Vor Olympia in Paris Große Zweifel an Dopingtests bei russischen Athleten
Russische Athletinnen und Athleten dürfen unter Auflagen an den Olympischen Spielen in Paris teilnehmen. Sie dürfen nichts mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und dem Militär zu tun haben. Und: Sie müssen im Vorfeld ausreichend auf Doping getestet worden sein. Aber daran gibt es große Zweifel.
Nicht in allen Sportarten, aber in einigen wie Schwimmen, Fechten, Kanu, Judo, Ringen, Rudern, Turnen, Segeln - könnten russische Athleten tatsächlich in Paris am Start stehen. Als neutrale Sportler. Welche und wie viele - das wird das IOC noch entscheiden.
Deutsche Verbände haben Zweifel an Chancengleichheit
Eine Voraussetzung: die jeweiligen Athleten müssen in der Vorbereitung auf die Spiele streng getestet worden sein. Woran beispielsweise der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) große Zweifel hat. "Uns ist bislang leider nicht bekannt, wer in Russland trotz Kriegszustand gerade wie und wie oft unangemeldet bei Dopingkontrollen durch unabhängige Instanzen überhaupt getestet werden kann", teilt der Verband auf Anfrage mit. Der DSV glaubt deshalb nicht an Chancengleichheit: "Allein dieser Mangel an Transparenz ist kein gutes Zeichen und stimmt uns skeptisch."
Zweifel hat auch der Deutsche Fechter-Bund (DFB). "In einer Kriegssituation müssen wir davon ausgehen, dass das Dopingkontrollsystem im jeweiligen Land nicht engmaschig und lückenhaft funktionieren kann und somit auch die Wirksamkeit fraglich ist", teilt DFB-Sportdirektor Tobias Kirch mit: "Da die als individuelle neutrale Athlet*innen startenden Russ*innen im Fechten und sicher auch in den meisten Sportarten eine Vielzahl an internationalen Wettkämpfen bestreiten müssen, um sich überhaupt noch für die Olympischen Spiele zu qualifizieren, sollte hier eine starke Fokussierung der Tests auf diese Athlet*innen gewährleistet werden."
Auch der Deutsche Turner-Bund äußert sich kritisch. "Für eine Teilnahme an internationalen Wettkämpfen wären wirksame, breitflächige Anti-Doping-Maßnahmen eine Voraussetzung", heißt es vom DTB.
US-Anti-Doping-Chef fordert unabhängiges Gremium
Das Problem ist nicht nur der Krieg, sondern auch die russische Anti-Doping-Agentur RUSADA. Die ist nach den Dopingskandalen der Vergangenheit noch suspendiert. Für Travis Tygart, den Anti-Doping-Chef der USA, ein nicht tragbarer Zustand: "Wie können wir uns zurücklehnen und russische Sportler in Paris antreten lassen, gegen Sportler aus der Welt, die unter höchsten Standards von ihren Organisationen getestet wurden."
Tygart fordert ein unabhängiges Gremium, das alle russischen Sportler überprüft:"Ich denke, Russland hat die Olympischen Spiele beschmutzt. Mindestens seit 2014 oder 2012. Und es gab seitdem bei jeden Sommer- wie Winterspielen ein Problem. Ich denke, es ist endlich Zeit, dass wir ehrlich sind, was es wirklich braucht, um sicherzugehen, dass Russland die Olympischen Spiele nicht weiter mit dem Doping-Thema besudelt."
"Russen gehören zu den am meisten getesteten Sportlern überhaupt"
Das IOC verweist auf die Internationale Testing Agency ITA, die für die Doping-Kontrollen gerade während und im Vorfeld von Olympischen Spielen zuständig ist. Deren Generaldirektor Benjamin Cohen kann die Bedenken nachvollziehen: "Die Leute denken, Russland, die hatten so viel Probleme, sind außerhalb des Anti-Doping-Systems, und tauchen dann plötzlich in Paris auf. Nein, das ist nicht die Realität. Die tauchen nicht plötzlich auf. Wir folgen ihnen jeden Tag, wir testen sie jeden Tag. Und wenn wir das Gefühl haben, sie sind für Paris qualifiziert und noch nicht ausreichend getestet, dann testen wir sie noch mehr. Um ehrlich zu sein, gehören sie zu den am meisten getesteten Sportlern überhaupt."
Eine Firma, die Dopingkontrollen in Russland durchführt, kommt aus Deutschland. Die Firma PWC aus Gilching bei München mit Geschäftsführer Volker Laakmann. "Wir haben Kontrolleure in Russland, die arbeiten schon sehr, sehr lange für uns. Wir stellen in der Zusammenarbeit keinen Unterschied fest. Zu den anderen Kontrollen, die wir sonst durchführen", sagt Laakmann.
Dass jemand auf die Dopingkontrollen in Russland Einfluss nimmt, die Sportler vor unangemeldeten Tests warnt, lasse sich aber nicht ausschließen: "Ausschließen lässt sich das in einigen Ländern nicht. Ich glaube auch, dass in bestimmten vielleicht etwas abgelegeneren Regionen, wenn dort Dopingkontrolleure anreisen, das vielleicht schon eher bekannt ist, als wir eigentlich wollen. Weil sie einfach gesehen werden. Also diese 100-Prozentigkeit, das kann man mit Sicherheit nicht erkunden. Gerade wenn, ein staatliches System dahinterstecken sollte. Wie sollen wir das irgendwie nachweisen, sehen oder sonst irgendwie können?"
Bei den Kontrollen in Russland ist Laakmann bisher nichts Verdächtiges aufgefallen. Die Zweifel in der Sportwelt aber bleiben - und werden größer, sollten russische Sportler in Paris tatsächlich Medaillen gewinnen.