sind wir gegangen."

Über die Balkanroute schaffen es beide bis in die Niederlande und kommen wenig später nach Hannover in Deutschland. Die Triathlon-Abteilung von Hannover 96, zu der Mohamad Kontakt aufgenommen hatte, half. Alaas älterer Bruder verwirklicht seinen Olympia-Traum als Triathlet 2021 in Tokio, geht dort für Syrien an den Start.

Über ein IOC-Stipendium zu den Spielen

Für Alaa Maso, der schnell die deutsche Sprache lernt und mittlerweile beeindruckend gut deutsch spricht, ist der Traum von den Ringen in Deutschland erst einmal weit weg. Doch 2018, als er an den niedersächsischen Landesmeisterschaften teilnimmt, lodert die zehn Jahre zuvor von Phelps entzündete Flamme in ihm wieder auf. 2019 bewirbt er sich für ein IOC-Stipendium und erhält den Zuschlag.

Tokio ist schon ein Highlight, aber es sind eben auch "Pandemie-Spiele" ohne Zuschauer. In Paris kann Maso, der nun seit acht Jahren in Deutschland ist und am Olympia-Stützpunkt in Hannover trainiert, aber noch keinen deutschen Pass hat, Olympia noch einmal ganz anders erleben.

Selfie-Video unter dem Eiffelturm mit Alcaraz

"Mein Ziel ist, eine Bestzeit zu schwimmen, ganz viel Spaß zu haben und alles aufzusaugen." Das hat er bei der Eröffnungsfeier prompt umgesetzt und ein Selfie-Video mit dem spanischen Tennis-Star Carlos Alcaraz gemacht, ebenso wie er ein großer Real-Madrid-Fan.

Masos persönliche Bestleistung über 50 m Freistil steht bei 22,75 Sekunden. Um in Paris ins Halbfinale einzuziehen, müsste wohl unter 22 Sekunden schwimmen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand auf mich schaut und ein Vorbild sieht.
Alaa Maso

Für Maso vermutlich weit weg, aber auch nicht das wichtigste. "Wir geben sportlich unser Bestes und wollen Flüchtlingen, die die Hoffnung oder den Glauben an sich verloren haben, wieder ins Leben bringen", sagt der 24-Jährige. "Ich würde mich sehr freuen, wenn jemand auf mich schaut und ein Vorbild sieht."

Auf ihn, der als Teenager das zerbombte Aleppo verließ, über das Meer flüchtete und zehn Jahre später auf einem Boot auf der Seine seinen Olympischen Traum lebt.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau Olympia 2024 | 30.07.2024 | 12:00 Uhr