Einsatz von Tränengas Stadionkatastrophe in Guinea - "Verband ist gefordert"
Die Stadionkatastrophe in Guinea hat möglicherweise weit über 100 Todesopfer gefordert.
Kambaly Kouroumah sucht verzweifelt in einem Leichenschauhaus in Nzérékoré nach seinem jugendlichen Bruder Adama. Während eines Fußballspiels in der Stadt im Süden Guineas war im überfüllten Stadion Chaos ausgebrochen. Die Regierung hatte am Montag von 56 Todesopfern gesprochen.
Katastrophe in Guinea - Opferzahl noch unklar
Ein Bündnis von Menschenrechtsorganisationen, das Collective of Human Rights Organizations in der Region Nzérékoré spricht dagegen von mindestens 135 Opfern. Die neue Opferzahl basiert nach Angaben der Menschenrechtler auf Informationen von Krankenhäusern, Leichenhallen, Friedhofsaufsehern, Pfarrern und Imams sowie Augenzeugen.
Mehr als 50 Menschen werden demnach noch vermisst, darunter auch der 15-jährige Adama. "Ich will ihn jetzt sehen, tot oder lebendig", sagt ein am Boden zerstörter Kouroumah.
Wie Kouroumah suchen viele Menschen in Krankenhäusern und Leichenhallen nach vermissten Angehörigen. Das Unglück hatte sich am Sonntag (01.12.2024) bei einem Turnier zu Ehren von Militärmachthaber Mamadi Doumbouya ereignet, der vor drei Jahren den gewählten Präsidenten stürzte. Guinea steht damit auf der Liste der Staaten in Westafrika, in denen es in den vergangenen Jahren zu Militärputschen kam.
Kongo: 100.000 Fans in 80.000-Stadion
Einer, der sich mit den Gegebenheiten im afrikanischen Fußball auskennt, ist Michel Dinzey. Der ehemalige Bundesligaprofi, der 33 Länderspiele für den DR Kongo bestritt, wundert sich nicht über derartige Katastrophen, wie sie jetzt wieder in Guinea passiert ist: "Die Sicherheitsstandards in Afrika sind einfach meilenweit von dem entfernt, was wir hier in Europa kennen. Wenn wir mit der Nationalmannschaft gespielt haben, haben sich in einem Stadion mit einem Fassungsvermögen von 80.000 nicht selten über 100.000 Fans gedrängt."
Michel Dinzey als Trainer
Für den 52-Jährigen, der auch schon als Nationaltrainer für die U20-Auswahl DR Kongos tätig war, sind chaotische Szenen in und vor afrikanischen Fußballstadien indes nichts Außergewöhnliches: "Ich habe selbst als Spieler und Trainer in Afrika überkippende Emotionen in Stadien und auch Gewaltszenen erlebt. Ich musste als Trainer mit meinem Team in Kongos Hauptstadt Lubumbashi während eines Spiels in den Mittelkreis flüchten, weil von den Rängen faustgroße Steine flogen."
"Aufgestauter Frust bricht aus"
Dinzey möchte aber nicht europäische Standards bei afrikanischen Verhältnissen anlegen: "Wir dürfen nicht meinen, dass wir hier immer von organisatorischem Chaos in Afrika reden sollten. Aus afrikanischer Sicht sind die Verhältnisse okay - in den allermeisten Fällen passiert ja auch nichts." Dinzey erklärt: "In Afrika erhalten Fußballspiele oft eine ganz andere Bedeutung. Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit - ein Stadion ist häufig der Ort, wo der aufgestaute Frust oder die Freude dann regelrecht aus den Menschen herausbricht."
Abfinden möchte sich aber auch der ehemalige Profi, der für Hertha BSC, St. Pauli, den VfB Stuttgart und 1860 München 88 Bundesligaspiele absolvierte, nicht mit dem Status quo in Afrika: "Es ist die Aufgabe des afrikanischen Fußballverbandes CAF, mit mehr Standards für mehr Sicherheit zu sorgen."
88 Spiele in der Bundesliga - Michel Dinzey
Guinea - keine internationalen Spiele zugelassen
Die Katastrophe in Guinea, wo die CAF wegen Sicherheitsbedenken derzeit gar keine internationalen Spiele zulässt, nahm im Finale des Wettbewerbs ihren Lauf. In der fußballbegeisterten Nation hatte das zweiwöchige Turnier in Nzérékoré, fast 1.000 Kilometer Straße von der Hauptstadt Conakry entfernt, nicht nur Erwachsene und Jugendliche angezogen, sondern auch Kinder.
Im Endspiel kämpfte die Heimmannschaft gegen ein Team aus Labé im Norden Guineas. Nach einem umstrittenen Elfmeter kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Fans der beiden Vereine. Einige warfen mit Steinen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen, wie lokale Medien berichteten.
Tränengas sorgt für Massenpanik
Das Tränengas und die Auseinandersetzungen zwischen Fans führten zu einer Massenpanik. Viele Menschen strömten von den überfüllten Rängen auf das Spielfeld oder versuchten, im Chaos aus dem Stadion zu gelangen. Einige kletterten dabei über hohe Zäune. Viele mühten sich darum, durch den Haupteingang des Stadions zu entkommen - und wurden dabei zu Tode getrampelt.
Der Lokalsportreporter Cissé Lancine schätzte die Zahl der Zuschauer im Stadion auf 20.000 bis 30.000. Die Menschenrechtsorganisationen haben den Einsatz von Tränengas kritisiert und den Sicherheitskräften vorgeworfen, die Stadioneingänge mit ihren Fahrzeugen blockiert zu haben.