Annett Kaufmann

Vor der Tischtennis-EM in Linz Annett Kaufmann - "Die Ambition ist, eine Medaille mitzunehmen"

Stand: 10.10.2024 07:47 Uhr

Tischtennisspielerin Annett Kaufmann hat ein turbulentes Jahr erlebt. Vor der EM spricht sie im Exklusiv-Interview über das reine erste Profijahr, Nachwuchsförderung und wie Lieblingsmusik und Spielvorbereitung zusammen hängen.

Sportschau: Annett, nächste Woche beginnt die EM. Sie haben sehr turbulente Wochen hinter sich im ersten Profijahr mit aufregenden Olympischen Spielen. Wie waren die letzen Wochen und Monate für Sie?

Annett Kaufmann: Die letzen Monate waren schon sehr anstrengend mit dem Abitur, mit Olympia und jetzt hatte ich Gott sei dank Urlaub nach Olympia. Das habe ich wirklich gebraucht. Anfang September hat dann wieder der Rhythmus angefangen mit mehr Training, mehr Umfang und höherer Intensität.

Sie haben bei Olympia gleich mehrere Weltklassespielerinnen geschlagen. Hat sich danach die Wahrnehmung Ihrer Person geändert?

Ich denke schon, dass ich jetzt, naja, eher "ernst" genommen werde. Vielleicht das falsche Wort, aber dass sich Leute doch eher ein Video angucken und mich analysieren. Was mir am meisten aufgefallen ist, dass ich auf der Straße mehr erkannt werde. Vor allem in meinem Heimatort Bietigheim. Da habe ich mich eigentlich immer etwas "verstecken" können. Ich war Annett, aber niemand wusste, wer Annett ist. Jetzt ist das etwas anders. Es ist aber immer noch in einem Rahmen, der okay ist.

Annett Kaufmann - "Dass ich auf der Straße erkannt werde"

Sportschau, 09.10.2024 19:55 Uhr

Sie haben mal ausgesagt, dass Sie großer Taylor-Swift-Fan sind. Läuft so etwas dann in der Kabine oder wie sieht eine Spielvorbereitung ganz konkret aus?

Hier in Düsseldorf trainieren wir ohne Musik, weil wir eine große Gruppe sind und es eventuell manche stört. Aber zu Hause in Böblingen, wenn wir dort trainieren mit dem Trainer oder Mitspielerinnen, läuft da schon Musik und zu 90 Prozent Taylor Swift. Meine Mitspielerinnen haben kein Problem damit. Vor dem Spiel kommt Taylor Swift auch in meine Playlist.

Sie treten bei der EM in allen drei Kategorien an, Einzel, Doppel und Mixed. Wie verteilen Sie die hohe Belastung und legen Sie Prioritäten fest?

Ich möchte in jedem Wettbewerb, wenn es geht, eine super Leistung bringen und Medaillen holen. Ich glaube, davon träumt jeder, der zur EM fährt. Ich kenne das etwas von der Jugend, wenn ich Mannschaft, Einzel, Doppel und Mixed gespielt habe. Es ist natürlich etwas anderes, auf einem anderen Niveau. Dann gibt es auch Faktoren wie Tagesform oder die Form der Partnerin oder des Partners. Es ist ein gutes Mindset, eine gute Leistung erspielen zu wollen.

Ist es Teil des Vorbereitungslehrgangs, dass man auch Doppel oder Mixed durchprobiert und spielt?

Wir üben auf jeden Fall das Mixed und das Doppel. Es ist wichtig, dass man bestimmte Dinge festlegt. Was mag der eine mehr oder wie reagiert man in kritischen Situationen? Dazu schaut man nach Stärken und Schwächen. Ein Doppel mit zwei Rechtshändern hat bestimmte Schwächen und Stärken, eine Links-Rechts-Kombination wieder andere. Es ist wichtig, nicht einfach anzureisen und zu sagen: "Jo, wir gucken mal, wie es sein wird!"

Nina Mittelham kommt nach ihrer Verletzung zurück. Nimmt das etwas Druck von Ihren Schultern, wenn sie als nominelle Nummer eins wieder dabei ist?

Es war natürlich schade, dass sie bei Olympia nicht mehr da sein konnte und sich verletzt hat. Sie hat super gespielt. Druck nimmt das jetzt nicht von mir, ich spüre eigentlich von mir selber auch gar keinen Druck. Ich freue mich, dass sie zurück ist und sich schnell regenerieren konnte und hoffentlich eine gute Leistung erbringen kann. Aber es ist nicht so, dass es mich mental verändert.

Wenn man eine Schlagzeile kreieren müsste: Was würden Sie gerne über sich lesen?

Natürlich "Kaufmann wird Europameisterin!" Schon sehr ambitioniert, aber Träume sind da, um Träume zu sein! Ich arbeite hart daran, sonst wäre "Kaufmann holt Medaille" auch total okay. Wenn man ein hohes Ziel hat, kann man sich selber dadurch motivieren. Mein Mindset ist von Natur aus, ein Spiel gewinnen und alles andere ist Bonus. Das bleibt auch so. Aber was die Ambitionen angeht, ist es natürlich begehrenswert, eine Medaille mit nach Hause zu nehmen.

Es sind viele junge oder eher unerfahrenere Spielerinnen wie Mia Griesel oder Sophia Klee dabei. Sie sind in jungen Jahren schon erfahrener. Kommen die anderen zu Ihnen und holen sich Tipps?

Man wird vielleicht gefragt aus Interesse oder man redet einfach darüber und dadurch nehmen sie schon etwas mit. Ich verstehe mich gut mit Mia, sie ist der gleiche Jahrgang wie ich. Das bedeutet, wenn sie einen Rat braucht, kann sie sich immer an mich wenden. Sie ist nicht so lange dabei, da helfe ich ihr schon, dass sie mit einbezogen wird. Man weiß, wie die andere Person tickt, ob sie extrovertiert oder introvertiert ist. Da hilft man sich unterbewusst untereinander.

Kommen wir noch zu einem anderen Thema. Nach Olympia wurde viel über Nachwuchsförderung im Leistungsbereich gesprochen. Das Damen-Team bei der EM ist ziemlich jung. Gibt es eine rosige Zukunft?

Ich würde jetzt nicht sagen, dass wir gar keine Spielerinnen haben, aber Tischtennis ist ein Randsport. Das kennen viele nur aus dem Freibad. Das merkt man auch bei uns. Bei den Talenten kommt es dann auch darauf an: Wer schafft diesen Prozess und Weg bis zu den Damen? Es gab genug Talente in der Vergangenheit, die im Jugendbereich europäisch alles abgeräumt haben, aber dann den Sprung nicht geschafft haben. Wir haben gerade viele Spielerinnen mit vielen verschiedenen Persönlichkeiten und Spielsystemen und das finde ich super. Es ist aber nicht so, dass wir plötzlich fünf Mannschaften hinstellen können.

Sie haben den Sprung in den Damenbereich geschafft. Wie ist das gelungen und worauf kommt es da an?

Es kommt sehr darauf an, dass man gut mit den Bundestrainern und den Nationalmannschaften zusammenarbeitet. Nicht in dem Sinne, dass man etwas bestimmtes machen muss. Es gibt kein wirkliches Konzept. Viele denken, der Sprung fängt erst mit 18 Jahren an, aber der muss schon viel früher anfangen. Da spielen dann noch weitere Faktoren wie Wohnort und Trainingsmöglichkeiten mit herein. Ich habe mit 15 schon die Möglichkeit bekommen, mit den Damen zu trainieren und später bei der Team-EM zu spielen. Das bringt einen deutlich weiter. Es hängt natürlich auch mit Ergebnissen zusammen. Wir können nicht jede 15-Jährige mit den Damen trainieren lassen. Wenn die Ergebnisse stimmen und die Entwicklung früh genug anfängt, dann schafft man eigentlich den Sprung.

Annett Kaufmann - "Das bringt einen deutlich weiter"

Sportschau, 09.10.2024 19:55 Uhr

Wenn Team Deutschland, am besten sie selber, eine Medaille holen: Gibt es dann eine große Party in Linz?

Ich glaube, wir werden dann schon feiern und die Person, die eine Medaille holt, auch feiern. Ich freue mich natürlich für jeden, der eine Medaille holt. Der oder die Medaillengewinner:in hat sich das dann erarbeitet. Man kann nicht sagen, dass es nur mit Glück passiert ist. Es ist am Ende immer auch ein Erfolg für uns alle.

Das Gespräch führte Michael Buchartz.