Ärger mit TV-Experten Die Bundesliga und ihr verlernter Umgang mit Kritik
Immer wieder kommt es nach Kritik von TV-Experten zu drastischen Reaktionen aus der Fußball-Bundesliga. Medienwissenschaftler Christoph Bertling ordnet diese Vorgänge ein.
Der eine spricht von "Quatsch", der andere von "einer absoluten Frechheit". Zwar stehen sich am Freitag (24.11.2023) die Trainer Steffen Baumgart und Thomas Tuchel in der Bundesliga beim Spiel 1. FC Köln gegen Bayern München als Gegner gegenüber - sie beide aber eint ihr Umgang mit der Kritik von TV-Experten wie Dietmar Hamann oder Lothar Matthäus.
Bertling: "Muss Respekt haben, wenn es kritisch wird"
Während die meisten Coaches Experten-Aussagen bislang als unliebsame Nebengeräusche abhakten, wehrten sich Tuchel und auch Baumgart zuletzt öffentlich. Für Medienwissenschaftler Christoph Bertling von der Deutschen Sporthochschule Köln sind dies "kommunikative Schutzschilder", wie der Experte gegenüber dem "Sportinformationsdienst" betonte. Gleichzeitig gehöre Kritik zum "Metier". "Man muss den Respekt davor haben, wenn es kritisch wird. Es kann auch lauter werden. Die Argumente müssen im Vordergrund stehen", sagte Bertling.
Dass Trainer jedoch durchaus empfindlich reagieren können, etwa wie Tuchel nach dem Sieg im Topspiel bei Borussia Dortmund (4:0) am Expertentisch bei "Sky", hänge auch mit der allgemeinen Entwicklung der Branche zusammen. "Man merkt, dass Vereine eigene Kommunikationswelten entstehen lassen und sie diese Kritik nicht mehr zulassen", so der Wissenschaftler. Dies führe dazu, dass die Personen im Rampenlicht "nicht gewohnt" sind, "die Kritik auszuhalten" und sie sich somit schnell angegriffen fühlen.
Eigene Plattformen sind wichtiger als Journalismus
Früher hätten Vereine höchstens über ihre Homepages informiert, "mittlerweile hat man Content-Marketing-Maschinerien, die absolut stark funktionieren", so Bertling. Auf diesem Wege "kann ich meine Sachen, die mir wichtig sind, selbst ganz gut kommunizieren und brauche den Journalismus nicht".
Das habe zur Folge, dass der Journalismus automatisch mitunter zu einem kleinen "Ärgernis" werden könne. "Alles, was von außen kommt, wird dann als Kritik gesehen, wenn es nicht in die Scheinwelt passt", so Bertling. Dennoch gehörten derlei Reibereien zum Geschäft und machten dessen Reiz aus. "80 Prozent in Deutschland, wenn nicht sogar mehr", hätten sich beim verbalen Hin und Her zwischen Matthäus und Tuchel in Dortmund "bestens unterhalten gefühlt", schätzte Bertling.
Durch steigende Lizenzgebühren würden Sender allein aus Kostengründen gerne auf zusätzliche Experten zurückgreifen, und hier ist die Rechnung einfach. Mehr Experten, mehr Meinungen, mehr Reibereien. So lange sich alle an die Regeln halten, sieht Bertling keine Probleme. Ein Experte müsse "sachgerecht einordnen können", sagte er: "Empathie wäre immer Parteilichkeit und die darf ein Experte nicht haben."