NHL-Profi Nico Sturm Der Unbekannte mit der "super Story"
Nico Sturm hat es spät in die NHL geschafft - und trotzdem den Stanley Cup gewonnen. Namensvetter Marco Sturm nennt ihn und seinen Weg ein "tolles Vorbild für junge Spieler."
Der Jahrgang 1995 gilt in Eishockey-Deutschland als ein besonderer. Und das liegt nicht nur an Superstar Leon Draisaitl. Dominik Kahun und Jonas Müller, die 2018 beim Sensations-Silber von Pyeongchang dabei waren und im 3:4 nach Verlängerung knapp verlorenen Finale gegen die Olympischen Athleten aus Russland jeweils trafen, gehören ebenfalls dazu.
Und dann gibt es noch einen, der zwar im Gegensatz zu den anderen Dreien noch kein A-Länderspiel bestritten, dafür aber bereits die begehrteste Eishockey-Trophäe der Welt gewonnen hat: Nico Sturm. Am 26. Juni 2022 holte er mit der Colorado Avalanche den Stanley Cup. Als fünfter Deutscher nach Uwe Krupp, Dennis Seidenberg, Tom Kühnhackl und Philipp Grubauer.
Vielen denken eher an Marco Sturm
Nun ist der Name "Sturm" in Sportdeutschland ein fester Begriff - auch außerhalb der Eishockey-Blase. Allerdings denken viele eher an Marco Sturm, der zum einen deutscher NHL-Rekordspieler ist und zum anderen die Nationalmannschaft als Trainer zu eben jenem Olympia-Silber vor knapp fünf Jahren geführt hatte. "Ich bin zum Anfang meiner Profi-Karriere relativ häufig auf ihn angesprochen worden", sagt Nico Sturm im Gespräch mit sportschau.de. Und selbst heute passiere ihm das "ab und zu noch."
Doch durch seinen Stanley Cup-Triumph habe es sich "mittlerweile in Deutschland rumgesprochen", betont Nico Sturm, dass er mit Marco Sturm weder verwandt, noch verschwägert sei. Er hat ohnehin seine eigene Geschichte zu bieten, dieser 27-jährige Stürmer aus Augsburg. Eine Geschichte, die Marco Sturm gegenüber sportschau.de als "super Story" bezeichnet. "Nico ist ein tolles Vorbild für junge Spieler in Deutschland. Denn auch im späteren Alter kann man einiges erreichen", so der ehemalige Bundestrainer.
Mit 18 Jahren aus Kaufbeuren nach Texas
Dass Nico Sturm in Deutschland lange Zeit kaum bekannt war, liegt daran, dass er Deutschland als 18-Jähriger verlassen hat. Vom ESV Kaufbeuren wechselte Sturm 2014 in die USA. Sein Ziel: "Eine gute Ausbildung und mit beiden Beinen im Leben stehen." Zudem wollte er am College Eishockey spielen und sich so die Möglichkeit schaffen, "vielleicht später mal Profi werden zu können."
NHL? Sturm schüttelt den Kopf. "Viel zu weit weg." Er sei damals "talentmäßig nicht so" gewesen, als dass er "da irgendwie auf die NHL schauen konnte", sagt Sturm. "So realistisch war ich schon."
In unteren Ligen quer durch das Land
Dass er nun mittlerweile 196 NHL-Partien (Vorrunden und Playoffs) absolviert und zudem den Stanley Cup gewonnen hat, ist das Ergebnis eines langen Weges, der ihn nicht geradeaus auf die NHL-Bühne führte, sondern durch die unteren Ligen des amerikanischen Eishockeys - und quer durchs Land. Sturm erinnert sich vor allem an "neun, zehn Stunden im Bus", wenn er über seine Stationen in den Bundesstaaten Texas, Nebraska, New York und Iowa spricht.
Es war die Zeit, in der Marco Sturm erstmals auf ihn aufmerksam wurde. In seiner Funktion als Bundestrainer hatte er sich auch in den nordamerikanischen College-Ligen umgesehen - und so Nico Sturm gefunden. Der war kurz vor seinem 24. Geburtstag, am 4. April 2019, in der NHL angekommen, gab im Heimspiel der Minnesota Wild gegen Boston sein Debüt in der stärksten Eishockeyliga der Welt.
Draisaitl: "Nico hat hart an sich gearbeitet"
In einer Karriere gehe es nie immer nur nach oben, hat Sturm gelernt. "Ich habe einfach immer mein Ding gemacht, bin meinen Weg weitergegangen." Sein Werdegang und Wille beeindrucken Leon Draisaitl, der in der Jugend öfter gegen Sturm gespielt hat. "Ich glaube, dass der Nico sehr hart an sich gearbeitet hat, für eine lange Zeit. Dass er den Weg in die NHL gefunden und sich etabliert hat, darüber kann man sich natürlich nur freuen", so Draisaitl.
Mitte Juli wurde Sturm auch finanziell entlohnt. Bei den San Jose Sharks unterschrieb er einen Drei-Jahres-Vertrag und bekommt dafür sechs Millionen Dollar. Der Stanley Cup, so Sturm, habe da "sicherlich geholfen." Auch bei der Rolle im Team und in der Wahrnehmung. In Colorado spielte er in der vierten Reihe. Und er spielte in einem Team, das eben herausragend besetzt war. "Die Tiefe im Kader war unglaublich", sagt Sturm.
Neues Team und neue Rolle in San Jose
Bei den kalifornischen Haien stürmt Sturm in der dritten Reihe, bekommt somit mehr Eiszeit als noch in Colorado. Und wer länger auf dem Eis ist, hat eben auch mehr Gelegenheiten, Tore zu schießen. In 40 Spielen hat Sturm bereits seinen Karriere-Bestwert von elf Treffern pro Saison eingestellt.
Den Weg nach San Jose hat er bewusst gewählt. "Ich wollte den nächsten Schritt als Spieler machen", sagt Sturm. Dass er dafür zu einem schwächeren Team gehen musste, sei ihm natürlich bewusst gewesen. Bei den Sharks ist Sturm fester Bestandteil im Unterzahlspiel und bekommt auch in Überzahl in der zweiten Powerplay-Reihe stets seine Chance.
Nationalmannschafts-Debüt bei der WM?
Allerdings wird er wohl mit San Jose die K.o.-Runde verpassen. Derzeit liegen die Sharks 18 Zähler hinter einem Playoff-Platz zurück. Und somit könnte Nico Sturm womöglich im Mai einen "riesigen Meilenstein", wie er es selbst nennt, erreichen - und sein Debüt in der Nationalmannschaft geben. Bei der WM in Finnland und Lettland. Im Alter von 28 Jahren. Eigentlich sollte und wollte er bereits bei den Winterspielen vor knapp einem Jahr erstmals das Trikot der DEB-Auswahl tragen. Doch dann untersagte die NHL wegen Covid ihren Profis die Reise nach Peking. Aber Nico Sturm hat in seiner Karriere gelernt, dass es manchmal eben etwas länger dauert, um ans Ziel zu kommen.