Einzelkritik DFB-Elf Beier und Musiala stark, Probleme für Kimmich
Gegen tief stehende Ukrainer hatte das deutsche Offensivspiel naturgemäß Probleme. Wirtz, Havertz, Musiala und Co. probierten einiges - mit wenig Erfolg. Hinten offenbarte ein Routinier Tempoprobleme.
Manuel Neuer: Gewohnt ruhig und souverän bei seinem Comeback-Spiel nach 18-monatiger Länderspiel-Pause. Zunächst weitgehend beschäftigungslos, aber dann hellwach, als er in der 37. Minute erstmals reaktionsschnell gegen Yaremchuk parieren musste. Klasse im Eins-gegen-eins gegen Mudryk in der 60. Minute. Allerdings: Haarsträubender Fehlpass nach dem Herauslaufen kurz vor Schluss, als ihn nur ein Abseitspfiff vor dem spielentscheidenden Fehler bewahrte.
Joshua Kimmich: Auf der rechten Abwehrseite in einer schwierigen Rolle. Eigentlich ständig im Aufbauspiel gefordert. Wurde dabei zunehmend nach vorn gedrückt, um bei Ballverlust auch gleich im Gegenpressing mit einsteigen zu können. Dadurch aber mit enorm viel Spielfeld hinter sich, das er gegen den schnellen Mudryk verteidigen musste. Im Sprintduell mit dem Ukrainer auf verlorenem Posten. Sichtbar einmal in der ersten Hälfte, als ihm der Ukrainer schlicht auf der Außenbahn davonlief.
Deutschlands Joshua Kimmich behauptet den Ball gegen Ukuraines Olexander Sintschenko
Jonathan Tah: Stabil, selbstbewusst, fehlerfrei: Bis zur 35. Minute, als er unter Druck am eigenen Sechzehner zu einem Dribbling ansetzte und prompt den Ball gegen Tsygankov verlor. Ansonsten: Top-Länderspiel des Leverkuseners, der auch immer wieder im Spielaufbau mit klugen Pässen Qualität zeigte und sich im Gegenpressing enorm weit nach vorn wagte. Wurde ausgewechselt nach 59 Minuten.
Waldemar Anton: Ein bisschen Nervosität war dem Stuttgarter Innenverteidiger in den ersten Minuten natürlich anzumerken. Was auch zu der ein oder anderen technischen Ungenauigkeit im Aufbauspiel führte. Aber seine Aggressivität, Griffigkeit und körperliche Präsenz tat dem deutschen Spiel im Gegenpressing gegen die technisch starken Ukrainer zunehmend gut. Die Absprache mit Nebenmann Jonathan Tah funktionierte gut.
Maximilian Mittelstädt: Enorm, welchen Leistungssprung der ehemalige Berliner in Stuttgart gemacht hat und das auch in der Nationalmannschaft bestätigt. Stark und selbstbewusst auf der linken Abwehrseite, immer hellwach. Mit zwei guten Not-Rettungsaktionen in der ersten Hälfte, als er gegen konternde Ukrainer den letzten Pass abfing. Gut im Kombinationsspiel mit den offensiven Leuten, voll eingebunden in die Dreiecke mit Wirtz, Havertz und Gündogan, die viele Aktionen über die linke Seite starteten.
Maximilian Mittelstädt in Aktion gegen die Ukraine
Robert Andrich: Selbstbewusster Auftritt des 29-Jährigen, der auch in der Nationalmannschaft wie selbstverständlich nicht nur die Rolle des Abräumers einnimmt. Der Leverkusener ist mittlerweile enorm wichtig auch im Aufbau, wo er sich selbst in Kombinationen auf engstem Raum kaum einmal einen Fehlpass leistet. In der 31. Minute mit einer großen Freistoßchance, die er leider nicht zu nutzen wusste. Ausgewechselt nach 70 Minuten.
Pascal Groß: Schade: In der 29. Minute hätte der Ersatzmann für Toni Kroos eigentlich ein Tor machen müssen, als er einen starken Rückpass von Jamal Musiala unbedrängt aus 16 Metern über den Kasten setzte. Davon abgesehen ein richtig starkes Länderspiel des England-Legionärs, der gemeinsam mit Robert Andrich das Spiel aus dem defensiven Mittelfeld heraus dirigierte und gestaltete. Tolle Flanke in der 15. Minute auf Ilkay Gündogan, die allein ein Tor wert gewesen wäre.
Pascal Groß während des Spiels gegen die Ukraine
Jamal Musiala: Der deutsche Unterschiedsspieler in der Offensive - das war auch gegen die tief stehende Ukraine wieder deutlich zu sehen. Seine Dribblings sind es, die den gegnerischen Verteidiger selbst auf engstem Raum in Nöte bringen können. Viele tolle Ansätze, am Ende fehlte nur der letzte Pass oder letzte Tor-Abschluss zum zählbaren Erfolg. Ging raus nach 59 Minuten.
Florian Wirtz: Wie Musiala legte auch der Leverkusener Youngster ein feuriges Spiel hin, das für ihn allerdings nach 45 Minuten beendet war. Die Räume waren extrem eng, dennoch konnte sich Wirtz zweimal mit Kombinationen in gute Abschlusspositionen jeweils aus der Distanz spielen - traf aber das Tor nicht. Für ihn durfte in der zweiten Hälfte Chris Führich ran.
Ilkay Gündogan: Nach einer Viertelstunde mit der Riesenchance zum 1:0, als sein Timing nach toller Flanke von Pascal Groß beim Kopfball nicht stimmte. Insgesamt musste der deutsche Kapitän gegen die tief stehenden Ukrainer weit nach vorn rücken, um dem Aufbauspiel von Groß und Robert Andrich Raum zu geben. Das ist nicht seine optimale Position. Zur Halbzeit wurde er ausgewechselt.
Kai Havertz: Undankbare Partie für den England-Legionär, der sich in der Sturmspitze kaum einmal über einen Meter Platz freuen konnte, weil die Ukrainer hinten so tief und massiv positioniert waren. Versuchte sich immer wieder mit kleinen Antritten in der Tiefe anzubieten, wurde aber selten gefunden. Es war einfach zu eng vorn drin. Nach 45 Minuten bekam er mit Deniz Undav einen Partner an die Seite gestellt, was ihn etwas entlastete. Nach 59 Minuten wurde er ausgewechselt.
Deniz Undav (ab 46. Minute): Sorgte nach seiner Einwechslung für viel frischen Wind im deutschen Angriffsspiel. Hätte nach gut 50 Minuten treffen können, als er von Führich 14 Meter vor dem Tor freigespielt wurde. Schoss jedoch einen heranfliegenden Ukrainer an. Läuferisch sicher nicht der agilste, aber immer da, wenn es im Sechzehner gefährlich wurde.
Deniz Undav in Aktion gegen die Ukraine
Chris Führich (ab 46. Minute): Agil auf der linken Seite, hatte keinerlei Anlaufschwierigkeiten. Gut in der Vorbereitung von mindestens drei Torgelegenheiten in der zweiten Hälfte. Selbst mit der Chance zum 1:0 zehn Minuten vor Schluss, als er aus 15 Metern dem ukrainischen Keeper in die Arme schoss.
Thomas Müller (ab 59. Minute): Inmitten der Fülle an jungen Offensivspielern war der Routinier sichtlich um Ordnung bemüht. Positionierte sich als Anspielstation und schlichter Ballverteiler - was wirklich Sinn ergab. Untauglich sein Versuch, 20 Minuten vor dem Ende nach einem leichten Schubser im gegnerischen Strafraum einen Foulelfmeter zu fordern.
Robin Koch (ab 59. Minute): Unauffällig nach seiner Einwechslung. War kaum ins Spiel eingebunden. War aber auch nicht zu sehen, als die Ukrainer in der Schlussphase zu der ein oder anderen Konterszene kamen.
Maximilian Beier (ab 59. Minute): Zwei Minuten auf dem Feld, da hatte er die große Gelegenheit zum 1:0: Gut in die Tiefe gestartet, schoss er aus der Drehung an den rechten Innenpfosten. Tolle Aktion des Hoffenheimers. Wie zwei Minuten später, als er nach Müllers Vorarbeit per tollem Dropkick am ukrainischen Torhüter scheiterte.
Alexander Pavlovic (ab 70. Minute): Der junge Münchener durfte auch noch ran, fügte sich ebenfalls gut ins Offensivspiel ein. Zuweilen etwas zu offensiv orientiert, das gab den Ukrainern in der Schlussphase die Möglichkeit, häufiger zu kontern. Auch, weil das deutsche Gegenpressing nicht mehr so konsequent funktionierte.