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Verhandlungsbeginn Bremen gegen DFL - wer trägt Polizeikosten bei Hochrisikospielen?

Stand: 25.04.2024 16:44 Uhr

Wer bezahlt Polizeikräfte bei besonders riskanten Fußballspielen? Mit dem seit neun Jahren währenden Rechtsstreit hat sich am Donnerstag (25.04.2024) erstmals das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigt.

Mit der Verfassungsbeschwerde wehrt sich die Deutsche Fußball Liga (DFL) gegen die Gebührenzahlung in Bremen für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen.

Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet

Die DFL als Dachorganisation der 1. und 2. Bundesliga sieht die Finanzierung des Polizeiaufwands ganz im Verantwortungsbereich der Bundesländer. Der Stadtstaat Bremen will einen Teil der Kosten an die Liga weiterreichen. Nun soll das höchste deutsche Gericht entscheiden. Das Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer verteidigte zu Beginn der Verhandlung die aus seiner Sicht angemessene Beteiligung des Profifußballs an den Polizeikosten. Die Bundesländer seien durch den polizeilichen Mehraufwand bei Bundesliga-Spielen weiterhin hoch belastet, sagte der SPD-Politiker. Maßnahmen, dem Gewaltpotenzial im Rahmen der Spiele entgegenzuwirken, hätten bislang nicht den gewünschten Erfolg gebracht: "Die Kosten tragen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler."

Klaus Hempel, Sportschau, 25.04.2024 16:28 Uhr

Als Hochrisikospiele werden solche Spiele bezeichnet, bei denen besonders mit Auseinandersetzungen zwischen den Fanlagern gerechnet wird. Nach DFL-Angaben gab es in der Saison 2022/23 bei insgesamt 612 Begegnungen in der 1. und 2. Liga 52 sogenannte "Rotspiele".

Beginn des Streits im Jahr 2015

Den ersten Gebührenbescheid bekam die DFL 2015 - damals zu einer Bundesliga-Partie zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV. Weitere folgten. Insgesamt geht es nach Angaben der Stadt Bremen um Gebühren in Höhe von mehr als drei Millionen Euro, von denen die DFL bislang rund zwei Millionen gezahlt haben soll.

Der Schritt hin zur Gebührenerhebung sei dem Stadtstaat nicht leicht gefallen, sagte Mäurer. Ihm sei es stets um eine angemessene Beteiligung gegangen. Lediglich neun Spiele seien seit Einführung der umstrittenen Regelung als "Rotspiele" eingestuft worden, betonte Mäurer vor dem ersten Senat. Es gehe daher im Fall Bremen nur um ein Spiel pro Saison, bei der die DFL zur Kasse gebeten würde. Auch in anderen europäischen Ländern müssten sich die Veranstalter von Fußballspielen an den Kosten beteiligen. Bei normalen Bundesliga-Spielen in Bremen sind 500 bis 600 Ordnungskräfte im Einsatz, bei Hochrisikospielen 800 bis 1.000, wie bei der Verhandlung erklärt wurde.

Mäurer schlägt Aufteilung von DFL-Summe auf die Bundesländer vor

Mäurer sprach sich für eine Einigung mit der Deutschen Fußball Liga zu den Polizeikosten bei Hochrisikospielen aus. "Das Problem kann man sehr einfach lösen, indem einfach die DFL eine Summe x bereitstellt", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in Karlsruhe. "Diese wird dann nach dem Aufwand der einzelnen Länder verteilt. Natürlich bekommt Nordrhein-Westfalen das meiste, weil sie auch am meisten belastet sind."

Man brauche kein bundesweites Gebührenrecht, erklärte Mäurer mit Blick auf die Bremer Besonderheit. "Das ist nur ein Weg gewesen, um überhaupt ins Verfahren zu kommen." Es sei nie um eine Übernahme aller Kosten gegangen, sondern um eine Beteiligung. "Und das kann man auch vernünftig untereinander regeln und ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr so weit sind, dass wir das zum Abschluss bringen."

DFL-Anwalt: Kosten könnten Drittligisten und Regionalligisten überfordern

Die DFL hob zum Auftakt der Verhandlung die Sicherheit bei Spielen hervor. "Fakt ist, die Bundesligisten investieren signifikant in präventive Maßnahmen", sagte DFL-Geschäftsführer Marc Lenz am Donnerstag in Karlsruhe. "Fakt ist auch, dass das Stadionerlebnis in Deutschland sehr sicher ist. Und das bei bis zu 20 Millionen Zuschauern pro Jahr."

Der Fußball habe generell eine Wirkung, die über die 90 Minuten hinausgeht, sagte Lenz. Dies beinhalte alle Aspekte der Gesellschaft, sämtliche positive, aber auch negative. Die Polizei sei bei den Präventionsmaßnahmen ein sehr wichtiger Partner. DFL-Anwalt Bernd Hoefer warnte davor, dass Gebühren Drittliga-Klubs - die unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) spielen - überfordern würden. Polizeikosten in Höhe von 400.000 Euro können laut DFL-Anwalt Jürgen Paepke bei einem "Drittligisten oder für eine Mannschaft in der Regionalliga zu größeren Schwierigkeiten führen".

Vergleich mit anderen Großveranstaltungen

Im Kern gehe es um die Sicherheit bei Großveranstaltungen aller Art, sagte Lenz zu dem inzwischen neun Jahre andauernden Rechtsstreit. Hoefer verwies darauf, dass die Polizeikosten für Klimaaktivisten bei der Automobilmesse in München auch nicht dem Veranstalter in Rechnung gestellt werden. Außerdem würde die Polizei über die Zahl der Einsatzstunden, die am Ende in Rechnung gestellt werden, selbst entscheiden.

Dieser Punkt interessierte auch den Vorsitzenden des Ersten Senats am Bundesverfassungsgericht, Stephan Harbarth: Ob 400 oder 900 Polizeikräfte eingesetzt werden - "hält man da den Daumen in den Wind?" Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte ausführlich, wie komplex solche Einsätze rund um ein Spiel seien. Deshalb habe sie ein grundsätzliches Interesse daran, Einfluss auf die Einsatzstunden zu nehmen.

Deutscher Anwaltverein sieht DFL-Erfolgschancen eher gering

Nach Einschätzung des Deutschen Anwaltvereins sieht es in dem Rechtsstreit nicht gut aus für die Klage der DFL. "Wir sehen das im Ergebnis genauso wie auch schon das Bundesverwaltungsgericht. Grundrechte der DFL sind nicht verletzt", sagte Sebastian Nellesen, Mitglied des Ausschusses für Verfassungsrecht beim DAV vor der Verhandlung. Der umstrittene Absatz im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz sei verfassungsgemäß.

"Letzten Endes ist es eine politische Frage, ob man entsprechende Gebührentatbestände einführen möchte oder nicht", erklärte Nellesen. "Nur ist das keine Frage, die das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden hat." Diese Entscheidung liege bei den Gesetzgebern, also in diesem Fall den jeweiligen Länderparlamenten. Wie viele Länder dem Bremer Beispiel im Falle einer Abweisung der Klage folgen würden, bleibt offen.