Handball-Bundesliga Favoriten, Herausforderer, Überraschungen - so wird die Handball-Saison 23/24
Mit dem Supercup am 23. August startet die Handball-Bundesliga in die Saison 2023/24. Wer sind die Favoriten auf die Meisterschaft, wer wird es schwer haben, auf welche Neuzugänge können sich Handballfans freuen? Sportschau-Experte Dominik Klein gibt einen Überblick.
Die neue Saison der Handball-Bundesliga steht in den Startlöchern. Am Mittwoch (23.08.2023, Live-Ticker ab 19 Uhr auf sportschau.de) wird mit dem Supercup - dem Duell zwischen dem deutschen Meister THW Kiel und dem DHB-Pokalsieger Rhein-Neckar-Löwen - die Saison 2023/24 angepfiffen. "Der Supercup ist nochmal ein Heißmacher für die Saison, eine Standortbestimmung, bei der die Teams nochmal Schwung mitnehmen können", sagt Dominik Klein, Ex-Nationalspieler, Weltmeister 2007 und Sportschau-Experte.
Schwung können die Teams gebrauchen, denn: "Spannung ist vorprogrammiert." In der vergangenen Spielzeit war das Rennen um die Meisterschaft lange eng. Mehrere Teams hatten bis in die Schlussphase die Chance auf den Titel. So könnte es auch dieses Mal werden, prognostiziert Klein.
Favoriten-Quintett
Die Ausgangslage jedenfalls ist eine ähnliche. Die Top-Teams sind alte Bekannte. "Flensburg, Kiel, Magdeburg und die Füchse Berlin - das sind die Top-Kandidaten auf die deutsche Meisterschaft", sagt Dominik Klein, "mit ein wenig Abstand zum Rest würde ich mit den Rhein-Neckar-Löwen von einem Favoriten-Quintett sprechen."
Die SG Flensburg-Handewitt kann auf dem Papier wohl auf den individuell stärksten Kader zurückgreifen. "Sie haben sensationelle Verpflichtungen getätigt", schwärmt Klein. Simon Pytlick und Lukas Jörgensen kommen von GOG Handball (Dänemark). Erst im Januar wurden sie mit Dänemark Weltmeister. Pytlick wurde außerdem als MVP der Saison 22/23 von der Europäischen Handball Föderation ausgezeichnet. Auf der rechten Rückraumposition kommt Kay Smith vom Ligarivalen SC Magdeburg. Er zählte in der vergangenen Saison zu den besten vier Torschützen. Auch der Trainer ist neu: der Däne Nicolej Krickau. "Es wird spannend zu sehen, wie schnell er dem Team seine Philosophie vermitteln kann und wie sie sich finden werden."
Umbruch bei Top-Teams
Beim deutschen Meister THW Kiel, Dominik Kleins Ex-Klub, steht eine andere Frage im Vordergrund: "Es ist Jahr eins nach Niklas Landin. Die große Frage wird also sein: Wird sein Nachfolger Vincent Gerard das auffangen können?" Acht Jahre lang stand Welttorhüter Landin bei den Kielern im Tor, sein Weggang ist eine Zäsur. Zwar hat der THW sich mit der Verpflichtung von Barças Gonzalo Perez de Vargas ein ähnliches Kaliber wie Landin an Land gezogen, doch der Wechsel 2025 ist noch in weiter Ferne. Auch der norwegische Superstar Sander Sagosen hat den Verein verlassen. Kompensieren wollen sie das unter anderem mit der Verpflichtung des 20-jährigen Spielmachers von den Färöer Inseln Elias Ellefsen á Skipagötu. "In der schwedischen Liga wurde er zuletzt MVP. Er gilt als großes Talent. Das ist eine spannende Personalie."
Mit Konstanz glänzte der SC Magdeburg in den vergangenen Jahren. "Bennet Wiegert hat für jede Position sein Anforderungsprofil, was zu ihm, dem Verein und seiner Spielweise passt. Daher haben sie immer eine hohe Qualität, einen hohen Standard." Der brachte ihnen zuletzt den Champions-League-Titel und die Vizemeisterschaft ein. Direkt dahinter beendeten die Füchse Berlin die vergangene Saison. "Die wollen aus den Fehlern vom letzten Jahr lernen. Und da auch mit Sicherheit im Meisterschaftsrennen anknüpfen", so Klein.
Kampf um Europa
Die Rhein-Neckar-Löwen komplettieren den Favoriten-Kreis. Klein: "Ich bin gespannt, ob sie das Niveau ausbauen können und wie sich die Spielweise um Mittelmann Juri Knorr formt." Der Spielmacher hat sich nicht nur bei den Rhein-Neckar-Löwen, sondern auch in der deutschen Nationalmannschaft zum Leistungsträger gemausert. Um die intensive Spielweise von Trainer Sebastian Hinze durchzuhalten, wurde der Kader um Knorr und Co. verbreitert: Vier Neue und zwei Rückkehrer stoßen zu den Löwen.
"Mit fünf Favoriten bleibt nicht mehr viel für den Rest übrig, wenn man an die begehrten europäischen Plätze denkt", so Klein. Der Bundesliga-Erste und -Zweite sichert sich ein Ticket für die Champions League, die Plätze drei bis fünf qualifizieren sich für die European League. "Das unausgesprochene Ziel, europäisch spielen zu wollen, ist für mich verbunden mit Teams wie Hannover, Lemgo, Leipzig oder Erlangen, die allesamt gute Arbeit leisten."
Die MT Melsungen dürfte dieses Ziel aber trotz aller Konkurrenz tatsächlich formuliert haben. "Mit so einem Etat, mit solchen Verpflichtungen gehört der Anspruch auf europäische Plätze dazu." Der namhafteste Transfer der Hessen dieses Jahr: der lettische 2,15-Meter-Hüne Dainis Krisopans. Seit Jahren stellt sich der finanzstarke Klub aus Hessen vielversprechende Kader zusammen, seit Jahren bleiben sie mehr oder weniger hinter den Erwartungen zurück. "Das Fragezeichen ist: Überrascht uns Melsungen dieses Jahr mit einer konstanten Entwicklung?"
Überraschungspotenzial
Für eine Überraschung könnte laut Klein auch der VfL Gummersbach sorgen. "Die haben mich letztes Jahr schon überrascht, wie sie Punkte eingefahren haben, die man ihnen nicht zugetraut hat. Denen traue ich wieder so eine Saison zu." Trainer Gudjon Valur Sigurdsson bringt Stabilität in die Mannschaft, unter ihm gelang 2022 der Aufstieg in die erste Liga und direkt im ersten Jahr mit Platz zehn der sichere Klassenerhalt. Julian Köster reifte noch in Liga zwei zum Nationalspieler und machte in der ersten Spielzeit im Oberhaus einen weiteren großen Entwicklungsschritt.
Schritte, die auch andere junge Spieler gehen könnten. Renars Uscin, Justus Fischer (beide Hannover), Nils Lichtlein (Füchse Berlin) und David Späth (Rhein-Neckar-Löwen) sorgten Anfang Juli dank ihres Titels bei der U21-Weltmeisterschaft für Furore. Nun wollen sie auch in der Bundesliga auf sich aufmerksam machen. "Die Junioren sollte man in dieser Saison unbedingt im Blick behalten", sagt Dominik Klein, "gerade jemand wie Nils Lichtlein, der bei der WM als wertvollster Spieler ausgezeichnet wurde oder Justus Fischer, der das Zeug dazu hat, als der nächste große Kreisläufer die deutsche Nationalmannschaft zu prägen."
Players to watch
Im Blick behalten sollte man noch ein paar weitere Spieler. "Bei der Frage, wer die 'Players to watch' sind diese Saison, wird natürlich aktuell immer über Simon Pytlick oder Dainis Krisopans gesprochen", sagt Klein, "ich habe aber noch zwei weitere auf dem Zettel, die diese Saison echt begeistern könnten."
Der Schwede Felix Claar wechselt vom dänischen Top-Klub Aalborg Handbold zum SC Magdeburg. "Der Spielmacher-Zugang beim SCM ist eine richtig geile Personalie", sagt Klein. Der 26-Jährige sei ein starkes Gesamtpaket mit Qualitäten in Angriff und Abwehr. "Außerdem ist die Last-Minute-Verpflichtung vom THW ein interessanter Spieler: Eduardo Gurbindo." Mit dem Rückraum-Rechten spielte Klein zu seiner aktiven Zeit in Nantes zusammen. "Ich habe selten mit einem so spielintelligenten Spieler zusammengespielt. Er wird viel Freude machen in der Bundesliga."
Abstiegskandidaten
Eine schwierige Bundesliga-Saison dürfte hingegen den Aufsteigern HBW Balingen-Weilstetten und ThSV Eisenach bevorstehen. "Die Aufsteiger sind die ersten, die man nennen muss, wenn es um den Abstiegskampf geht. Es ist nicht einfach, im Oberhaus anzukommen - auch wenn beide Teams alte Bekannte sind", so Klein. Balingen spielte bereits 2006 bis 2017 und 2019 bis 2022 in der Bundesliga, kämpfe sich nach dem Abstieg direkt wieder zurück. Eisenach machte 2015/16 seinen bislang letzten Abstecher in die erste Liga.
Teams wie die HSG Wetzlar oder der TVB Stuttgart, die sich auch schon in der vergangenen Saison schwer getan haben, werden versuchen, zu diesen Teams möglichst schnell Abstand zu bekommen, um nicht in den Tabellenkeller hineinzurutschen. "Für Wetzlar wird es insbesondere darum gehen Konstanz reinzubringen, der TVB hofft auf einen positiven Effekt durch die Verpflichtung von Nationalspieler Kai Häfner", erklärt Klein.